Es ist ein Projekt, an dem viele Wünsche kleben. Und etliche dieser Wünsche sind so groß, dass womöglich die Realität dahinter verschwindet. Seit mehr als fünf Jahren plant die rot-grüne Landesregierung in Bremen eine neue Hafenanlage.
Auf dem Offshore-Terminal in Bremerhaven (OTB) sollen Windmühlen vormontiert, gelagert und verschifft werden. Bremer Firmen und der Hafen sollen stärker teilhaben an der Energiewende und den Profiten, die rund um die Nordsee entstehen, davon träumt die SPD. Die Grünen wiederum wollen Windparks auf See und alternative Energie fördern. 180 Millionen Euro hat der hoch verschuldete Stadtstaat für dieses Bauvorhaben reserviert.
Doch während die Politik noch plant, wenden sich immer mehr Ökonomen von diesem Offshore-Terminal ab.
So gibt es seit Kurzem kein einziges privates Unternehmen mehr, das den Spezialhafen betreiben möchte. Doch das ist aber die Prämisse des ambitionierten Projekts: Das Land Bremen baut und finanziert den Hafen auf eigene Rechnung, und eine private Firma betreibt ihn und zahlt Nutzungsentgelte. Europaweit hatte Bremen zuletzt die Nutzung ausgeschrieben. Im Frühjahr hatten drei Unternehmen ihr Interesse signalisiert: der Logistikdienstleiser Rhenus, der Hamburger Mittelständler Buss und die Bremer BLG Logistics Group.
Am 8. Mai ist die Frist zur Abgabe der Offerten verstrichen, das Ergebnis ist mager: Als einziger Bieter ist die BLG übrig geblieben, und die gehört mehrheitlich der Stadt Bremen. Salopp ließe sich sagen, die Stadt bewirbt sich bei sich selbst. Pikant: Im Aufsichtsrat der BLG sitzen Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) und Finanzsenatorin Karoline Linnert (Die Grünen), und die könnten der BLG nur schwerlich raten, keine Offerte abzugeben. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, haben die Politiker bei der jüngsten Hauptversammlung der BLG signalisiert, dass sie sich nicht beteiligen werden, wenn der Senat zur Vergabe entscheidet.

Für 180 Millionen Euro will das verschuldete Land in Bremerhaven einen Spezialhafen für die Offshore-Branche bauen. Experten glauben, dass das weit teurer wird. FOTO· ILLUSTRATION: BIS
Die Probleme mindert das kaum: So erhebt Ex-Bieter Buss harte Vorwürfe gegen die Regierung. Diese wolle dem privaten Betreiber ein „unwägbares und unverhältnismäßiges Risiko“ aufbürden, sagte Buss-Geschäftsführer Heinrich Ahlers der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“. Das Projekt sei wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen. Kurz: Mit dem Terminal lasse sich gar kein Geld verdienen.
Buss steht mit dieser Ansicht nicht allein da: „Der Hafen wird aktuell nicht mehr gebraucht“, sagt Dirk Briese, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Windresearch. Grund: Die Bundesregierung hat im August 2014 die Ziele für den Ausbau der Windenergie eingedampft und den Boom der Meeres-Parks gebremst. Ursprünglich sollten bis 2030 so viele Offshore-Windparks errichtet werden, dass damit 25 Gigawatt Leistung erzeugt werden können. Jetzt ist nur noch eine Leistung von 15 Gigawatt vorgesehen. Das macht viele Parks unnötig: So will das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie keine weiter vom Land entfernten Windparks mehr genehmigen. „Das führt dazu, dass man von 2020 an nur noch zwei Windparks pro Jahr brauchen wird“, sagt Briese. Diese Parks könnten künftig gut von den existierenden Offshore-Häfen in Esbjerg (Dänemark), Eemshaven (Niederlande) und Cuxhaven beliefert werden. Der Offshore-Terminal Bremerhaven sei aber wohl erst in fünf Jahren, also 2020, fertig, sagt Briese. „Bremen ist inzwischen zu spät dran.“
Wann liegt die Analyse vor?
Der Sprecher von Wirtschaftssenator Günthner weist Vorwürfe zum fehlenden Bedarf zurück. „Für einen Planfeststellungsbeschluss muss ein belastbarer Bedarf vorliegen“, sagte er. Diesen Beweis werde das Land liefern. Das genau ist der Knackpunkt: 2012 hatte das Prognos-Institut in einer Analyse den Bedarf ermittelt. Jetzt hätten sich die politischen Rahmenbedingungen verändert und daher lasse die Regierung den Bedarf nochmals von Prognos überprüfen, so der Sprecher. Diese Analyse werde „im Laufe des Juni“ vorliegen. Doch das scheint eine optimistische Annahme zu sein. Eine Nachfrage bei Prognos ergab, dass die Überprüfung länger dauern könnte. Das Gutachten liege „spätestens Ende Juli“ vor, heißt es.
Einer, der den Bedarf ebenfalls hinterfragt, ist der Ökonom Rudolf Hickel. „Der OTB ist ein hoch riskantes Projekt, und das lohnt sich nicht“, sagte er. SPD und Grüne sollten die Koalitionsgespräche nutzen, um das Projekt zu hinterfragen und notfalls abzublasen. Hickel zweifelt daran, dass die Kosten richtig eingeschätzt wurden. Denn die Schätzung der Kosten stammt aus 2010 und sei längst überholt. „Ich gehe davon aus, dass die Kosten bei deutlich über 200 Millionen Euro liegen“, sagte der Ökonom.
Skepsis in der Wirtschaft und hohe Kosten: All das dürfte dem Senat bekannt vorkommen. Vor knapp drei Jahren war die Regierung damit gescheitert, private Investoren für den Bau des Spezialhafens zu gewinnen. Damals schwenkten die Landespolitiker notgedrungen auf das klassische Modell um: Die öffentliche Hand baut den OTB, eine private Umschlagsfirma betreibt ihn. So ist das meistens in Deutschland.
Doch warum hält das Land überhaupt so sehr am Spezialhafen fest? Der Bau solle auch dafür sorgen, dass sich künftig Produktionsfirmen ansiedelten, sagte der Sprecher von Senator Günthner. „Der OTB ist die Voraussetzung dafür, dass mittelfristig mehrere 1000 Stellen zusätzlich in Bremerhaven geschaffen werden.“
Doch wie wenig realistisch solche Wünsche sind, verrät der Blick auf die jüngsten Pleiten in der Offshore-Branche. Seit der Insolvenz von Weserwind ist ein möglicher Hauptnutzer des OTB weggefallen. Nun haben auch noch die Emder Nordseewerke Insolvenz angemeldet. Und neue Betriebe für die Produktion von Windmühlen-Flügeln oder Verankerungen wagen sich schon lange nicht mehr an die Küste.
Sieling: „Bremen braucht den OTB“
Und so lässt sich Carsten Sieling, SPD-Bürgermeister in spe, inzwischen nur noch mit einem „Ja, aber“ zum Spezialhafen zitieren. „Bremen braucht den OTB“, sagte Sieling kurz nach der Nominierung. „Wir müssen aber sorgsam gucken, wie es um die Wirtschaftlichkeit bestellt ist.“