Plattdeutsch macht Schule in Bremen-Nord Mehr Angebote zum Lernen der Regionalsprache

Plattdeutsch kommt in Bremen-Nord und umzu in Mode. Eine Plakat-Kampagne zeigt Wirkung.
09.01.2015, 00:00 Uhr
Lesedauer: 5 Min
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Von Albrecht-Joachim Bahr

„Wi mööt snacken“ fordert das Plakat. Die Nordbremer Rap-Gruppe „De fofftig Penns“ tut es, viele Mitglieder von Heimatvereinen auch. Die Volkshochschule Nord bietet Platt-Kurse an und eine kleine Platt-Grammatik ist hier in Nord schon fast ein Bestseller. Plattdeutsch kommt in Bremen-Nord und umzu, so hat es den Anschein, in Mode.

„Snack Platt, du Döspaddel!“, sagt ein Junge auf dem Plakat, das in diesen Tagen überall in Bremen zu sehen ist. Dahinter steckt eine Initiative des Bundesrates für Niederdeutsch. Bei den politischen Gremien verschiedener Bundesländer wird dabei nachgefragt, wie sie es mit dem Plattdeutschen hält.

Steigendes Interesse an Platt-Abend

In Bremen hat der „Runne Disch Plattdüütsch for Bremen un Bremerhaven“ Wahlprüfsteine formuliert und im Vorfeld der Bürgerschaftswahl im Mai an alle Parteien ausgegeben. Die Vertreter der Plattsprecher möchten herausfinden, welche Bedeutung die Parteien der politischen und praktischen Arbeit für das Niederdeutsche in der kommenden Legislaturperiode beimessen. Rückmeldung ist bis zum 10. Januar erbeten. Bis dahin schauen wir, wie es Bremen-Nord mit dem Plattsnacken hält.

„Wir schnacken über dit un dat und lesen plattdeutsche Döntjes und Geschichten“: So bewirbt zum Beispiel der Heimat- und Verschönerungsverein Lesum seinen Plattdeutschabend. Besser: So hat er ihn bislang beworben. Jetzt aber tritt die dritte Vorsitzende, Edith Ostendorff, auf die Bremse. Denn, was mit zehn Teilnehmern angefangen hat, ist zeitweilig auf zwanzig angestiegen. Inzwischen hat sich die Teilnehmerzahl bei fünfzehn eingependelt. „Aber auch das sind für eine Veranstaltung, bei der doch jeder zu Wort kommen sollte, zu viel“, sagt Ostendorff. Zumal das Heimathaus kaum noch Platz biete.

Jeder soll also drankommen, wenn eingangs des Plattdeutsch-Abends aus den vergangenen vierzehn Tagen erzählt wird. Ans Klönen schließt sich dann ein Text an, den die Leiterin des Abends Anne Asseln vorliest und der von den Teilnehmern dann besprochen wird. Zum Abschluss des Abends gibt es eine Gesprächsrunde mit offenem Thema. Die Altersklasse der Teilnehmer schätzt Ostendorff übrigens auf „65 aufwärts“.

Aber fünfzehn Teilnehmer in einer Veranstaltung – kann man das schon als Run aufs Plattdeutsche nennen? Auch Bernhard de Reese tut sich da schwer. Sein eigentlicher Wirkungskreis in Sachen Pflege der plattdeutschen Sprache ist der Heimatverein Farge-Rekum. Im Kahnschifferhaus hält er regelmäßig jeweils Februar/März ein Seminar ab, verteilt auf sieben, acht Stunden. Themen sind hier unter anderem die Autoren Georg Droste („Ottjen Alldag“) und Hermann Boßdorf („Bahnmeester Dod“).

Tipps zum Lesen und Lernen

„Schwer zu sagen, ob es beim Platt ein Auf oder Ab gibt“, meint de Reese. „Die einen sagen, es geht immer weiter bergab. Andere dagegen betonen die Renaissance der Regionalkultur als Gegenbewegung zur Globalisierung.“ Er selbst habe festgestellt, dass man das Interesse fürs Plattdeutsche eigentlich schon bei der Altersstufe 40 plus festmachen kann. „Das liegt daran, dass man hier beginnt, neue Interessensschwerpunkte zu setzen.“ Allerdings: Die meisten Teilnehmer an seinen Kursen, schätzt er, dürften so um die 60 Jahre alt sein.

