Bremen·Bremerhaven. Alle reden vom demografischen Wandel? Von den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft? Mitnichten. Zumindest reden nicht alle gleich viel darüber, und manche reden nicht mit. Zum Beispiel gab es keinen Bremer Vertreter in den neun Arbeitsgruppen des zweiten Demografiegipfels der Bundesregierung, die am Dienstag in Berlin ihre Ergebnisse vorstellten. Niedersachsen und Hamburg hingegen hatten mehrere Vertreter in die Gruppen geschickt.
Stadt und Land Bremen haben auch keine zentrale Stelle für den demografischen Wandel. Andere Städte wie Bielefeld etwa haben einen Demografie-Beauftragten, so auch das Bremerhavener Regionalforum. Und in der niedersächsischen Staatskanzlei ist ein Referat unter anderem mit Demografie betraut. Warum also macht Bremen es anders?
Senat sieht keinen Bedarf
Senatssprecher Hermann Kleen erklärt, der Senat sehe nicht die Notwendigkeit einer zentralen Zuständigkeit. Denn die Bremer Bevölkerung schrumpfe nicht – vielmehr ergäben sich neue Herausforderungen durch ältere Menschen, die zur Rente aus dem Umland nach Bremen zurückkehrten, so Kleen. Und dem demografischen Wandel stellten sich alle Senatsressorts, indem sie etwa die kleinteiligen Erkenntnisse des „Stadtteilmonitorings“ nutzten.
Auch die Bremer Verwaltung beschäftigt sich auf ihre Weise mit dem Älterwerden. „Die Altersstruktur sieht so aus, dass bis 2020 etwa 30 Prozent unserer Mitarbeiter ausscheiden“, sagt Dagmar Bleiker, Sprecherin des zuständigen Finanzressorts. Das Ressort führt deshalb mit der Jacobs-Universität ein Forschungsprojekt zum „intergenerationellen Wissenstransfer“ durch. „Unsere Mitarbeiter sollen nicht gehen und ihr Wissen mitnehmen, sondern es weitergeben“, so Bleiker. Für die Verwaltung sei es interessant, welche Faktoren Wissenstransfer begünstigten.
Federführend bei dem Projekt, das vom Bundesbildungsministerium und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, ist Sven Voelpel. Der Wirtschaftswissenschaftler der Jacobs-Uni hat auch das bundesweite „WISE Demografie Netzwerk“ initiiert. Mitglieder sind etwa Daimler, EADS und Werder Bremen. „Zwei Mal im Jahr treffen wir uns, um Forschungsergebnisse und bewährte Praktiken auszutauschen“, erklärt Voelpel. Konkret gehe es etwa darum, wie jüngere Führungskräfte von einer zunehmend älter werdenden Belegschaft anerkannt werden. „Anerkennung bekommen Chefs nicht dadurch, dass sie sozial oder nett sind“, erklärt Voelpel. „Vielmehr müssen sie ihren Mitarbeitern helfen, Probleme zu lösen.“
Bremerhaven ist im Gegensatz zu Bremen lange geschrumpft – doch auch die zweite Stadt im Bundesland freut sich jetzt über eine gestiegene Einwohnerzahl. Erstmals seit 20 Jahren schrumpfe die Bevölkerung nicht mehr, sagte Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) gestern bei der Vorlage des Bremerhavener Demografieberichts 2013. „Das sind hervorragende Nachrichten für unsere Stadt“, freute er sich über die Erhebung des Bremer Forschungsinstituts Forum. Die Zahlen belegen nicht nur, dass Bremerhaven rund 115 000 Einwohner hat, sondern auch, dass sich die Stadt im Vergleich mit Städten wie Rostock oder Saarbrücken deutlich verbessert hat.
„Die Anstrengungen der vergangenen Jahre haben sich gelohnt und sowohl die privaten als auch die öffentlichen Investitionen tragen spürbar ihre Früchte“, sagte Grantz. Dazu zählt er nicht nur das neu gestaltete Viertel Havenwelten, das die Attraktivität der Stadt bei den Bewohnern erhöht habe, sondern auch die Offshore-Industrie und deren wissenschaftlichen Anhang, die Arbeitsplätze für jüngere Menschen schaffen würden. Deshalb fällt Grantz‘ Fazit positiv aus: „Bremerhaven hat sich von einem der Sorgenkinder an der Nordseeküste zum viel beachteten Beispiel für den erfolgreichen Strukturwandel entwickelt.“
Eine Stadt erfindet sich neu
Auch das Forschungsinstitut Forum zeigte sich angetan: Bremerhaven habe sich praktisch seit der Jahrtausendwende „neu erfunden“, heißt es in dem Bericht. „Durch das Verfolgen gleich mehrerer Strategien konnte die Seestadt ihr Profil sowohl in der inneren als auch in der äußeren Wahrnehmung deutlich stärken“, sagte Klaus-Martin Hesse vom Forum.
Allein: Probleme hat die Stadt weiterhin, so das Büro. So werde die Zahl der Geburten auch perspektivisch wahrscheinlich sinken und müsse durch Zuzüge kompensiert werden. Dafür müsse die Stadt geeignete Mittel wählen. Hesse forderte, die Stadt solle sich nicht nur um Familien kümmern, sondern auch Angebote für ältere Menschen über 65 Jahre schaffen. „Sie sind ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor“, sagte er. Notwendig seien die Stärkung des Versorgungsangebotes in den Stadtteilen, des altersgerechten Wohnens sowie die Modernisierung von Wohnungen.
Oberbürgermeister Grantz sieht eine der wichtigsten Aufgaben darin, im Wettbewerb mit anderen Standorten „weiter kreativ und innovativ zu sein. Dadurch wird es uns gelingen, sowohl junge als auch ältere Menschen nach Bremerhaven zu holen.“ So könne eine interessante und vielfältige Stadtgemeinschaft gestaltet werden, erklärte Grantz.