St. Magnus. Es mag Konzert-Pianisten geben, die zu Auftritten stets ihren eigenen Flügel mitbringen. Aber es gibt nur wenige, die ihr Klavier dabei lässig unter den Arm klemmen können. Claudia Janet Birkholz macht das. Wenn sie am Sonnabend, 1. April, ab 18 Uhr in der Kränholm-Scheune auftritt, darf sich das Publikum davon überzeugen. Die gebürtige Nordbremerin spielt dann auf einem Toy-Piano. Das ist so groß wie ein mittelschwerer Reisekoffer.
Wer die Comic-Serie „Die Peanuts“ gesehen hat, der kennt Schroeder und somit auch ein Toy-Piano. Charlie Browns Freund sieht man eigentlich nur in gebückter Haltung am Kinderklavier sitzen und Beethovens Werke spielen. So zusammenkauern muss sich Claudia Janet Birkholz nicht, als sie zur Kostprobe ein paar Melodien anstimmt.
Sie hat ihren Mini-Flügel auf ein Podest gestellt. Doch den Gedanken an Schroeder wird man trotzdem nicht ganz los. Schließlich sind öffentliche Auftritte mit Toy-Pianos eher die Seltenheit. Zumal in der Kombination, die die Bremer Pianistin bei ihren Konzerten pflegt: Sie wird in der Kränholm-Scheune mit ihrem Toy-Piano auftreten und ebenfalls auf einem großen Flügel spielen. Den lässt der Veranstalter herbeischaffen. „Gerade in der Kombination Toy-Piano und Flügel gibt es außer mir nur noch zwei professionelle Spielerinnen“, sagt die Musikerin. „Eine lebt in den USA und die andere in Österreich.“ Verniedlichen sollte man das Instrument nicht, das es der Pianistin so angetan hat. John Cage spielte das Toy-Piano bereits 1948 und komponierte eine Suite für das Instrument. Claudia Janet Birkholz stieß im Rahmen ihres Musikstudiums an der Kunsthochschule Bremen und ihrer Arbeit über den amerikanischen Komponisten darauf. Sie war fasziniert vom Toy-Piano und von der Frage beseelt: „Wo bekomme ich das?“ Heute würde man googeln. Aber damals war das weltweite Netz gerade mal so eben gespannt.
Die Musik-Studentin machte einen Spielzeugklavier-Hersteller in den Vereinigten Staaten aus. Ein bisschen abenteuerlich gestaltete sich dann noch der Weg, in den Besitz des Mini-Klaviers zu kommen. Claudia Janet Birkholz blickt zurück und lacht. Kaufen konnte sie das Toy-Piano nur über eine Kreditkarte. Aber die besaß sie damals nicht.
Das Instrument und die Musikerin fanden schließlich doch noch zusammen, weil eine Freundin es mit ihrer Kreditkarte erwarb. Heute besitzt die Pianistin mehrere Toy-Pianos. Sie schätzt an ihnen, dass sie ohne Elektronik funktionieren. Wo herkömmliche Klaviere Saiten haben, sind Toy-Pianos mit Metallstäben ausgerüstet, an die die Hämmerchen schlagen. „Es ist ein robustes Instrument“, sagt die Pianistin, „bei manchen Stücken, die ich spiele, muss es das auch sein“.
Dem besonderen Instrument gehört die eine Seite des Herzens. Die andere schlägt für die Neue Musik. Beides lässt sich gut vereinen. Für beides ist Claudia Janet Birkholz gewissermaßen auf Werbefeldzug. Bei Neuer Musik rümpfen ihrer Ansicht nach noch zu viele Leute die Nase. „Neue Musik ist negativ besetzt“, bedauert sie. „Dabei sind so schöne Klänge dabei.“
Die bringt die Bremerin, die schon als Neunjährige nach ihrer ersten Klavierstunde die Eltern mit der Aussage „Ich werde Konzert-Pianistin“ amüsierte, inzwischen auch ihren Studenten an der Hochschule näher. „In der zeitgenössischen Musik gibt es eine unglaublich spannende Welt zu entdecken.“ Sicher, sie spiele auf dem Klavier auch gern klassische Stücke. „Aber das Spielerische habe ich dort nicht.“ Interpretatorische Weite findet Claudia Janet Birkholz in der Musik ab dem 20. Jahrhundert. „Es gibt dort unglaublich zauberhafte Stücke. Die habe ich alle noch nicht entdeckt.“
In der Musikgeschichte ist die Neue Musik für sie „das Sahnehäubchen“. Um dafür Publikum zu gewinnen, hat sie zusammen mit anderen zu John Cages 100. Geburtstag den Verein „Realtime – Forum Neue Musik“ gegründet, der als Veranstalter Konzerte organisiert. Und sie hat ein Jugendensemble für Neue Musik auf die Beine gestellt, für das sie Stücke komponiert.
Bei ihren Konzerten greift die Pianistin gern zu Stücken, die sie herausfordern. In der Kränholm-Scheune soll eines von Julia Wolfe erklingen, „das eigentlich unspielbar ist“. Der Abend besteht aus zwei Teilen. Im ersten wird es ein Konzert-Gespräch geben, bei dem die Künstlerin das Publikum in Werke der Neuen Musik einführt. Mit Klangbeispielen aus Werken von Erik Satie, György Ligeti oder John Cage. „Sie referiert über die besonderen Herausforderungen dieses Repertoires und erläutert die Verbindungen und Hintergründe, die dazu führen, dass die Musik heute oft anders klingt als die Vertonungen der vergangenen Jahrhunderte“, heißt es im Programm.
Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht das Toy-Piano. Mit seinem glockenspielartigen Klang, der zart und gebrechlich anmutet. „Dieses Instrument hat etwas Feenhaftes, Elfenhaftes“, schwärmt die Pianistin.