Das Unternehmen Kellogg schließt sein Werk in der Bremer Überseestadt. Dabei kommt dieses Entscheidung nicht überraschend; in der Vergangenheit hat es bereits deutliche Alarmsignale gegeben.
Der Schock sitzt am Tag danach noch tief. Am Montag hat das Unternehmen Kellogg bekannt gegeben, sein Werk in der Überseestadt zu schließen. Neben Worten des Bedauerns ist vor allem eines zu hören: Kritik an einer gemeinsamen Erklärung des Bürgermeisters Carsten Sieling (SPD) und des Wirtschaftssenators Martin Günthner (SPD). Darin schreiben diese, es habe im Vorfeld keine Hinweise auf eine Schließung der Fabrik in Bremen gegeben und somit auch keine Gespräche über Alternativen.
Jörg Kastendiek, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft, hält diese Aussage für „eine unglaubwürdige Ausflucht“. Der Weggang des Vertriebs und Marketings des Konzerns vor zwei Jahren habe gezeigt, dass Kellogg in Schwierigkeiten stecke und seine Standorte prüfe: „Das war ein eindeutiges Alarmsignal.“ Die Entscheidung sei deshalb keineswegs vom Himmel gefallen.
„Bürgermeister und Senator sollten sich fragen, warum sie davon nicht vorher Wind bekommen haben.“ Offenbar sei die Nähe des Wirtschaftssenators zu den Unternehmen nicht groß genug. Die Pflege der Beziehungen sei jedoch wichtig, um sie am Standort zu halten.
Industriestandort ohne strategische Orientierung
HAG, Beck´s oder Coca Cola – in den vergangenen Monaten hätten sich viele Unternehmen gegen Bremen entschieden. Nun müssten die Verantwortlichen sich mit den Gründen dafür auseinandersetzen. Der Industriestandort und die Lebensmittelbranche bräuchten dringend Impulse und eine Strategie – die fehlten auch im Bremer Masterplan.
Diese Meinung teilt Klaus-Rainer Rupp, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken. Offenbar liege der Fokus des Wirtschaftsressorts nicht auf der Lebensmittelbranche, der zweitgrößten in Bremen nach der Automobilindustrie. Im Masterplan tauche sie dort kaum auf, wo es um konkrete Handlungsfelder gehe. „Es gibt keine strategische Orientierung.“ Die Erklärung Günthners kritisiert er ebenfalls als lapidar. „Die Indizien hätten den Wirtschaftssenator hellhörig machen müssen.“ Dass das nicht passiert sei, sei „fatal“.
Im Fall Kellogg gehe es zudem nicht nur um mehr als 200 Arbeitsplätze, sagt CDU-Sprecher Kastendiek, sondern auch um die Symbolik. „Das Bild von Bremen als Markenhauptstadt lässt sich mit Blick auf die Abgänge in den vergangenen Monaten so nicht aufrechterhalten.“ Gegen den Ausverkauf der Unternehmen müssten nun dringend Maßnahmen ergriffen werden.
Wirtschaftsressort wehrt sich gegen Kritik
„Dass der Senat vom Abzug von Kellogg überrascht ist, zeigt, wie oberflächlich seine Standort- und Industriepolitik ist“, äußert sich Lencke Steiner, Vorsitzende der Bremer FDP-Fraktion. Bremen bleibe mit der Wirtschaftspolitik von Rot-Grün weiter unter seinen Möglichkeiten.
Das Wirtschaftsressort wehrt sich vehement gegen die Kritik. „Der Vorwurf, der Wirtschaftssenator habe sich nicht ausreichend um Kellogg gekümmert, ist aus der Luft gegriffen und zeugt von einer gehörigen Portion Unkenntnis“, sagt Holger Bruns, Sprecher der Behörde. Gerade im vergangenen Jahr habe es intensiven Kontakt mit der Unternehmensleitung gegeben, um die Umstellung der Produktion auf eine Sieben-Tage-Woche zu erreichen.
