Für den Dauerkonflikt mit den sogenannten Stammgästen auf dem Lucie-Flechtmann-Platz, die in der Vergangenheit häufiger wegen Pöbeleien, Müllablagerungen sowie Schlägereien unter Alkoholeinfluss negativ aufgefallen sind, zeichnet sich nun eine Lösung ab. Streetworker Christian Claus von der Inneren Mission, der auf Wunsch des Neustädter Beirates seit Herbst die Treffpunktszene begleitet, plant mit einem betreuten, mobilen Unterstand, die Probleme in den Griff zu bekommen.
Im Kern sieht das Konzept vor, den aus Brettern und Plexiglas gefertigten Bau maximal drei Monate an einer Stelle aufzustellen und danach an einen anderen Ort zu wechseln. Der Streetworker sowie ein Kontaktpolizist des Neustädter Reviers werden regelmäßig vor Ort sein. Ein Müllbehälter sowie eine Toilettenkabine sind Bestandteil des etwa 15 Quadratmeter großen Unterstandes. Als Startpunkt haben sich der Beirat, die Stadtgärtner des Urban-Gardening-Projektes „Ab geht die Lucie“ sowie Polizei und der Streetworker auf den Randbereich des Lucie-Flechtmann-Platzes geeinigt. Die Genehmigung durch das Ordnungsamt steht für die beantragte Sondernutzung des Platzes allerdings noch aus.
Es ist ein Kompromiss, dem die Stadtgärtner unter dem Vorbehalt zugestimmt hatten, dass der Unterstand zu Beginn des Gartenjahres bereits weitergewandert sei. Das wird zeitlich nun nicht mehr machbar sein. Als frühester Termin für eine Aufstellung gilt Anfang März. Bis zum Abbau im Juni dürfte der Garten dann bereits im Hochbetrieb sein. Trotzdem zeigten sich Vertreterinnen der Initiative während der jüngsten Sozialausschusssitzung des Beirates erleichtert, dass bereits ein zweiter Standort in den Neustadtswallanlagen in der Nähe der Hochschule in Aussicht steht. „Darüber sind wir sehr froh, daher wollen wir den Kompromiss weiter mittragen“, hieß es aus den Reihen der Aktivistinnen.
Stadtgärtner sind skeptisch
Skeptisch sehen sie jedoch das Ziel des Streetworkers, zwei verschiedene Szenetreffs am neuen Unterstand zusammenzubringen. Gemeint sind neben der Gruppe vom Lucie-Flechtmann-Platz auch überwiegend ehemals Drogensüchtige, die sich an der Große Johannisstraße in Nähe der dortigen Methadonausgabestelle treffen. „Es wäre unglücklich, wenn wir Menschen auf den Platz ziehen, die dort vorher gar nicht waren und die zum Teil mit der anderen Gruppe verfeindet sind“, zeigte sich eine Stadtgärtnerin besorgt.
„Bei dem Probelauf wird der Knackpunkt sein, wie die beiden Gruppen miteinander klarkommen werden“, sagte auch Kontaktpolizist Wolfram Franke. Streetworker Christian Claus ist jedoch zuversichtlich, dass ein friedliches Miteinander klappen kann: „Beide Szenen treffen sich zu unterschiedlichen Zeiten und ich bin in beiden Gruppen präsent und kann vermitteln.“ Außerdem sei der Unterstand als sicherer Rückzugsraum ausdrücklicher Wunsch der künftigen Nutzer gewesen, die sehr unterschiedliche Problemlagen von Langzeitarbeitslosigkeit bis hin zu Problemen mit Alkoholkonsum zu bewältigen haben. „Daher ist es auch im ureigensten Interesse der Nutzer, dass es dort möglichst ruhig und gesittet abläuft, weil sie wissen, dass der Unterstand sonst keine Zukunft hat“, so Claus.
Bereits bei der Planung und dem kürzlich begonnenen Bau der Bretterbude sind Szenemitglieder einbezogen worden. Außerdem gibt es feste Regeln, die an den späteren Standorten eingehalten werden müssen: Die Gruppe muss selbst bei der Reinhaltung des Unterstandes mithelfen, Drogen und Gewalt sind verboten und es ist klar verabredet, dass der Ort nicht als Übernachtungsmöglichkeit dienen soll. „Wir müssen abwarten, wie das in der Praxis läuft, und Erfahrungen sammeln“, sagte Polizist Franke.
Ausschusssprecher Rainer Müller (SPD) begrüßte den bevorstehenden Probelauf, mahnte aber auch an: „Wir müssen auch bei den Anwohnern für Verständnis werben, dass auch diese Menschen, die sicherlich nicht die einfachsten sind, ein Anrecht auf einen Rückzugsort haben.“ Außerdem sei wichtig, die Streetworker-Stelle schnellstmöglich zu verlängern, die nur bis Mitte September finanziert ist. „Denn wir als Beirat wollen den Unterstand nur dann haben, wenn er auch betreut werden kann.“