Miss Freimarkt 2014 ist ein hübsches Ding: graublaue Augen, strahlendes Lächeln, lange blonde Haare. Dennoch ist Patricia Ehlers überzeugt, dass die Jury sie nicht nur wegen ihrer optischen Vorzüge gewählt hat. Das aber bezweifeln die Linken in der Bürgerschaft. Ihrer Ansicht nach diskriminieren Miss-Wahlen Frauen, weil die Teilnehmerinnen einem stereotypen Frauenbild entsprechen müssten: jung, hübsch, ledig, kinderlos. Die Linke will die Wahl zur Miss Freimarkt deshalb am liebsten abschaffen.
Stein des Anstoßes ist eine Mitteilung des Senats. „Miss Freimarkt 2015 gesucht“ steht darüber. Bis zum 9. September nehmen die Veranstalter auf ihrer Homepage Bewerbungen entgegen. Die neue Miss Freimarkt soll jung sein, mit ihrer positiven Ausstrahlung und ihrem Temperament die Jury verzaubern. Sie soll leidenschaftlich gern Karussell fahren und Leckereien aller Art mögen. Die Veranstalter wollen eine Miss Freimarkt, die sich in der Gondel des Riesenrads in die Lüfte heben lässt, die Loopings in der Achterbahn mit Links meistert und auch an der Schießbude eine gute Figur abgibt. Einzige Beschränkung: Sie muss mindestens 18 Jahre jung sein.
Futter für Männerfantasien
„Diese Misswahlen sind überkommen“, kritisiert die frauenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Claudia Bernhard. Ihrer Ansicht nach werden die Bewerberinnen auf ihr Äußeres reduziert. „Wahlen von Miss’ jeder Art bedienen Altmännerfantasien“, sagt Bernhard.

Ein Küsschen in Ehren, kann keiner verwehren: Miss Freimarkt 2012 Mirjam Klinge.
Warum, fragt sie außerdem, stelle sich kein Mister Freimarkt zur Schau? Die Vorsitzende des parlamentarischen Gleichstellungsausschusses in spe holt zum verbalen Schlag aus: Wenn es einen Mister gäbe, wäre dieser sicher nicht so streng bewertet worden. „Für Frauen und Männer gelten oft unterschiedliche Teilnahmebedingungen.“ Beim Schönheitswettbewerb „Miss und Mister Bremen“ zum Beispiel dürfen Frauen höchstens 28 Jahre alt sein, Männer aber 35. Frauen müssen unverheiratet und kinderlos sein. Die Mister dagegen dürfen Vater sein. Verheiratete Frauen und Frauen mit Kindern können sich bei einer gesonderten Misses-Wahl bewerben. Eine Misses Bremen gibt es aber nicht, nur eine Misses Germany.
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„Das ist Diskriminierung, die wir nicht unterstützen“, sagt Bernhard. Sie sieht keinen Grund, warum man die Wahl zur Miss Freimarkt nicht abschaffen, zumindest aber modifizieren sollte. Noch mehr ärgert sie, dass der Senat seinen Mailverteiler zur Verfügung stellt, um derlei Aufrufe einem großen Publikum zugänglich zu machen. Es sei absurd, so Bernhard, dass solche privaten Angelegenheiten der Schausteller von der Stadt unterstützt würden. „Der Senat sollte sich da heraushalten.“

Warb mit Herz für das Bremer Volksfest: Miss Freimarkt 2008 Jagoda Jaworski.
Senatssprecher André Städler sagt dazu: „Die Senatspressestelle verschickt für ganz unterschiedliche Einrichtungen und Organisationen, die keine eigenen Medienverteiler haben, als Dienstleistung von Zeit zu Zeit Ankündigungen und Einladungen für die Presse. So geschehen auch in diesem Fall.“ Mehr wolle der Senat nicht sagen.
Nadja Niestädt, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Bremer Märkte und damit der Veranstalter der Miss-Freimarkt-Wahlen, sieht die Bewerberinnen nicht auf ihr Äußeres und ihren Status reduziert. Die Jury aus fünf bis zehn männlichen und weiblichen Schaustellern lege Wert darauf, dass die künftige Miss den Freimarkt und das Bundesland Bremen zum Beispiel auf der Internationalen Touristikmesse ITB in Berlin würdig vertreten kann.

Im Auftrag der Gaudi unterwegs: Miss Freimarkt 2006 Nadine Aßmann.
„Bei uns bewerben sich auch Damen Mitte 30“, sagt Niestädt. Nach oben gebe es keine Altersgrenze. Die Miss Freimarkt dürfe verheiratet sein und Kinder haben. Hauptsache, sie habe eine positive Ausstrahlung, betont Niestädt. Ab 14. September darf die Öffentlichkeit zwei Wochen lang abstimmen. Die drei Bewerberinnen mit dem größten Zuspruch werden von der Jury zum Gespräch eingeladen.
Von einem Aus für die Miss-Wahl hält Niestädt nichts. Die Wahl sei Tradition, beliebt und ein erfolgreicher Bestandteil des Marketings. „Unsere Miss Freimarkt wirbt unter anderem in den sozialen Netzwerken für Bremen“, sagt Niestädt. Die Zahl der Bewerberinnen sei in den vergangenen zwölf Jahren von 20 auf 50 pro Jahr gestiegen. „Wenn es nur noch eine Handvoll wären, würden wir überlegen, ob wir die Wahl abschaffen.“
Die Gleichstellungsbeauftragte des Landes, Ulrike Hauffe, erklärt die Kritik der Linken zu einer „nebensächlichen Frage“, zu der sie sich nicht äußern möchte.
Am 16. Oktober soll die 12. Miss Freimarkt während der Eröffnung des Bremer Traditionsfestes im Bayernzelt gekürt werden. Sie wird Patricia Ehlers ablösen. Ehlers, die im Oktober ein Studium der Sozialökonomie aufnehmen will, würde eigentlich gern Miss Freimarkt bleiben. „Ich bin absoluter Freimarktfan, habe Spaß und viel im Umgang mit Menschen gelernt“, sagt die 20-Jährige, die sich selbst als tough, dynamisch und zielorientiert beschreibt. Diskriminiert habe sie sich nicht gefühlt. Im Gegenteil. Patricia Ehlers: „Die Veranstalter unterstützen die Rolle des Mädels.“
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