Herr Kaulvers, wer die Zahlen der Bremer Landesbank sieht, dürfte im ersten Moment überrascht sein: Es gibt nur wenige relevante Positionen, bei denen Sie im vergangenen Jahr mit einem satten Plus abschließen konnten. Das legt die Vermutung nahe, Sie hätten schlecht gewirtschaftet…
Stephan-Andreas Kaulvers: Wir haben ein Plus im Zinsüberschuss – und das in einem Niedrigzinsumfeld. Das ist insgesamt eine gute Leistung. Und wir haben unsere Kosten gesenkt. Das Handelsergebnis hat sich deshalb verschlechtert, weil wir 2013 noch große Wertaufholungen hatten, die es dieses Mal nicht gab. Rechnet man diese Sondereffekte heraus, bewegen wir uns auf Vorjahresniveau.
Das Vorsteuerergebnis liegt mit 43 Millionen Euro knapp 37 Prozent unter dem Ergebnis von 68 Millionen Euro in 2013. Können Sie da – so wie im Vorjahr – noch von einem „ordentlichen Ergebnis“ sprechen?
Insgesamt bin ich mit dem Ergebnis zufrieden, auch wenn es vom Niveau natürlich nicht das ist, was wir uns vornehmen. 2014 liegt das an der Risikovorsorge, die wir mit einem Management Adjustment von 40 Millionen Euro versehen haben. Wir streben eine Eigenkapitalrentabilität von zehn bis fünfzehn Prozent an – und die können und werden wir auch erreichen. Aber erst, wenn die Schifffahrtskrise überwunden ist.
Die Schifffahrtskrise ist größtenteils mitverantwortlich an Ihrem Ergebnis, Sie mussten Ihre Risikovorsorge erneut aufstocken: 2012 haben Sie 228 Millionen Euro aufgewendet, 2013 waren es schon 263 Millionen Euro und im vergangenen Jahr sind Sie bei 271 Millionen Euro gelandet. Wie ist es zu diesem neuen Negativrekord gekommen?
Die Europäische Zentralbank hat in ihrem Stresstest 18-prozentige Abschläge von den Schiffswerten genommen. Man hat sich gesagt: Für den Fall, dass es irgendwo Stress gibt, brauchen wir einen Finanzpuffer. In einem solchen Test ist so ein Vorgehen richtig, damit eine Bank unter Stress auch überlebt. Wir haben beschlossen, dass wir einen Risikovorsorgepuffer von 40 Millionen Euro haben wollen, weil wir nicht absehen können, ob die Erholung auf den Schiffsmärkten, die sich nun abzeichnet, von Dauer ist. Dieses sogenannte Management Adjustment war eine freiwillige Aktion.
Halten Sie dieses Sicherheitskonzept der EZB für übertrieben?
Es ist immer schwer zu sagen, ob ein Sicherheitskonzept übertrieben ist. Unter Stressgesichtspunkten ist es richtig, einen Puffer zu haben. Im laufenden Geschäft ist es nicht notwendig.
Nach einer Stagnation von 2013 auf 2014 haben Sie im ersten Halbjahr 2014 Ihr Schiffsportfolio bereits um 190 Millionen Euro auf 6,1 Milliarden Euro reduziert. Damals hatten Sie noch 792 Schiffe im Bestand, also 55 weniger als ein halbes Jahr zuvor. Wie sieht es nun aus?
Unser Bestand ist weiter gesunken, unser Schiffsportfolio ist nun kursbereinigt noch 6,0 Milliarden Euro wert und beläuft sich auf insgesamt 749 Schiffe. Wir machen seit mittlerweile drei Jahren kein Neugeschäft mehr. Das heißt: Das Portfolio tilgt sich automatisch. Jetzt kommt allerdings der starke Dollar und erhöht den Wert des Portfolios wieder.
Welche Segmente laufen besser, welche schlechter?
