Bremen. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) glaubt eine neue Antwort auf eine alte Frage gefunden zu haben: Welche Route sollen Maschinen nehmen, damit Bremer Stadtteile möglichst wenig Lärm abbekommen? Das Ergebnis überrascht, vor allem die Fluglärmkommission (FLK). Ihre empfohlene Wegstrecke samt Drehpunkt, von dem aus die Flieger die Kurve ins Wesertal kriegen sollen, ist demnach nicht die günstigste. Dabei hatte das Gremium lange auf Grundlage von teuren Gutachten beraten.
Die Flugsicherung fegt jetzt nicht nur vom Tisch, wofür sich die FLK ausgesprochen hat. Sie dreht auch die Zeit zurück: Der Drehpunkt, von dem aus die Piloten nach dem Start nach Süden abdriften, soll wieder dorthin, wo er schon einmal war - vor sieben Jahren. Die DFS hat die neuralgische Stelle am Himmel weiter nach Westen verlegt, in eine Richtung, wohin sie nach Ansicht der FLK auf keinen Fall sollte. Sie hatte sich noch im November dafür ausgesprochen, dass der Anfangspunkt für die Flugkurve unverändert bleibt.
Neuer Drehpunkt
Dass es jetzt anders kommt, hat laut Uwe Hummert einen simplen Grund: 'Wir hoffen, dass mit dem neuen Drehpunkt der Lärm in Hemelingen weniger und in Obervieland zumindest nicht mehr wird', sagt der Mann von der Flugsicherung. Nach der momentanen Route bekommen Obervielander weniger, Hemelinger mehr Krach von oben ab - mit der Folge, dass es zum Knatsch zwischen den Stadtteilen gekommen ist. Doch nicht nur am Drehpunkt hat die DFS gedreht, sondern auch am Flugverlauf. 'Die Piloten werden weniger Spielraum haben als bisher', sagt Hummert. Mehr Wegepunkte sollen die Maschinen besser in der Spur halten, wie er es nennt.
Nach den neuen Routenplänen sollen die Flugzeuge mehr Abstand zu Hemelingen halten und fast auf gleichem Kurs wie bisher an Obervieland vorbeifliegen. 'Wir haben dabei Passagen gesucht, bei denen die Zahl der Wohnhäuser möglichst gering ausfällt.' Auch Weyhe soll durch die veränderte Streckenführung weniger Turbinenkrach abbekommen. Der Luftverkehr wird nach Hummerts Worten um Weyhe künftig einen großen Bogen machen.
Für die Fluglärmkommission kommt die Entscheidung der Flugsicherung aus doppeltem Grund unerwartet. Zum einen sitzt die DFS mit am Tisch, wenn die FLK tagt. Zum anderen habe sie nie Laut gegeben, dass es auch anders geht, moniert Kommissionsvorsitzender Ingo Funck. 'Schließlich beraten wir nicht erst seit gestern.' Auch sollen Gutachten für rund 30000 Euro in Auftrag gegeben worden sein. Warum die Flugsicherung erst jetzt mit ihrer Sicht der Dinge aufwartet, begründet Hummert mit neuen Berechnungen, die bisher noch nicht vorgelegen hätten. Für die Katz sei das Forum der Fluglärmkommission deshalb aber nicht, wie er sagt. Im Gegenteil: 'Die Idee zu den neuen Flugrouten ist uns im Rahmen der Diskussionen gekommen.'
Während sich die FLK überrascht gibt, sehen sich zahlreiche Bürgerinitiativen bestätigt. Die Vereinigung zum Schutz Flugverkehrgeschädigter (VSF) freut sich nicht nur, dass die Maschinen endlich so fliegen, wie sie es immer befürwortet hat. Sie schilt auch die Kommission, lange Zeit entgegen den Interessen der lärmgeplagten Bremer entschieden zu haben: 'Die Bürger mussten jahrelang Krach hinnehmen, obwohl es auch leiser gegangen wäre', wettert Vorsitzende Monika Morschel. Die Hemelinger Bürgerinitiative Lückenloser Lärmschutz (BILL) geht noch einen Schritt weiter. Sie erinnert an die Petitionen, die Bürger eingebracht hatten, ohne Gehör beim Senat zu finden. Die Grünen fordern gar, dass die Lärmschutzkommission transparenter werden muss. Sie werten die bisherige Empfehlungen als klare Fehlentscheidungen.
Wann die neuen Routen gelten, kann DFS-Mann Hummert nur schätzen. Er rechnet damit, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung schnell zustimmt und ab Herbst die Maschinen über Bremen anders kreisen werden als bisher.
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