Der Widerstand ist bereits gebrochen, die Mauer wird bald folgen. Immer wieder war die Wand vor der Helenenstraße ein Thema. Der Beirat Östliche Vorstadt hatte sich 2013 zuletzt für den Erhalt ausgesprochen. Inzwischen haben sich die Ansichten gewandelt. Die Mauer sei nicht mehr zeitgemäß, heißt es heute. Das wurde deutlich auf der Podiumsdiskussion „Helenenstraße. Ohne Mauer wie im Zoo?“, zu der die Grünen ins Alte Fundamt eingeladen hatten.
„Wir stellen täglich fest, dass es hinter der Mauer Müllablagerungen gibt in beträchtlichem Ausmaß“, sagte Ronny Meyer, Staatsrat für Umwelt und Zentrales. Er brachte gleich in seinem ersten Statement eines der Probleme, die mit der Mauer in Zusammenhang stehen, auf den Punkt. Von drei Kubikmetern täglich sprach der Staatsrat. Stadtweit gebe es 25 Standorte, an denen immer wieder etliche Mengen Müll illegal abgelegt werden. Das Versteck hinter der Mauer der Helenenstraße gehöre zu den Top 3 dieser Standorte.
Einmal abgesehen von den Kosten, die bei der regelmäßigen Entsorgung der illegalen Müllhalde entstehen, sei es für die Mitarbeiter der Eno, die sie abräumen müssen, zunehmend eine Qual. Auf die Müllsäcke werde uriniert, sagte Ronny Meyer, und das auch in Anwesenheit der Eno-Mitarbeiter. Die Müllmänner würden aber auch bedroht und beschimpft. Unzumutbare Zustände.
„Das ist das Einzige, was uns an der Thematik interessiert“, sprach Ronny Meyer stellvertretend für das Umweltressort. Damit das besser werde, müssten Mitarbeiter der Behörde vor allem das Gespräch mit denen, die ihren Müll dort entsorgen, um sie zum Umdenken zu bewegen. Bauliche Veränderungen wären erst die zweite Möglichkeit, sagte der Staatsrat. Um ein Einlenken zu bewirken, müsse man die Verursacher natürlich erst einmal ausfindig machen.
Es reiche, sich einen halben Tag an die Ecke zu stellen, meinten einige. „Dann sieht man, wo der Müll herkommt“, sagte Hellena Harttung, die Leiterin des Ortsamts Mitte/Östliche Vorstadt, die im Publikum saß. Eine Viertelbewohnerin bestätigte diese Beobachtung: „Ich sehe das seit 20 Jahren“, sagte sie. Nachbarn haben auch schon Mülltäter bei der Behörde gemeldet. Passiert sei aber bislang nichts, sagte Beiratsmitglied Harald Klussmeier (Grüne), der ebenfalls im Publikum saß. Einige Verursacher seien durchaus bekannt, bestätigte auch Ronny Meyer. Gegen sie laufen Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit.
Neben Anrainern gehören zu den Übeltätern auch Menschen, die auf der Suche nach Pfandflaschen die Müllbeutel aus den Tonnen der Prostituierten holen, die Säcke aufreißen und durchwühlen. Um zumindest dem entgegenzuwirken, sei sie derzeit in Gesprächen mit der Leitstelle „Saubere Stadt“, sagte Hellena Harttung. Die Idee sei, am Ende der Helenenstraße einen abschließbaren Müllcontainer aufzustellen.
Bremerhaven als Vorbild?
„Die Frauen sind auch nicht begeistert von der Situation“, sagte Bea Augustin vom Verein Nitribitt, der die Interessen von Sexarbeiterinnen vertritt. Müll und Uringeruch sind nicht gut für den Umsatz, weil sie manche Freier abschrecken.
Die Helenenstraße sei keine gesperrte Zone, sondern ein öffentlicher Raum, sagte Beiratssprecher Steffen Eilers (Grüne), der auf dem Podium saß. „Deshalb sind wir auch alle mit verantwortlich“, betonte der Stadtteilpolitiker aus der Östlichen Vorstadt. Wie genau diese Verantwortung aussehen soll, darüber wurde mit dem Publikum diskutiert.
Alles weg und die Straße ganz öffnen, war ein Ansatz. Das beträfe dann nicht nur die Mauer, sondern auch die beiden beweglichen Sichtschutzwände dahinter. Dann hätte jeder Passant freie Sicht in die Straße. So funktioniert es beispielsweise in Bremerhaven in der Lessingstraße, die eine offene Durchgangsstraße ist und in der die Prostituierte trotzdem ihrer Arbeit nachgehen können.
Der Ausschuss hatte für den Abend der Podiumsdiskussion eigentlich eine Sitzung angesetzt, die aber kurzfristig ausfallen lassen. Die Beiratsmitglieder waren stattdessen zu der Diskussion über die Helenenstraße gegangen. Wenn es für eine vollständige Öffnung keine Mehrheit gebe, dann solle man vielleicht die Straße schließen, so wie früher, schlug Peter Böhme (Linke) vor. Er sitzt als sachkundiger Bürger im Beirat und ist Sprecher des Fachausschusses Bauen, Wohnen und öffentlicher Raum. Sein Vorschlag zielte darauf ab, das Pförtnerhaus, das früher am Eingang der Helenenstraße stand, wieder aufzubauen, vielleicht um eine Mini-Wache der Polizei, ähnlich wie bei Karstadt, zu ergänzen und jeden zu registrieren, der in die Straße wolle. Das widerspreche allerdings dem Prostitutionsgesetz, entgegnete Henrike Müller, die geschlechterpolitische Sprecherin der Grünen, die die Diskussion leitete.
Die Zeichen stehen aber ohnehin auf eine Öffnung, die Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) kurzfristig in die Wege leiten will. Das soll auch der Sicherheit dienen. Mehr dazu im Hauptteil.