Im letzten Jahr lief es bei den Bulkern gut, die Raten in diesem Segment sind nun allerdings verheerend. Die Containerschiffe erholen sich zurzeit und in der Folge geht es auch bei den Multi-Purpose- und General-Cargo-Schiffen besser.
Sie haben im vergangenen Jahr gesagt, dass es richtig war, nicht aus der Schiffsfinanzierung auszusteigen. Würden Sie diese Aussage vor dem Hintergrund der EZB-Beschlüsse in diesem Jahr noch einmal wiederholen?
Ich würde in jedem Fall genauso handeln. Wir sind eine schiffsfinanzierende Bank und wollen das auch bleiben. Das heißt: Wir begleiten Schiffe weiter und werden – wenn die Krise überstanden ist – auch wieder Neugeschäft machen. Aber wir kommen jetzt in eine Situation, wo wir uns von einzelnen Schiffen möglichst einvernehmlich mit den Reedern trennen. Darunter fallen beispielsweise Schiffe, die nicht mehr vernünftig gewartet werden, die ein gewisses Alter erreicht haben, oder wo die Eigner ihre Klassekosten nicht mehr tragen können oder sie ganz einfach kein weiteres Geld in die Schiffe stecken wollen. Das betrifft ungefähr 50 bis 60 Schiffe. Das hängt davon ab, wie sich die Charterraten weiterentwickeln.
Die internationale Schifffahrtskrise geht in ihr achtes Jahr. Wer seine Schiffe in einer solchen Krise verkauft, gibt Wertaufholungspotenziale ab. Die Bremer Landesbank hat viele Schiffe regionaler mittelständischer Reedereien in ihrem Portfolio, Sie haben immer an den Schiffen festgehalten, um, ich zitiere, „diese Reedereien nicht in den Untergang zu schicken“. Nun sieht es so aus, als würde die Bremer Landesbank einen Strategiewechsel vollziehen. Ist der finanzielle Druck letztlich doch zu groß geworden?
Nein, es ist kein Strategiewechsel. Aber wir müssen jetzt sehr genau hingucken, welches Schiff ein Wertaufholungspotenzial hat und welches nicht.
Wann wird die Krise zu Ende sein?
Wenn ich das wüsste... Wenn die Entwicklung so weiterläuft wie in den ersten vier Monaten, dann bin ich optimistisch, dass die Schiffskrise 2016, 2017 beendet ist.
Das Land Bremen muss als Anteilseigner der Bremer Landesbank für 2014 und wohl auch in den darauffolgenden beiden Jahren auf eine Dividendenauszahlung von 20 Millionen Euro von Ihrer Seite verzichten. Um eine Dividende ausschütten zu können, müssen Sie ein Jahresergebnis von mindestens 100 Millionen Euro ausweisen. Die Zahlen legen nahe, dass Bremen sich noch länger als drei Jahre bis zur nächsten Auszahlung gedulden muss, oder?
Wir bilanzieren nach IFRS (Anm. d. Red. internationale Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen), das sind die Zahlen, die Sie kennen, und nach HGB. Diese Zahlen sind nicht öffentlich. In unserem HGB-Ergebnis müssen wir vor Steuern 100 Millionen Euro erwirtschaften, um 70 Millionen Euro Dividende an alle Träger auszahlen zu können. In 2014 haben wir das HGB-Ergebnis in etwa erzielt, wir haben es aber anders verwendet: Wir haben einen Großteil des Ergebnisses nach Steuern in die Kapitalstärkung der Bank investiert und darüber hinaus Reserven angelegt. Und das ist natürlich in vorheriger Absprache mit den Trägern passiert.
...zu denen auch Finanzsenatorin Karoline Linnert (Die Grünen) zählt. Sie hatte zuletzt erklärt, dass die Hansestadt es „auf Dauer nicht akzeptieren kann, dass die Bremer Landesbank keine Dividende an Bremen zahlt“. Fühlen Sie sich durch solche Aussagen zusätzlich unter Druck gesetzt?
