Oldenburger Energiekonzern erwirtschaftet wieder Gewinn EWE will neue Compliance-Regeln

Der Oldenburger Energieversorger EWE, zu dem auch die Bremer SWB gehört, will seine Compliance-Regeln, also die Vorgaben wie ein Unternehmen zu agieren hat, grundsätzlich überarbeiten.
27.04.2017, 11:48 Uhr
Lesedauer: 5 Min
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Von Florian Schwiegershausen

Der Oldenburger Energieversorger EWE, zu dem auch die Bremer SWB gehört, will seine Compliance-Regeln, also die Vorgaben wie ein Unternehmen zu agieren hat, grundsätzlich überarbeiten.

Da liegt sie, die EWE-Konzernzentrale, mitten in einem Wohngebiet von Oldenburg. Auf der großen, grünen Rasenfläche davor spielen zwei Schulklassen, auf dem Teich daneben drehen Enten ihre Runden. Ein Wegweiser an der Straße zeigt in dieser Oldenburger Idylle, wo es zur Bilanzpressekonferenz geht. Da soll es um die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres gehen von einem Unternehmen, das bis in die Türkei Geschäfte macht. Dieser Termin findet eigentlich jedes Jahr im April statt. Routine also. Nicht so in diesem Jahr. Was schon allein an aktuellen Ermittlungen gegen den Ex-Vorstandsvorsitzenden Matthias Brückmann und dessen umstrittene Klitschko-Spende liegt.

Andauernd Fußballvergleiche

Der Raum ist gut gefüllt. Dann starten die beiden verbliebenen Vorstände Michael Heidkamp und Wolfgang Mücher mit der über 90-minütigen EWE-Show. Beide tragen ein professionelles Headset-Mikrofon, wie es auch ein Google- oder ein Apple-Chef bei Präsentationen verwendet. Modern will sich auch der Oldenburger Energieversorger präsentieren. Finanzvorstand Mücher legt los: „Wenn wir uns die letzten Wochen anschauen, war es ein Wechselbad der Gefühle. Es gab herausfordernde Situationen, einige sind schiefgegangen.“ Dann ergänzt er: „Einige Vereine hatten aber auch einen Superlauf. Der Dienstag war echt schwierig und auch gestern ein überraschendes Ergebnis – Sie merken schon, ich rede über Fußball.“ Die Lacher auf Journalistenseite bleiben größtenteils aus. Irgendwie scheint die bemühte Leichtigkeit nicht anzukommen.

Dann erfährt das Auditorium von Marktvorstand Michael Heidkamp, dass er Bayern-Fan ist. Es ist also nicht einfach für ihn am Tag, nachdem die Bayern aus dem DFB-Pokal rausgeflogen sind. So oft, wie Fußballvergleiche an diesem Vormittag bemüht werden, hat sie selbst Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) nicht benutzt, als er Kanzlerkandidat war. Dann wird Mücher konkreter und geht auf den Teil ein, der alle interessiert: „Wir nehmen die Hinweise und Vorwürfe sehr ernst, prüfen umfassend und vorbehaltlos und werden die Missstände auch abstellen.“ Damit meint der die Vorwürfe, die im Februar bekannt geworden waren. Danach sollen mehrere Mitarbeiter Gegenleistungen für Aufträge an fremde Unternehmen gefordert und erhalten haben. Neben der Konzernrevision und einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück. Jüngst ließ sie Räumlichkeiten einer EWE-Niederlassung in Cuxhaven durchsuchen. Mücher zufolge gibt es derzeit aber keine Hinweise, dass es ein strukturelles Problem gibt.

Der Vorstand verkündet aber, dass der EWE-Aufsichtsrat die ehemaligen Vorstände Matthias Brückmann und Nikolaus Behr nicht entlastet hat – anders als Michael Heidkamp. Er ist der Vorstand, der die Zweit-Unterschrift geleistet hatte, die Ex-Vorstand Brückmann benötigte, um die Klitschko-Spende in Höhe von 253 000 Euro freizugeben. Fragen dazu weicht der Vertriebsvorstand aus: „Bitte haben Sie Verständnis, dass ich zu laufenden Verfahren keine Auskunft gebe.“