„Erst im Januar hat sich der Standortleiter anlässlich eines Besuchs des Wirtschaftsstaatsrates bei Kellogg ausdrücklich für das Engagement des Wirtschaftssenators in dieser Angelegenheit bedankt und im Weiteren die Standortqualitäten des Bremer Werks hervorgehoben.“
Zu wenig Investitionen in Infrastruktur
Auf dessen „Problemlage“ habe es trotz dieses engen Kontakts keine Hinweise gegeben. Die Konzernzentrale habe die Möglichkeit zu einem Dialog mit der Politik bisher nicht genutzt, heißt es in der Erklärung weiter.
Von einer Überraschung spricht auch Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen. Dennoch habe es deutliche Signale gegen den Standort gegeben: den Abzug des Managements nach Hamburg sowie die Auslagerung von Teilen der Produktion. Vor allem habe es in den vergangenen Jahren keine gravierenden Investitionen in das Werk mehr gegeben. „Das ist eine Aussage des Konzerns.“
Ob Günthner oder Sieling versäumt hätten, an dieser Stelle einzugreifen, das sei die falsche Frage, so Fonger. Entscheidend seien für Konzerne nicht der Besuch eines Politikers, sondern harte Fakten. Hier liege das Problem: Seit Jahren gebe es weniger Investitionen in die Infrastruktur, die Gewerbesteuer sei erhöht worden und bei der Erteilung von Genehmigungen sei Bremen nicht gut aufgestellt. „Das hat natürlich Folgen.“ Er könne nicht beurteilen, welche Gründe für Kellogg nun entscheidend waren, die Handelskammer kommentiere zudem Entscheidungen eines Konzerns nicht. Aber was er auch sagt: „Der Industriestandort muss attraktiver werden.“
Alternative Nutzung des Grundstückts denkbar
Was mit dem Grundstück passieren wird, wenn die Produktion 2018 endgültig stillsteht, ist derzeit noch unklar. „Das Grundstück ist natürlich Toplage. Da fällt einem ganz viel ein“, sagt Joachim Linnemann, geschäftsführender Gesellschafter des Immobilienunternehmens Justus Grosse.
Aufgrund der Lage am Fluss, der Nähe zur Innenstadt und der guten Anbindung durch die Straßenbahn seien besonders Wohn- und Bürogebäude denkbar. Ein solch großes Grundstück lasse sich nur gemeinsam stadtplanerisch entwickeln – also vermutlich durch einen Investor und die Stadt. „Das wird sich Bremen nicht aus der Hand nehmen lassen.“ Die Schließung der Fabrik bedauere er jedoch.
„Sie ist wesentlicher Bestandteil der Überseestadt und steht für die Mischung aus Wohn-, Büro- und Industriebauten dort.“ Dass nach dem Abriss der Anlagen ein Neubau den Standort aufwerten könne, sieht er kritisch. „Die Überseestadt hat einen anderen Charakter als die Hamburger Hafencity. Wir haben hier noch ein paar der alten Gebäude mit Fabrikatmosphäre.“
Wirtschaftsförderung optimistisch
Kellogg habe sehr gut zur gemischten Nutzung der Überseestadt aus Gewerbe, Wohnungen und Büros gepasst, sagt auch eine Sprecherin der Wirtschaftsförderung Bremen. Die bisherige Entwicklung der Überseestadt habe aber gezeigt, dass der Standort dynamisch sei und dass es eine hohe Nachfrage nach freien Flächen für unterschiedliche Nutzungen gebe.
Nun wolle man abwarten, bis das Unternehmen für Gespräche über die Zukunft des Geländes bereit sei. „Wir stehen als Gesprächspartner zur Verfügung, haben aber großes Verständnis dafür, dass es jetzt noch zu früh für derartige Überlegungen ist.“