Eine Woche lebte die Bremerin Irmgard Damboldt im Hotel, weil ein Abrissbagger aus Versehen ihre Schlafzimmerwand zerstörte. Nun ist sie zurück in ihrer Wohnung. Ganz wohl fühlt sie sich aber nicht.
Nicht mal einen Blumenstrauß hat Kühne + Nagel geschickt. Irmgard Damboldt ist enttäuscht. Und auch empört: Da stürzen wegen eines Fehlers beim Abriss des Kühne + Nagel-Gebäudes Teile ihrer Schlafzimmerwand ein, und das Unternehmen entschuldigt sich nicht einmal bei ihr. Das Abrissunternehmen dagegen hat sein Bedauern ausgedrückt und bringt eine Nachttischlampe vorbei, als Geste.
Und die Haftpflichtversicherung des Abrissunternehmens schreibt Briefe an ihren Anwalt, es geht um Reinigungskosten, Hotelübernachtungen und Taxifahrten. Anwalt Uwe Piehl sagt: „Das ist eine sehr unbefriedigende Schadensregulierung. Sehr schleppend und zäh.“
Seit einer Woche lebt die 77 Jahre alte Irmgard Damboldt wieder in ihrer Wohnung, sie schläft wieder in ihrem Bett und sie hat wieder eine intakte Schlafzimmerwand. Bauarbeiter haben eine neue Wand hochgezogen, sie verputzt und in einem hellen Rosa tapeziert. Es hängen auch schon wieder Bilder an der Wand, das in der Mitte zeigt einen Wald, Sonnenlicht strahlt zwischen den Baumstämmen hindurch. Und trotzdem: „Ich habe ein doofes Gefühl, wenn ich abends ins Bett gehe“, sagt sie.
Backsteine auf dem Bett
Mitte Januar brachen mehrere Backsteine aus der Wand ihres Schlafzimmers und fielen auf ihr Bett. Und es war nur Zufall, dass sie gerade nicht dort lag, um ihren Mittagsschlaf zu halten. Das Abrissunternehmen Moß hatte mit einem Bagger die Wand des alten Kühne + Nagel-Gebäudes abgerissen, die direkt an der Schlafzimmerwand von Irmgard Damboldt stand. Und dabei großen Schaden angerichtet. Drei Löcher klafften in der Wand, die 77-Jährige konnte nicht in ihrer Wohnung bleiben. Also zog sie ins Hotel.
„Eine Geste wäre das ja schon, wenn sie sich mal kurz melden würden“, sagt Irmgard Damboldt. Die 77-Jährige lebt seit 25 Jahren in ihrer Wohnung mit Blick auf die Weser, das Unternehmen Kühne + Nagel und sie waren Nachbarn, wenn man das so sagen kann. „Ich habe das nicht verursacht, aber ich habe den Schaden“, sagt sie. Kühne + Nagel will sich auf Nachfrage des WESER-KURIER zu dem Vorfall nicht äußern. Irmgard Damboldt hatte kurz darüber nachgedacht, sich eine andere Wohnung zu suchen. Aber sie liebt ihre Wohnung und vor allem den Blick auf die Weser.

Neue Wand: Irmgard Damboldt kann seit etwa einer Woche wieder in ihrem Schlafzimmer schlafen.
Unternehmen soll 1700 Euro zahlen
Eine Woche wohnte sie im Hotel, dann kam sie zurück. Ihre Familie half ihr, das Schlafzimmer sauber zu machen, Schutt und Staub aus der Matratze zu saugen und die Bilder wieder aufzuhängen. Die 1700 Euro Reinigungskosten, die Irmgard Damboldt gemeinsam mit ihrem Anwalt veranschlagt hat und die sie dem Unternehmen in Rechnung gestellt haben, sollen sie von der Haftpflichtversicherung des Abrissunternehmens Moß erstattet bekommen.
Was mit den Möbeln ist, die Schaden genommen haben – eine Matratze, drei Lampen und ein Nachttisch – das ist noch unklar. Auch an anderen Stellen im Haus sind Risse in den Wänden, auch dafür gibt es noch keine Lösung.
"Krasser Ausnahmefall"
Uwe Piehl, Anwalt für Immobilien- und Mietrecht, hatte einmal einen ähnlichen Fall. 2008 war das, auch in Bremen. Aber in der Wohnung, die beschädigt wurde, lebte zu diesem Zeitpunkt niemand. „So einen krassen Ausnahmefall habe ich noch nie erlebt“, sagt er. „Ich verstehe nicht, warum man sich da nicht großzügiger zeigt.“ Derzeit streite er mit der Haftpflichtversicherung um den Wert der beschädigten Möbelstücke. Die 77-Jährige soll mit Rechnungen nachweisen, wie viel sie zum Beispiel für den Nachttisch bezahlt hat. Doch das ist Jahre her und sie hat den Beleg nicht mehr. „Es wird ein Maßstab angelegt, der unverhältnismäßig ist“, sagt ihr Anwalt.
Die Bagger reißen unterdessen weiter das Haus nebenan ab. Irmgard Damboldt hört das alles. Doch das stört sie nicht. „Ich bin nicht geräuschempfindlich. Das ist ja eine Baustelle.“ Für den Lärm hat sie Verständnis. Solange ihre Wände stehen bleiben, kann sie mit der Baustelle leben. Die Lampe, die das Abrissunternehmen als Geschenk im Hotel vorbeibrachte, steht nun auf ihrem Nachttisch. Ein praktisches Geschenk, denn die alte ist bei dem Baustellenunfall Mitte Januar ja kaputt gegangen.