Bremen/Syke. Instrumente werden gestimmt, einzelne Strophen sind zu hören, Gesprächsfetzen in verschiedenen Sprachen vermischen sich: In der Modern Music School Bremen geschieht etwas Neues. So etwas habe er dort noch nie erlebt, freut sich Stefan Zeise, der Inhaber der Musikschule in der Nähe des Hauptbahnhofes. „Anstrengend, aber auch einfach unglaublich und toll“, sagt er. Das Projekt „Make Music – Not War“ (deutsch: Mach Musik – und keinen Krieg) ist vom Verein Naturkultur angestoßen worden.
Das „Erasmus plus Programm“ hat im April 44 junge Musiker und Musikerinnen aus acht Konfliktnationen in Syke in einem Haus zusammengebracht. Sie haben in Frieden und für den Frieden zusammen musiziert, gemeinsam gekocht, miteinander diskutiertiert und neue Kulturen kennengelernt und sich Konflikten gestellt.
Die Musiker und Musikerinnen kamen aus Palästina und Israel, Kosovo, Serbien, Bosnien, Kroatien, Griechenland und Deutschland. Auf die Frage, weshalb das Pilotprojekt in Deutschland und speziell in Bremen und Syke läuft, sagt Darko Mitevski, der Vorsitzende des Vereins Naturkultur: „Deutschland ist ein Beispiel für einen gelungenen Friedensprozess. Und Bremen ist die Stadt der Stadtmusikanten.“
Deutschland als Vorbild
Deutschland und Frankreich hätten es geschafft, erklärt er seine Sichtweise. In diesen Ländern herrsche Frieden, es gebe Konflikte der Vergangenheit, aber diese habe man akzeptiert, um in der Gegenwart friedlich nach Lösungen für die Zukunft zu suchen. „Und es ist Zeit! Jetzt! Es muss sich einfach etwas ändern, es kann so nicht weitergehen!“
Eine der Musikerinnen ist die 27-jährige Amna Šehic aus Bosnien. Eigentlich spielt sie Flöte, aber beim Friedenssong ist sie als Sängerin dabei. Für sie sei die Reise nach Deutschland und das Zusammenleben mit so vielen, ihr zunächst fremden Menschen, eine gänzlich neue Erfahrung, sagt die junge Bosnierin. „Ich verlasse damit meine Wohlfühlzone, aber so kann ich wachsen und lernen.“ Die Zeit in Bremen und Syke mit all der Vielfalt an Musik aus unterschiedlichen Kulturen und die Gemeinschaft habe ihr sehr gefallen. Musik sei sowieso sehr wichtig für sie, denn sie helfe ihr, mit dem Kriegstrauma umzugehen, das sie als Kind erlitten habe.
Die Aufnahme des selbstkomponierten Friedenssonges führte sie alle in die Modern Music School Bremen zu Stefan Zeise und Frank Koopmann. Unterstützt wurden die beiden von Nils Völcker von den „Acces all Areas Studios“ aus Woltmershausen, der die Aufnahme machte.
Aufgenommen worden ist der Song in drei Versionen: Punk, Oriental und Pop-Rock. Alle Varianten werden über Social Media Kanäle, zum Beispiel Facebook und Twitter sowie über Youtube verbreitet, um Aufmerksamkeit zu gewinnen und die Zukunft des Projektes zu sichern. Denn 2017 sei nur ein erster Schritt, sagt Darko Mitevski, der das Projekt ab jetzt jährlich in einem anderen Land organisieren und es auch vergrößern will. Auch musikalisch und vom Vertrieb her soll es vorangehen: Ein Album wäre toll, doch dazu brauche man einfach mehr Unterstützung.
Das ganze Projekt habe ein geradezu lächerlich kleines Budget, erzählt der Projektleiter. Besonderen Dank gebühre deshalb Stefan Zeise und Frank Koopmann, die das Ganze unterstützen, und das nicht nur, indem sie die Räume für die Aufnahme stellen. Für Stefan Zeise sei die Unterstützung vom ersten Moment an keine Frage gewesen, sagt er begeistert. „Das machen wir, weil es schlicht das Richtige ist.“
Die Zusammenarbeit gestaltete sich von Anfang an problemlos. Der erste Kontakt zwischen ihm und dem Projektleiter Darko Mitevski sei über eine Schülerin der Modern Music School Bremen zustande gekommen, sagt Stefan Zeise. Und es gebe auch in Bremen noch anderweitig Gelegenheit, den Song zu bringen. Die Gruppe spielte im „Paddys Pit“ am Hauptbahnhof und als Stadtmusikanten im Viertel und in der Innenstadt.
Neben Amna Šehic war auch die 23-jährige Berufsmusikern Meera Eilabouni aus Israel dabei. Sie lebe von ihrer Friedensmusik mit Gitarre und Gesang und ziehe von Konzert zu Konzert, erzählt sie. Sie sei muslimisch erzogen worden, denn sie stamme aus einer arabischen Familie. „Ich sehe mich als Brücke zwischen den Kulturen“, beschreibt die Israelin sich selbst.
Erst als Erwachsene habe sie engeren Kontakt zu Juden und Christen aufgenommen. Alle, die sie nun treffe, teilten aber eine Sehnsucht: „Nicht nur ich, sondern auch sehr viele Menschen auf meinen Konzerten sehnen sich nach Frieden, sehnen sich danach, einfach nur Mensch zu sein und frei von Angst zu sein“, sagt sie. Sie spüre die Hoffnung ihrer Generation: Alle hätten genug vom Krieg. „Wir wollen dauerhaften Frieden, wir wollen Veränderung.“
Kulturen zusammenbringen
Auch Darko Mitevski spricht viel vom notwendigen Frieden. „Die jungen Erwachsenen hier“, deutet er auf die Musiker, „sind vielleicht die Anführer der Nationen von morgen." Wenn sie zu ihren Mitmenschen aus anderen Kulturen Verbindungen aufbauten, seien die Chancen gut, dass sie später verstünden: „Es darf keinen Krieg geben, es muss andere Mittel zum Austragen und Lösen von Konflikten geben.“ Darko Mitevski blickt optimistisch in die Zukunft: „Jeder junge Mensch, der das hier Erlebte mit nach Hause nimmt und es weitergibt, macht einen kleinen Schritt, der aber jeweils für ein Stück Hoffnung steht.“
Für nächstes Jahr sei das Projekt derzeit in Mazedonien angedacht. Dann hofft Mitevski noch mehr Heranwachsende zu begrüßen, darunter auch junge Frauen und Männer aus der Ukraine und Russland, Zypern und der Türkei.