Nein. Es ist selbstverständlich, dass Kapitalgeber eine vernünftige Verzinsung ihres Kapitals erwarten. Und es ist Aufgabe des Vorstandes, diese Ansprüche zu erfüllen. Ich bin froh, dass unsere Träger – zu denen auch das Land Bremen gehört – die Zusammenhänge verstanden und zugestimmt haben. Wir haben auch für 2015 und 2016 eine Planung verabschiedet, die es uns erlaubt, die volle Performance der Bank in eine Kapitalstärkung zu stecken. Wir gehen davon aus, dass es nur bei diesen beiden Jahren bleibt.
Der Vorstand der Bremer Landesbank war fünf Jahre lang mit drei Mitgliedern besetzt. Nun haben Sie zu Beginn des Monats mit Herrn Nullmeyer einen zweiten Marktvorstand berufen. Können Sie verstehen, dass es den einen oder anderen Politiker gibt, der mit Blick auf die ausbleibenden Dividenden über eine solche Personalentscheidung verärgert reagiert? So ein neuer Vorstand – ob Eigengewächs oder nicht – will schließlich auch bezahlt werden…
Wir haben als einziges Haus in der Region mit drei Vorständen gearbeitet. Das hat unter erheblichen Belastungen funktioniert. Heute gibt es aber regulatorische Vorgaben, die uns bei einem Marktvorstand dazu zwingen, dass dieser innerhalb des Vorstandes nicht mehr vertreten werden kann – deswegen mussten wir reagieren.
Für die Bremer Landesbank als Mittelstandsfinanzierer gibt es neben den Schiffen weitere wichtige Bereiche: die erneuerbaren Energien, das Privat- und Firmenkundengeschäft sowie Handel, Gewerbe, Sozialimmobilien und Leasing. Wie lief das Neugeschäft im vergangenen Jahr?
Der Bereich erneuerbare Energien ist ein schöner Wachstumstreiber gewesen. Das Abschmelzen des Schiffsportfolios wird im Zinsüberschuss aufgefangen durch Neugeschäft in diesem Segment. Auch das Firmen- und das Privatkundengeschäft haben sich gut entwickelt. Alle Bereiche sollen früher oder später gleich groß sein – das wird aber noch etwa vier bis fünf Jahre dauern.
Unter dem Strich: Muss man sich Sorgen um die Bremer Landesbank machen?
Nein, wir sind insgesamt gut aufgestellt.
Zur Person: Stephan-Andreas Kaulvers, Jahrgang 1956, war unter anderem bei der Oldenburgischen Landesbank. Seit 2006 ist der gebürtige Berliner Vorstandsvorsitzender der Bremer Landesbank.
Die Bremer Landesbank in Zahlen
◼ Die Bremer Landesbank (BLB) verdiente im Geschäftsjahr 2014 mit 43 Millionen Euro vor Steuern 25 Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor. Insgesamt sank die Bilanzsumme im Vergleichszeitraum von 33,02 Milliarden Euro um 876 Millionen Euro auf 32,14 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2013 stieg die Risikovorsorge von 263 Millionen Euro um acht Millionen Euro auf 271 Millionen Euro. Da das Geldinstitut einer der größeren Schiffsfinanzierer ist, ging ein Großteil davon in die Vorsorgeaufwendungen für Schiffe.
Ihren Provisionsüberschuss konnte die BLB im vergangenen Jahr auf 43 Millionen Euro steigern (2013: 41 Millionen Euro). Das Handelsergebnis beläuft sich auf Minus 15 Millionen Euro (2013: Plus von 46 Millionen Euro). Insgesamt hat die BLB beim Jahresüberschuss nach Steuern ein Plus von 31 Millionen Euro erwirtschaftet (2013: 49 Millionen Euro). Das Eigenkapital sank um 57 Millionen Euro auf 1,60 Milliarden Euro. Die harte Kernkapitalquote lag 2014 bei acht Prozent gegenüber 9,1 Prozent im Jahr zuvor. (bem)