Wie soll der öffentliche Bremer Nahverkehr, seine Organisation, seine Verbindungen und seine finanzielle Struktur in Zukunft aussehen? Anders als bisher, so viel zumindest steht fest. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und Linke festgeschrieben, drei Varianten „ergebnisoffen“ zu prüfen. Bis Ende des Jahres will das Verkehrsressort von Senatorin Maike Schaefer (Grüne) die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zu den Varianten des kostenfreien und des ticketlosen ÖPNV sowie von Jahrestickets für 365 Euro vorlegen.
Für Mark Wege und Wolfgang Geißler ist das ihr bislang größter Erfolg. Seit einem Jahr werben sie als „Einfach einsteigen“ für die ticketlose Variante, bei der die bisherige Mischfinanzierung der Bremer Straßenbahn AG (rund 100 Millionen Euro Ticketerlöse und rund 60 Millionen Steuergelder) abgelöst würde von einer paritätischen Finanzierung durch Unternehmensabgaben und einem festen Betrag von allen volljährigen Bürgerinnen und Bürgern (circa 20 Euro).
„Dass das Ressort unseren Vorschlag mit prüfen lässt, sehen wir als Erfolg“, erklärt Wege, der den Verein „Einfach einsteigen“ im Jahr 2017 gegründet hatte. Der Wermutstropfen: Dass eben drei Vorschläge geprüft würden und nicht nur ihrer. Wege: „Das zeigt, dass noch nicht anerkannt wird, dass unser Konzept besser ist als zum Beispiel das 365-Euro-Ticket, weil es auch den Ausbau des Netzes beinhaltet.“ Dieser würde bei „Einfach einsteigen“ durch die öffentliche Förderung bezahlt, die durch das Umlage-Prinzip frei würde.
Ganz so einfach ist die ganze Sache trotz allen Zuspruchs fürs Fachliche, den die „Einfach Einsteiger“ nach eigener Aussage von allen Seiten erhalten, jedoch nicht: Es gibt einige verwaltungsrechtliche Hürden. Und auch den Aspekt, dass der Ausbau des ÖPNV nach dem „Einfach einsteigen“-Konzept eine Art Vorleistung wäre, die aber alleine nicht ausreichen würde. Rad- und Fußverkehr müssten gleichsam gefördert werden.
Die Logik dahinter: Je unattraktiver und teurer es wird, Auto zu fahren oder es irgendwo zu parken, desto mehr Menschen entscheiden sich für die umwelt- und klimafreundlichen Varianten, zumal wenn sie gut ausgebaut sind. „Wir sind mit der Behörde im Gespräch und versuchen, darauf hinzuwirken, dass in der Machbarkeitsstudie auch solche Fragen geprüft werden“, sagt Geißler, „und nicht nur die Auswirkungen von Preissenkungen für Tickets.“
Wege und Geißler verstehen sich aber nicht nur als Botschafter ihres Nahverkehrsmodells, sondern bei Gesprächen mit Vertretern der Beiräte, Ortsämter oder Parteien als Botschafter der Idee, dass die Verkehrswende wichtig und richtig ist. „Hinter dem Thema ist im Moment richtig Druck“, sagt Wege. „Schnellschüsse“ seien allerdings auch problematisch. „Die funktionieren dann nicht richtig, weil es eben Schnellschüsse sind, und dann wird das Ganze in Frage gestellt.“ Geißler ergänzt: „Unser Ziel ist es, den öffentlichen Nahverkehr als etwas Positives in den Köpfen zu verankern.“
Darum geht es auch bei den Plänen von „Einfach einsteigen“ für die nächste Zeit. Am 15. Februar sollen Interessierte beim „Barcamp Nahverkehr“, einem offenen Konferenzformat, im Kraftwerk City Accelerator ihre Ideen und Vorschläge rund um den Nahverkehr diskutieren. Ab dem Sommersemester ist im Fachbereich Sozialwissenschaften auch eine interdisziplinäre Veranstaltung an der Uni geplant: ein „Public Transport Lab“ für Studierende, die dort kleinere Projekte zu Aspekten des Nahverkehrs, ökologisch, wirtschaftlich oder sozial, erarbeiten können.