Der Chef der Gewerkschaft IG Metall, Jörg Hofmann, kritisiert den Autokonzern Daimler wegen der Auslagerung von Logistikjobs in seinem Bremer Mercedes-Werk. Indem der Stuttgarter Hersteller per Werkvertrag Tätigkeiten an die Dienstleistungsfirma Rhenus vergeben habe, höhle er die Tarifbindung aus und lasse Beschäftigte für unangemessen niedrige Löhne arbeiten, sagte Hofmann im Interview mit dem WESER-KURIER.
„Betriebe lagern zunehmend Aufgaben in tariflose Betriebe aus, die zum normalen Kerngeschäft der Unternehmen gehören, und agieren dann mit Dumpinglöhnen“, sagte Hofmann. „Nach Tarif erhält ein Beschäftiger in der Metall- und Elektroindustrie im Schnitt ungefähr 15 Euro. Wenn er Pech hat und bei einem nicht tarifgebundenen Logistiker wie Rhenus landet, der auch für das Bremer Daimler-Werk tätig ist, kann er beim gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro liegen.“
Nach Darstellung der Gewerkschaft verdienen zahlreiche bei Daimler tätige Zeitarbeiter nur knapp über dem Mindestlohn. Dies ermögliche ein kompliziertes Konstrukt von Unterfirmen: Die per Werkvertrag engagierte Rhenus-Gesellschaft lasse Arbeit von wiederum untergeordneten Zeitarbeitsfirmen erledigen. So entstehe eine schwer durchschaubare Schachtelkonstruktion mit dem Ziel, Löhne zu drücken.
Laut IG-Metall-Chef Hofmann würde ein direkt von einem Betrieb der Metall- und beschäftigter Leiharbeiter „wenigstens nach neun Monaten 13,80 Euro verdienen“. Dies liegt daran, dass für Zeitarbeiter hier Branchenzuschläge vereinbart sind, die nach einer bestimmten Beschäftigungsdauer greifen. Für bei Rhenus tätige Zeitarbeiter gilt dies nicht: Für sie gilt der niedrigere Tarif für Zeitarbeitsfirmen. „Sobald es günstiger geht, kennen die Arbeitgeber keine Hemmungen und lagern Funktionen in Werkverträge aus“, sagte Hofmann.
Daimler produziert in seinem Bremer Mercedes-Werk unter anderem Autos der C-Klasse. Mit knapp 13.000 Beschäftigen gehört es zu den größten Daimler-Standorten weltweit und ist zugleich der größte Arbeitgeber der Region. Derzeit herrscht in dem Werk Hochkonjunktur: Weil die C-Klasse unter anderem in China so beliebt ist, war der Absatz dieses Modells im vergangenen Jahr um 40 Prozent gestiegen. Insgesamt 440.000 Fahrzeuge verkaufte Daimler – die meisten davon sind in Bremen gebaut worden. Der Konzern hatte für das Werk daher zuletzt mehrere Hundert Zeitarbeiter neu einstellen müssen.
Das im nordrhein-westfälischen Holzwickede ansässige Logistikunternehmen Rhenus ist auch in anderen Daimler-Werken für den Autohersteller tätig. Es transportiert zum Beispiel Fertigungsteile von Zuliefererbetrieben zu den Produktionsstandorten. Für Rhenus-Mitarbeiter im Stuttgarter Werk von Daimler hatte die IG Metall erst kürzlich einen Tarifvertrag vereinbart. Das will die Gewerkschaft nun auch in Bremen erreichen. Derzeit bekomme ein Beschäftiger bei Rhenus rund 400 Euro mehr im Monat, wenn er in Baden-Württemberg für den Autokonzern im Einsatz sei, hieß es bei der IG Metall.
Neue Tarifrunde in Metall- und Elektroindustrie ab März
Daimler wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass Werkverträge und Zeitarbeit „unverzichtbare Instrumente für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ seien. „Die Frage, welche Aufträge fremd vergeben werden und was selbst hergestellt wird, ist eine ureigene unternehmerische Entscheidung.“ Es gebe im Konzern soziale Grundsätze für Werk- und Dienstvertragsfirmen, die Aufträge erhalten wollen. Diese müssten mindestens die Einstiegsvergütung des jeweiligen regionalen Branchentarifvertrags zahlen. Rhenus wollte sich nicht äußern.
In der Metall- und Elektroindustrie steht ab März die neue Tarifrunde an. Dann werden die Tarifgehälter für 3,7 Millionen Beschäftigte neu bestimmt. Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger hat die Gewerkschaften bereits im Vorfeld der Verhandlungen dazu aufgefordert, ihre Erwartungen zu bremsen. IG-Metall-Chef Hofmann hält dagegen spürbare Lohnzuwächse für gerechtfertigt. „2016 wird trotz einer guten Lohnentwicklung weiter ein Erfolgsjahr sein für die Betriebe der Metall- und Elektroindustrie“, sagte er dem WESER-KURIER. Marschrichtung seiner Gewerkschaft sei auch in diesem Jahr „eine Lohnpolitik, die weiter auf eine Steigerung der Realeinkommen setzt“. In der vorherigen Tarifrunde hatte die mächtigste deutsche Gewerkschaft ein Lohnplus von 3,4 Prozent durchgesetzt.