Der Senat hat am Dienstag das Projekt "Stadtmusikanten- und Literaturhaus" im Kontorhaus am Markt endgültig auf den Weg gebracht. Rund 2800 Quadratmeter in unmittelbarer Markplatznähe sollen hierfür auf 25 Jahre angemietet werden, und zwar von der Volkshochschule (VHS), die im Namen der Stadt die Flächen für die beiden Nutzungszwecke zur Verfügung stellt und managt. Als Starttermin ist das Jahr 2025 angepeilt.
Wie sieht das Konzept aus?
Im "Stadtmusikanten- und Literaturhaus" soll zum einen die geplante Ausstellung rund um das berühmte Grimmsche Märchen platziert werden. Beabsichtigt ist laut Senatsbeschluss eine "facettenreiche Rezeptions-, Verbreitungs- und Popularisierungsgeschichte". Außerdem soll in der Schau dargestellt werden, wie vielfältig das Stadtmusikanten-Thema ist – unter anderem durch Fragen nach Migrations- und Exilerfahrung, demografischem Wandel, Toleranz, Solidarität, mehrsprachiger Freundschaft und Teamfähigkeit. Mit der ergänzenden Literaturhausfläche soll die Bremer Literaturszene erstmals eine attraktive Plattform erhalten, auf der sie sich mit Veranstaltungen in der Innenstadt präsentieren kann.
Was verspricht sich der Senat davon?
Aus Sicht von Bürgermeister und Kultursenator Andreas Bovenschulte (SPD) geht es nicht zuletzt darum, auch touristisch mehr aus den Stadtmusikanten zu machen als bisher. Sie seien neben Werder und Beck's der Begriff schlechthin, den man außerhalb Bremens mit der Stadt verbindet. Doch wer in die City komme, finde außer der relativ kleinen und versteckten Gerhard-Marcks-Plastik bisher nichts zu den Stadtmusikanten. Das solle sich durch das geplante "Erlebnishaus, das auf der Höhe der Zeit ist", ändern. Bovenschulte sieht im "Stadtmusikanten- und Literaturhaus" einen von mehreren Bausteinen für eine sich wandelnde Innenstadt – weg vom reinen Einzelhandelsstandort, hin zu einem vielfältigeren Mix, zu dem unter anderem auch der geplante Uni-Standort im Landesbankgebäude und ein attraktiverer Domshof beitragen sollen.
Welche Kosten entstehen?
Das Kontorhaus gehört seit 2018 dem Unternehmer Christian Jacobs. Für die Umgestaltung der Flächen übernimmt die Stadt Investitionskosten von 13,5 Millionen Euro, rund 3,7 Millionen Euro mehr als zum Zeitpunkt der ersten Planungen im Jahr 2020 angenommen. Vom Bund fließt voraussichtlich ein Zuschuss in Höhe von knapp fünf Millionen Euro. Als laufende Betriebskosten sind rund 900.000 Euro jährlich eingeplant. Die Volkshochschule, die für die Stadt als Hauptmieter auftreten soll, würde zwei Drittel davon durch die Stadt erstattet bekommen, die restlichen 300.000 Euro vom kommerziellen Betreiber des Stadtmusikanten-Teils, der allerdings erst noch gefunden werden muss. Eine entsprechende Ausschreibung ist in Vorbereitung.
Welche Kritik gibt es?
Das Projekt wurde von Anfang an nicht nur von der parlamentarischen Opposition kritisch beäugt. Auch Bovenschultes Koalitionspartner Grüne und Linke hatten Vorbehalte. Zum einen an der Konzeption – hatte der Bürgermeister zunächst an eine reine Stadtmusikanten-Präsentation gedacht, wurde der Literatur-Teil auf ihr Betreiben angedockt. Auch die hohen Gesamtkosten stießen bei Grünen und Linken auf Vorbehalte. Bei den Grünen hat das Kulturressort nach wie vor nicht alle Skeptiker überzeugen können. Nach Informationen des WESER-KURIER gab es in der Fraktionssitzung am Montag erneut Kritik an dem Vorhaben. Die CDU-Opposition ist nicht grundsätzlich gegen das Projekt, bemängelt aber ebenfalls die hohen Kosten. So sieht der Mietvertrag über 25 Jahre Zahlungen in Höhe von rund 23 Millionen Euro vor. 2017 hatte die Stadt das Kontorhaus für rund 17 Millionen Euro an Jacobs verkauft. Die CDU hält außerdem die Einschaltung der Volkshochschule als Hauptmieter für keine gute Idee. Die VHS werde gezwungen, "thematisch und federführend ein komplett neues Feld zu bespielen, in dem sie bisher keinerlei Erfahrung hat", so CDU-Kulturpolitiker Claas Rohmeyer.
Was erhofft sich die Kulturszene?
Aus Sicht von Jens Laloire (Bremer Literaturkontor) erfüllt das Projekt "ein großes Bedürfnis in der Literaturszene". Im Kontorhaus entstehe ein zentraler Ort, an dem unter anderem Lesungen, Workshops, Diskussionen, Poetry Slams und andere Literaturveranstaltungen stattfinden könnten. Eine "Riesenchance" sei das, bekräftige Laloire bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Senatssitzung. Auch Heike Müller, Geschäftsführerin des Virtuellen Literaturhauses, zeigte sich erfreut. Neben dem angestammten Publikum, das auch jetzt schon die unterschiedlichen Festivals und Veranstaltungen besuche, sollten zukünftig "insbesondere Kinder und Jugendliche verstärkt in den Fokus einer lebendigen Vermittlungsarbeit genommen werden", beschrieb Müller ihre Zielsetzung.