Abstand halten — beim Arzt oder bei der Bank ist das ganz selbstverständlich. Doch Diskretion im Supermarkt, die gab es bisher nicht. Das könnte sich bald ändern: Zwei Bremer haben eine Schranke entwickelt — für mehr Abstand an der Kasse.
Abstand halten – beim Arzt weist ein Schild darauf hin, bei der Post oder der Bank ist es auch üblich, dass zwischen dem Kunden der dran ist und denjenigen, die noch in der Schlange warten, ein Freiraum ist. Diskretion im Supermarkt – die gab es bisher nicht. Das soll sich ändern: In Bremen-Aumund läuft seit ein paar Monaten in einem Edeka-Markt eine sehr vielversprechende Testphase. Die beiden Erfinder der „Diskretionsschranke“ sind jetzt sogar von einem deutschlandweiten Erfolg überzeugt. Inzwischen liegen die ersten Großbestellungen vor.
Auf den ersten Blick sieht die Schranke aus, als wäre sie mal eben so aus ein paar Baumarktteilen zusammengesetzt worden und fertig. Weit gefehlt. Vielleicht ist die eine oder andere Schraube im Baumarkt oder Fachhandel erhältlich, aber ansonsten steckt in der Schranke monatelange Tüftelei drin. Welches Material hält den Dauerbelastungen stand? Wie schwer darf es sein, damit es sich noch leicht mit dem Einkaufswagen schieben lässt?
Fragen, mit denen sich Hans Geßelmann und Uwe Schröter lange beschäftigt haben. Es folgten intensive Materialtests – erst in der Werkstatt und später unter realen Bedingungen im Supermarkt. Eine Schranke im herkömmlichen Sinne ist die Erfindung der beiden Bremen-Norder nicht: Sie kippt nicht auf der einen Seite nach oben und gibt den Weg frei, sondern der Kunde schiebt sie, mit oder ohne Einkaufswagen, auf – zu schwer darf das Material deshalb nicht sein. „Wir hatten erst einen Mix aus Aluminium-Cobond getestet, das Material war ungeeignet, weil es sich verbog“, so der 52-jährige Schröter, der von Haus aus ein eigenes Konstruktionsbüro hat, das auf Sondermaschinenbau spezialisiert ist. Die Diskretionsschranke habe er nebenbei entwickelt.
Neun Prototypen im Test
Auch die im 3D-Druckverfahren gefertigte Schranke bestand den Praxistest nicht – sie war nicht stabil genug. Insgesamt entwickelten die beiden Tüftler neun Prototypen. Inzwischen haben sie das richtige Material für ihre Schranke gefunden – sie wird im Spritzgussverfahren bei einer Firma in Blumenthal hergestellt.
Der Praxistest sei auch deshalb notwendig gewesen, „weil wir herausfinden wollten, wie die Akzeptanz der Kunden ist“, so der 65-jährige Rentner Geßelmann, der früher als Elektromechaniker gearbeitet hat. „In der ersten Woche musste den Kunden gesagt werden, dass die Kasse trotz Schranke offen ist, in der zweiten Woche war das schon kein Thema mehr, es wurden alle sechs Kassen mit den Schranken ausgestattet.“ Als einmal zwei fehlten, weil sie ersetzt werden mussten, hätten die Kunden gleich nachgefragt, wo denn die Schranken seien.
„Am Anfang hatten wir gedacht, dass es schwierig würde, die Supermärkte zu überzeugen, weil sie durch eine Schranke ja nicht mehr Umsatz machen“, so Schröter. Überzeugend sei letztlich gewesen, dass die Schranke für einen Imagegewinn sorge. Und die Kassierer hätten festgestellt, dass sich dadurch der gesamte Ablauf entschleunige.
Schranke darf nicht zu teuer sein
Und eines sei von vornherein klar gewesen: Die Schranke dürfe nicht schmerzhaft teuer sein, also höchstens im Bereich zwischen 50 und 100 Euro liegen. „Entsprechend musste das Herstellungsverfahren passen, und wir haben auf einen Motor verzichtet.“ Der sei nur teuer und zudem anfällig. Die Schranke bewege sich einfach durch eine Gummiband-Konstruktion zurück in ihre Ausgangsstellung.
Der Anstoß, sich überhaupt mit solch einer Thematik zu befassen, „kam von einer älteren Dame aus meinem Bekanntenkreis“, erinnert sich Geßelmann. „Sie war in einem Supermarkt, an der Kasse war beim Bezahlen Gedränge und da muss jemand ausgespäht haben, dass in ihrem Portemonnaie viel Geld war – es wurde ihr später geklaut.“
Wie erfolgreich die beiden Bremen-Norder am Ende mit ihrer Erfindung sein werden, sei derzeit noch nicht absehbar, sagt Schröter. Grundsätzlich sei nicht der Weg von einer Idee bis zur Umsetzung die Schwierigkeit, sondern wie man das Produkt am Ende als kleiner Betrieb erfolgreich vermarkte, weiß er aus eigener Erfahrung. Klar sei, dass sich das Ganze gerade bei Produkten in unteren Preissegmenten erst lohne, wenn größere Mengen abgesetzt würden.
Mehrere hundert Bestellungen
2013 hatte Schröter – ebenfalls nebenbei – den „Shampion“ entwickelt, eine dreieckige Ablage aus Plastik für die Dusche. Der Clou daran, sagt Schröter, sei die Halterung für zwei Flaschen gewesen: Duschgel und Shampoo können nicht umfallen, weil sie darin schräg liegen.
Schröter habe zwar schon ein paar tausend dieser dreieckigen Halterungen verkauft, aber vornehmlich über den eigenen Onlineshop beziehungsweise einen größeren Internethändler. „Schön wäre es, wenn man mit einem solchen Produkt gleich in einer Baumarktkette vertreten wäre.“ Da ranzukommen, sei aber schwierig.