Das Bremer Schulsystem drohe wegen Personalmangel zusammen zu brechen – diese Diagnose hat die Opposition am Dienstag in der Stadtbürgerschaft gestellt. Die CDU hatte eine Aktuelle Stunde beantragt, nachdem klar wurde, dass derzeit an vielen Schulen Unterricht und Betreuung ausfallen. Grund für die Ausfälle sind, dass Schulen mit unbesetzten Stellen, vielen Krankheitsfällen und Schwangerschaften im Kollegium umgehen müssen. Zuletzt brach laut Behörde an neun Grundschulen der Ganztag weg und musste durch Notbetreuung aufgefangen werden.
Das kritisiert die Opposition: „Die Mangelverwaltung hinterlässt mittlerweile Spuren in allen Bereichen des Schulalltags", stellte die CDU-Abgeordnete Yvonne Averwerser fest. Ein „Bildungskollaps“ sei nicht nur in den Grundschulen zu spüren. Bremens Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) und dem von ihr geführten Ressort warf Averwerser „Ignoranz und Selbstgefälligkeit“ vor. Trotz Studien, die bereits 2016 einen deutlich höheren Lehrkräftebedarf ermittelten, habe das Bildungsressort zu lange an niedrigeren Personalprognosen festgehalten, so Averwerser.
In der Folge müssten jetzt Klassen zusammen gelegt werden, falle kurzfristig Schule aus und hätten alleinerziehende Mütter keinen funktionierenden Ganztagsplatz, führte die Bildungspolitikerin aus. "An einigen Schulen findet lediglich Betreuung für die Kinder statt, deren Eltern beide berufstätig sind." Die von der Behörde benannten neun Schulen seien "nur die Spitze eines Eisbergs", so die Christdemokratin.
FDP-Bildungspolitikerin Birgit Bergmann betonte: Ausgerechnet in den Hochburgen der Gerechtigkeitspartei SPD seien die Bildungschancen der Kinder besonders abhängig von ihrer sozialen Herkunft. „Bremer Schulen sind ein Sinnbild für das Versagen der Stadt geworden.“
Das entgegnen Koalitionsvertreterinnen: „Unterrichtsausfall findet derzeit leider in der ganzen Bundesrepublik statt, wir haben in der ganzen Republik zu wenig Lehrer“, stellte Gönül Bredehorst (SPD) klar. Die Schülerzahlen seien gestiegen, hinzu kämen noch 3500 Kinder aus der Ukraine, die in diesem Jahr an Bremer Schulen aufgenommen worden seien.
Mehr als zwei Jahre Pandemie und ein hoher Krankenstand zeigten sich nun an den Schulen, so Christopher Hupe (Grüne): „Es werden jetzt verschiedene Grippewellen, die während Corona nicht stattgefunden haben, die Schulen durchlaufen.“ Die Zahl der unbesetzten Lehrerstellen steige, stellte Sofia Leonidakis (Linke) fest: "Sie lag vor ein paar Jahren bei etwa fünfzig, jetzt bei fast 100." Und besonders in benachteiligten Stadtteilen sei die Fachkräfteversorgung oft schlechter.
Das sagt die Bildungssenatorin: "Ich will nicht bestreiten, dass wir derzeit massive Probleme haben", sagte Bildungssenatorin Aulepp. "Wir werden dieses Problem angehen." Der Opposition warf die Senatorin aber eine wenig konstruktive Diskussion vor. „Wir sind auf Kante genäht, auch wenn wir durchaus erfolgreich waren bei der Einstellung von Lehrkräften“, so Aulepp. Zum Schuljahresbeginn habe Bremen 244 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen neu eingestellt – so viele wie nie zuvor. Doch das reiche nicht: Derzeit gebe es fast 100 unbesetzte Lehrerstellen. "Auch wenn uns andere Bundesländer vielleicht um diese Quote beneiden, sind wir damit nicht zufrieden."
Was Bremens Regierung tun will: Die Ausbildungskapazitäten für Lehramtsstudierende an der Bremer Universität müssten erhöht werden, sagte Aulepp. Zudem sollten Lehrkräfte in Teilzeit motiviert werden, ihre Stunden aufzustocken. Es seien auch bereits etliche Lehrkräfte aus ihrem Ruhestand an die Schulen zurückgekehrt, um auszuhelfen.
Die Anerkennung der Qualifikation von Lehrkräften aus dem Ausland müsse verbessert werden, forderten Vertreterinnen und Vertreter der Koalition – und der Quereinstieg noch stärker erleichtert.