Flüchtlinge kritisieren mittlerweile offen, wie mit ihnen umgegangen wird. Manche drohen offenbar sogar mit Gewalt. Wie am Donnerstag, als 20 bis 30 Asylsuchende einen Polizeieinsatz beim Bundesamt für Migration (BAMF) in Bremen auslösten. Sie sollen Mitarbeiter so vehement beschimpft und bedroht haben, dass die Beamten verständigt wurden.
Nach deren Angaben beklagten sich die Flüchtlinge über schleppende Abläufe in den Behörden, insbesondere darüber, dass sie immer noch nicht registriert worden seien – und sich somit ihre Asylverfahren verzögerten. Für die Registrierung von Asylsuchenden ist die Sozialbehörde zuständig. „In Einzelfällen kann sich die Registrierung derzeit um mehrere Wochen verschieben. Es gibt eine größere Bugwelle“, räumte deren Sprecher, David Lukaßen, ein. Gründe dafür seien fehlendes Personal sowie die gestiegenen Flüchtlingszahlen.
Wie groß diese Bugwelle ist, konnte der Sprecher nicht nennen. Wie der WESER-KURIER erfahren hat, sollen 800 bis 1000 Flüchtlinge auf ihre Registrierung warten. Dabei wird unter anderem abgeglichen, ob ein Flüchtling zuvor in einem anderen Bundesland registriert wurde und Fingerabdrücke genommen wurden. Erst dann kann das Asylverfahren anlaufen.
3600 unbearbeitete Fälle in Bremen
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) betonte, dass er die Vorfälle ernst nehme. Kritik übte er aber weniger an der Sozialbehörde, sondern vielmehr am Bundesamt für Migration. Das ist für das Asylverfahren zuständig und entscheidet, ob Flüchtlinge abgeschoben werden oder bleiben dürfen. Nach Mäurers Worten schafft das Bundesamt das Pensum nicht. Ihm zufolge liegen auf den Schreibtischen der Mitarbeiter rund 3600 unbearbeitete Fälle. Allein in den vergangenen acht Monaten seien gerade mal 90 Abschiebeverfahren rechtskräftig geworden und bei der Hälfte der Fälle die Abschiebung vollzogen worden. Damit widersprach Mäurer Zahlen der CDU. Sie erklärte, derzeit würden sich 200 ausreisepflichtige Flüchtlinge in Bremen aufhalten.
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Bundesweit wurden laut einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlichten Statistik im Bilanzjahr 2015 ganze 303.443 Asylanträge aufgenommen. Davon waren 274.923 Erstanträge, 116.659 mehr als im Vorjahr. Entschieden wurde aber derweil über nicht einmal zwei Drittel der Gesamtanträge. 67.034 Anträge wurden abgelehnt. Die betroffenen Flüchtlinge müssen abgeschoben werden. Allein im September verzeichnete das BAMF 43 071 Asylbewerberzugänge, jedoch wird im Schnitt pro Monat nur über knapp 20.000 eine Entscheidung gefällt.
Schon die Registrierung ist problematisch
Jörg Mielke, Leiter der Niedersächsischen Staatskanzlei, erwartet eine schärfere Gangart bei der Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, weil die Rechtslage dies ab Anfang November erfordere. „Wir haben nun einmal völlig andere Verhältnisse als man vor zwei Jahren auch nur erahnen konnte“, sagte er der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Die Frage, ob abgelehnte Asylbewerber ab 1. November damit rechnen müssten, ohne Ankündigung abgeschoben zu werden, beantwortete er mit einem klaren „Ja, so ist es.“ Die Voraussetzungen für Abschiebungen, nämlich abgelehnte Asylanträge, müssen allerdings auch in Niedersachsen erst einmal geschaffen werden.
Denn bevor Flüchtlinge einen Asylantrag stellen können, müssen sie registriert werden. Da fangen die Schwierigkeiten an. Trotz erheblichen Personaleinsatzes kommt die Landesaufnahmebehörde mit den Registrierungen der Menschen, die ins Land kommen, kaum nach.
Seit Anfang des Jahres hat Niedersachsen nach Auskunft des Innenministeriums 65.000 Flüchtlinge aufgenommen. Weitere 15.000 Flüchtlinge sind noch nicht registriert. Den zeitlichen Aufwand, für die Registrierung einer Person gibt das Ministerium mit 30 Minuten an. Täglich kommen über 1000 weitere Flüchtlinge – Bearbeitungszeit 500 Stunden. Hinzu kommen aktuell 4000 unregistrierte Flüchtlinge, die im Wege eines Amtshilfeverfahrens direkt in kommunale Notunterkünfte gebracht werden (2000 Stunden). Ihre Registrierung übernehmen entweder mobile Registrierungsteams, oder die Flüchtlinge müssen zur Registrierung in eine der niedersächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht werden. Bisweilen sind sie allerdings zum Zeitpunkt ihrer Registrierung nicht mehr vor Ort – wie dieser Tage in Nordenham. Von 109 Flüchtlingen, die mittags dort ankamen, waren abends gerade noch 39 da. Der Rest war weitergereist – Ziel unbekannt.