Er ist es allerdings auch, der die neuen Compliance-Regeln, also den Firmenkodex, wie sich die Mitarbeiter des Energieversorgers verhalten sollen, vorstellt: „Es ist selbstverständlich, dass wir uns an die Grundsätze der guten Unternehmensführung im Sinne des Corporate-Governance-Index halten.“ Den hat sich die deutsche Wirtschaft selbst auferlegt in Zeiten, als Gerhard Schröder (SPD) Bundeskanzler war. Ein veränderter Firmenkodex ist seit 2016 in Kraft – ob das bereits zu Zeiten der Klitschko-Spende oder kurz danach gewesen ist, damit wird sich demnächst wohl das Arbeitsgericht befassen, weil Ex-Vorstand Brückmann Klage erheben will. Heidkamps Kommentar: „Flapsig könnte ich sagen, dass gerade wegen der neuen Compliance-Regeln all diese Dinge hochkommen.“

Fakt ist: EWE hat nach eigenen Angaben inzwischen einen hauptamtlichen Mitarbeiter für Verhaltensregeln berufen, außerdem gibt es einen externen Ansprechpartner, einen sogenannten Ombudsmann. „An der einen oder anderen Stelle gibt es aber Verbesserungspotenzial“, sagt Heidkamp. Dazu hat sich das Unternehmen von einer Kanzlei beraten lassen, die darauf spezialisiert ist. In den anderen Gesellschaften der EWE gibt es ebenfalls einen Mitarbeiter, der mit der Überwachung des Firmenkodexes beauftragt ist. Dafür sollen zusätzlich Mitarbeiter eingestellt werden. Außerdem will das Unternehmen darauf hinwirken, dass Mitarbeiter von sich aus und künftig schneller auf Missstände hinweisen. Keiner solle das als Nestbeschmutzung verstehen, ergänzt Heidkamp. Damit das Ganze in den Köpfen ankommt, werden alle EWE-Mitarbeiter zur Schulung geschickt. Abteilungsleiter sollen in Zukunft einmal pro Jahr schriftlich bestätigen, dass die Compliance-Regeln in ihrer Abteilung eingehalten werden.

Dem Ostwestfalen Heidkamp rutscht noch der Satz raus: „Das ist mir auch noch nie passiert, dass ich mit eineinhalb Jahren Betriebszugehörigkeit bereits als Altvorstand gelte.“ Angesichts der Entwicklungen der vergangenen Monate zeigt sich der Vorstand mit dem Geschäftsjahr zufrieden. EWE ­erwirtschaftete 2016 einen Gewinn von knapp 333 Millionen Euro – nach einem Minus von rund 9,4 Millionen Euro im Vorjahr. Das ­Engagement in der Türkei und Polen läuft in etwa auf gleich gutem Niveau weiter.

Der weitere Fahrplan: Im Mai wählt der EWE-Aufsichtsrat einen neuen Vorsitzenden, für Juni wird der Abschluss-Prüfbericht erwartet. Erst danach werde es auf die Suche nach neuen Vorstandsmitgliedern gehen. Bei der Strategie 2026 zeigt Heidkamp den Ausblick: Ziel könne eine Flatrate für Strom und Gas sein. EWE will außerdem die Kommunikation zwischen Haus und E-Auto vernetzen – alles aus einer Hand per App. Das benötigt nach Angaben des Vorstands schnelle Datenleitungen. Deshalb will die EWE 1,2 Milliarden Euro in Glasfasernetze investieren. Statt einer Strategie 2026 hätte den Journalisten an diesem Tag aber eine Strategie für 2017 gereicht.

SWB-Aufsichtsrat gibt Investitionen frei Der SWB-Aufsichtsrat hat in seiner Sitzung am Mittwoch Investitionen in Höhe von mehr als zwölf Millionen Euro genehmigt. Am Kraftwerksstandort Hastedt wird ein Hybridspeicher mit 230 Megawatt Wärme und 15 Megawatt Strom entstehen. Er arbeitet nach einem neuartigen erweiterten Konzept: Weil er die beiden Sektoren Strom und Wärme koppelt, ist er in der Lage, seine überschüssige Stromproduktion in Form von Wärme für die Fernwärmeversorgung bereitzustellen. Wird die Wärme nicht benötigt, kann sie gespeichert werden. In der Vahr in der Emil-Sommer-Straße wird außerdem mit einem Investitionsvolumen von 2,6 Millionen Euro eine neue Ausbildungswerkstatt entstehen. Und die SWB beteiligt sich an einem Start-up, das intelligente Kontrollsysteme für öffentliche und industrielle Beleuchtungssysteme produziert und vertreibt.

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