Bremen. In Flugzeugen ist er längst Pflicht – in Autos könnte er bald auch vorgeschrieben sein: Ein Unfalldatenspeicher, auch „Blackbox" genannt. Der ADAC sieht die verpflichtende Einführung kritisch.
Ein Mann aus Aachen hat mit einer Online-Petition dafür gesorgt, dass alle im Bundestag vertretenen Parteien und Bundesregierung mittlerweile befürworten, dass die digitalen Datenspeicher serienmäßig in alle Fahrzeuge eingebaut werden sollen. Die deutschen Politiker haben diese Frage nun nach Brüssel weitergeleitet, da die EU für das Thema zuständig ist.
Eine Blackbox fürs Auto zeichnet Daten wie Geschwindigkeit, Bremsvorgänge und das Aufleuchten von Blinkern auf, und soll Auskunft darüber geben, was in den Sekunden vor, während und nach einem Unfall passiert ist. „Wir müssen über Kosten und Datenschutz noch sprechen, aber generell halte ich diesen Weg für sehr sinnvoll“ sagt der Verkehrssicherheitsexperte der Union, Gero Storjohann (CDU). Alle Parteien und die Bundesregierung hätten befürwortet, die verpflichtende Einführung einer Blackbox weiterzuverfolgen. „Nun liegt es an der EU-Kommission, wie es weitergeht“, sagt Storjohann.
Der ADAC sieht den Vorstoß kritisch: „Aus unserer Sicht ist es nicht sinnvoll, die Blackbox verpflichtend einzuführen“, sagt der Technische Leiter des ADAC Weser-Ems, Nils Kaemena. Die Interessenvertretung für Autofahrer beschäftigt sich bereits seit 1994 mit dem Thema, mit einem klaren Fazit: In manchen Bereichen wie bei Fahrzeugen der Polizei und Feuerwehr macht das Gerät Sinn. „Zwang für Jedermann ist jedoch der falsche Weg“, so Kaemena.
Der erste Kritikpunkt bezieht sich auf den Nutzen der „stummen Zeugen“ an Bord eines jeden Fahrzeugs. „Die Datenbox schreibt nicht alles auf, was für den Unfallhergang von Bedeutung ist“, erklärt der ADAC-Experte. So sei die Geschwindigkeit die einzige Größe, die bedingungslos für die Rekonstruktion eines Unfalls hilfreich sei. „Doch viele andere Fakten, beispielsweise ob ein Vorfahrtsschild missachtet wurde oder der Fahrer zu weit links oder rechts auf der Straße gefahren ist, werden nicht erfasst.“ Selbst Bremsvorgänge und der Einsatz von Licht und Blinkern würden, ohne die Begleitumstände zu berücksichtigen, teilweise aus dem Zusammenhang gerissen.
Daher seien Ermittler meistens weiterhin auf Zeugenaussagen und klassische Unfallspuren angewiesen, um zweifelsfrei die Unfallursachen aufzuklären. „Eine Blackbox hilft nur in manchen Fällen weiter, das rechtfertigt aber nicht zwingend den Einbau bei allen Fahrzeugen“, sagt Kaemena. Statistisch gesehen wird ein Autofahrer nur alle 25 Jahre in einen Unfall verwickelt, bei dem ohne Unfalldatenspeicher die Schuldfrage vielleicht ungeklärt bliebe, hat der ADAC errechnet.
Bedenken wegen Datenschutz
Besonders datenschutzrechtliche Bedenken spielen bei der kritischen Haltung eine Rolle. „Man darf nicht verschweigen, dass es ein Datenerfassungsgerät ist“, sagt der ADAC-Vertreter. In einer Studie des ADAC aus dem Jahr 2005 werfen hauseigene Juristen das Problem auf, dass Fahrer sich mit der Herausgabe der Blackbox der Polizei selbst „ans Messer liefern“ müssten. Nach aktueller Rechtsprechung muss sich jedoch niemand selbst belasten. Die Befürchtung: Das Recht auf Aussageverweigerung, das in diesen Fällen greift, könnte durch die Blackbox unterlaufen werden, der „gläserne Autofahrer“ sei die Folge. „Darüber hinaus befürworten wir keine großangelegte Überwachung des Privatverkehrs“, so Kaemena.
Storjohann vetritt hingegen die Meinung, dass die Verkehrssicherheit Vorfahrt hat: „Da bleibe ich hart: Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen sich an Regeln halten und für Übertretungen bestraft werden.“
Darüber hinaus kritisiert der ADAC die hohen Kosten. „Wir gehen derzeit von etwa 1.000 Euro pro Gerät aus, diesen Betrag würden die Hersteller mit Sicherheit auf die Käufer abwälzen“, sagt Kaemena. Storjohann hofft indes, „dass wir die Kosten langfristig durch Massenproduktion auf 200 Euro absenken können.“
Der Verkehrsexperte der CDU erhofft sich auch einen erzieherischen Effekt durch die Blackbox: „Große Mietwagenfirmen haben die Geräte bereits eingebaut und Befragungen zeigen, dass die Fahrer vorsichtiger und benzinsparender fahren.“ Diesen Effekt schätzt Kaemena deutlich geringer ein. „Es ist wahrscheinlich, dass die Autofahrer sich nach ein paar Wochen an die permanente Überwachung gewöhnen und danach wieder genauso fahren wie vorher.“