Sein Fazit: „Das Plattdeutsche wiederbeleben – da könnte man mehr machen.“ Er selbst könne immerhin einen kleinen Erfolg verbuchen: Von seinem Buch „Plattdüütsch – Lesen und Lernen“ hat er allein in Bremen-Nord rund 400 Exemplare verkauft. „Und dann hab’ ich da noch einen Tipp: Wer sich mit dem Plattdeutschen anfreunden will, sollte einfach sich selbst mal kurze Texte laut vorlesen.“

Zwei Nordbremer Grundschulen – von vier Schulen in ganz Bremen – haben im Rahmen der bremischen Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen Niederdeutsch auf dem Stundenplan: Burgdamm und Schönebeck sind „Profilschulen Plattdeutsch“. In Burgdamm sind es nach Auskunft von Projektleiter Wilhelm Brunnbauer gut zehn bis vierzehn Schüler, die an den entsprechenden Kursen beziehungsweise Arbeitsgemeinschaften teilnehmen.

In der Schule Schönebeck seien es sogar mehr als die Hälfte aller Schüler, erzählt Schulleiterin Britta Riethmöller. Für Erstklässler gibt es pro Woche eine Stunde – verbindlich. Und Zweitklässler werden einmal die Woche nachmittags auf Platt betreut. Die Schüler der dritten und vierten Klasse können eine Plattdeutsch-AG als Wahlpflichtfach anwählen.

All die, die Plattdeutsch nicht an der Schule lernen oder lernten, können das bei der Volkshochschule Bremen-Nord nachholen. „Hier gab es in den letzten Jahren immer wieder Anfragen“, sagt die neue Leiterin Haleh Soleymani. Deshalb biete die VHS Nord seit zwei Jahren zwei Plattdeutschkurse pro Semester an, „die immer schnell ausgebucht waren“.

Im Umland wird natürlich auch Platt gesprochen – und irgendwie auch gelebt. So bieten die Heimatfreunde Neuenkirchen für Frauen „Klönschnack und Genuss“ an und im November gibt es einen Frühschoppen mit Geschichten auf Platt und Hochdeutsch.

Angebote für Kinder

Die Plattsnacker-Gruppe bietet aber auch einen Plattdeutschkurs für alle an, die sich mit dieser Sprache beschäftigen möchten, die wissen möchten, wie unsere Vorfahren miteinander gesprochen haben. Die Leitung dieses Projektes haben Jutta Kuper und Erika Karlsen, denen beratend auch die anderen Mitglieder der Sparte zur Seite stehen. Und mitunter greifen sie auf einige „ältere Dozenten“ aus der Gruppe zurück.

Aber auch für Kinder gibt es Angebote: Jutta Kuper bietet Nachmittage an, an denen Acht- bis Zwölfjährige basteln, backen und Geschichten hören können – alles auf Plattdeutsch. Auch die Grundschule Neuenkirchen hat Plattdeutsch auf ihrem Stundenplan – und das schon seit vielen Jahren.

Weiter predigt der pensionierte Pastor Joachim Bobka aus Platjenwerbe gelegentlich in der Lesumer St.-Martini-Kirche auf Plattdeutsch. Und der Mitarbeiter der Sparkasse Osterholz, Hans-Alfred Buck, fährt mit dem Sparkassen-Mobil durch den Landkreis, kennt Steg und Weg versteht sich aufs Bankgeschäft und: spricht – plattdeutsch. Und passiert er den Ortseingang zu Ritterhude, empfängt ihn das Ortsschild mit dem Zusatz „Hu’e“. Neuenkirchen, erzählt Jutta Kuper von den Heimatfreunden dort, würde seine Besucher entsprechend mit „Neenkarken“ willkommen heißen, wenn das Ortsschild platt snacken könnte.

Auch in Behörden wird gesnackt

Wird das Plattsnacken in Bremen-Nord weitgehend als Pflege einer persönlicher Neigung gesehen, sieht das Hans Meinen für die Wesermarsch schon etwas anders. Auch der Plattdeutsch-Beauftragte des Landkreises sieht sich der europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen verpflichtet, nach der jeder Bürger ein Recht darauf hat, dass zum Beispiel im Kreishaus Plattdeutsch mit ihm gesprochen wird. Und so prangt immer öfters an Behördentüren das Schild „Ick snack ok platt“ zumindest aber „Ick verstoh ok platt“.

Meinen ist seit Jahren darum bemüht, sich um Menschen zu kümmern, „deren erste Sprache Plattdeutsch war“. Sein eigentliches Thema aber lautet: Plattdeutsch in Kindermund. Deshalb besucht er Kindergärten und Grundschulen, darunter auch die Grundschule Deichshausen, um dort unter anderem als Märchenerzähler Platt zu unterrichten. Er fordert: „In Kindergärten und Schulen sollte Plattdeutsch fest installiert werden.“

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