Personelle Lücken im Sicherheitsapparat Angestellte sollen Polizisten entlasten

Um die Personallücken bei der Polizei zu schließen, sollen in Bremen künftig nicht nur ausschließlich ausgebildete Polizeibeamte im Einsatz sein. Die Gewerkschaft warnt jedoch vor diesem Schritt.
22.02.2016, 00:00 Uhr
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Angestellte sollen Polizisten entlasten
Von Ralf Michel

Um die Personallücken bei der Polizei zu schließen, sollen in Bremen künftig nicht nur ausschließlich ausgebildete Polizeibeamte im Einsatz sein. Die Gewerkschaft warnt jedoch vor diesem Schritt.

Es müssen nicht immer Vollzugsbeamte sein – nach diesem Motto soll in Bremen versucht werden, zumindest für die Dauer der nächsten zwei Jahre die größten Personallücken bei der Polizei zu füllen. Dahinter steht die Überlegung, dass nicht für alle Aufgaben, die die Polizei erledigt, unbedingt ein ausgebildeter Polizeibeamter notwendig ist.

Einfach gelagerte Verwaltungstätigkeiten, die Verkehrsregelung bei Werder-Heimspielen, die Absicherung von Tatorten... Dies seien Bereiche, bei denen auch Angestellte im Polizeidienst zum Einsatz kommen könnten, nennt Polizeipräsident Lutz Müller Beispiele. Hinzu kämen Spezialaufgaben wie etwa die Auswertung von Mobilfunkdaten, das Fuhrparkmanagement oder auch die Besetzung der Pressestelle. Selbst die Aufnahme von Anzeigen, einfache Ermittlungsaufgaben oder die Entgegennahme von Notrufen in der Einsatzzentrale schließt Müller nicht aus. „Müssen das wirklich alles Polizisten sein?“

Müller hat grünes Licht, um 2016 und 2017 jeweils 30 Angestellte einzustellen. „Ein Kompromiss“, wie er betont. „Natürlich hätte ich lieber ausgebildete Vollzugsbeamte.“ Nicht zuletzt, weil er die flexibler einsetzen könnte. Doch als Polizeipräsident anno 2016 in Bremen darf man nicht wählerisch sein. Die genehmigte Zielzahl von 2.540 Vollzeitstellen hält die Polizei angesichts der steigenden Zahl von Einsätzen und Zusatzaufgaben ohnehin für zu niedrig. Doch noch nicht einmal diese Zahl kann in den nächsten beiden Jahren mit den Absolventen der Polizeiausbildung erreicht werden. Um die altersbedingten Abgänge zu ersetzen, sind diese Ausbildungsjahrgänge schlicht zu klein.

Daher jetzt die Rückkehr zu mehr Angestellten. Die gab es schon immer im Polizeidienst. Doch dann kam Pep, das Personalentwicklungsprogramm, dessen Ziel es war, Personal zu reduzieren, erklärt Müller. Der Polizeivollzugsdienst blieb dabei weitgehend außen vor, dafür traf es verstärkt die Angestellten. Deren Anteil wurde kontinuierlich bis auf derzeit acht Prozent heruntergefahren. „Andere Polizeien haben 15 bis 20 Prozent.“

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Wohl nicht ohne Grund. Stellen von Angestellten kann man streichen, nicht aber deren Arbeit. Die musste fortan in von anderen übernommen werden – von Polizeibeamten. „Wir haben Vollzugsbeamte auf Stellen, die überhaupt keinen Vollzugshintergrund haben“, erklärt Müller und merkt an, dass dies vor einigen Jahren auch schon der Rechnungshof gerügt hat.

Abgehakt. Vergangenheit. Jetzt werde das Thema in Bremen eher konstruktiv angegangen, sagt Müller, der eine Angestelltenquote von 15 Prozent anstrebt. Wermutstropfen dabei aus seiner Sicht: Um diese Kräfte zu rekrutieren, sei ein aufwendiges Verfahren vorgeschrieben. Zunächst wer- de innerhalb der Polizei ausgeschrieben – Angestellte, die sich verändern wollen –, dann innerhalb der Stadtverwaltung und erst danach könne man sich auf dem freien Markt umschauen. „Bis wir die ersten Leute haben, ist ein Jahr vergangen“, fürchtet der Polizeipräsident. „Aber das Grundprinzip ist richtig.“

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft (GdP) in Bremen, Jochen Kopelke, sieht das auch so: „Das ist der einzige Weg, um die Personalmisere für die nächsten zwei Jahre zu überbrücken.“ Kritisch sieht Kopelke dagegen die Auslagerung von Aufgaben auf private Dienstleister. Auch hierzu gibt es Überlegungen bei der Polizei. Als Beispiel nennt Lutz Müller den Objektschutz. Den könne man eventuell auch an private Sicherheitsdienste abgeben. „Wenn es nur darum geht, zu beobachten und Auffälligkeiten zu melden.“

Die GdP hat dem zugestimmt. „Aber nur unter sehr hohen Auflagen. Und nur temporär“, betont Kopelke. „Das darf kein Dauerzustand werden.“ Der Objektschutz gehöre zu den Aufgaben der Polizei, sei aber derzeit von ihr nicht leistbar „Nur aus dieser Not heraus akzeptieren wir, dass Teilaufgaben der Polizei für eine bestimmte Zeit ausgegliedert werden.“

„Es gibt keine klare Haltung in puncto Sicherheit"

Wohin das führen könnte, weiß der GdP-Chef genau. „Die Auslagerung der Werkstatt für unseren Fuhrpark ist auch so ein Thema, das immer wieder aufkommt.“ Ob Wartung und Reparaturen der rund 500 Polizeifahrzeuge tatsächlich in den Geschäftszeiten von privaten Vertragswerkstätten zu leisten sind, bezweifelt Kopelke. „Zumal wir ja auch nicht mehr zahlen. Also müssen wir uns wie ganz normale Privatkunden hinten anstellen.“

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Ein anderes Beispiel für Fremdvergabe, das gerne genannt würde, sei der IT-Bereich, etwa, wenn es um das Auslesen von Datenträgern gehe. „Klingt alles sehr technisch. Warum sollen das also nicht externe Experten für uns erledigen?“ Tatsächlich aber handele es sich um einen äußerst sensiblen Bereich der kriminalpolizeilichen Ermittlungsarbeit. „Nehmen wir das Beispiel um Kinderpornografie – da ist doch von Anfang an Fachwissen und hohe Professionalität gefragt.“

Wenn es nur darum ginge, die anstehende Arbeit zu erledigen, könne man doch auch mehr Leute einstellen. „Stattdessen flicken wir die ganze Zeit alles nur noch irgendwie zusammen, das ist unerträglich“, kritisiert Kopelke. „In Bremen fehlt die Ausrichtung, wohin die Polizei überhaupt noch gehen soll.“

Womit der GdP-Chef dann doch wieder nah bei Polizeipräsident Lutz Müller ist. Auf die Frage, was ihn derzeit am meisten störe am Umgang der Politik mit der Polizei, antwortete der im Gespräch mit dem WESER-KURIER: „Es gibt keine klare Haltung in puncto Sicherheit. Wir bekommen keine klaren Rahmenbedingungen für unsere Arbeit.“

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