Vor Landtagswahl in Bayern Sieling: Bremen als Bollwerk gegen Rechtstrend der Republik

Bremen sieht sich als maritimes, weltoffenes und tolerantes Bundesland. Jeder dritte Einwohner hat einen Migrationshintergrund. Töne wie aus Bayern kommen im rot-grünen Senat der Hansestadt nicht gut an.
03.08.2018, 07:14 Uhr
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Sieling: Bremen als Bollwerk gegen Rechtstrend der Republik
Von Hans-Ulrich Brandt

Bremens Bürgermeister Carsten Sielinghat vor einem Rechtstrend in Deutschland auf Kosten der hier lebenden Migranten gewarnt. Er werde dem das Bremer Lebensgefühl entgegensetzen, das von Weltoffenheit, Toleranz und Liberalität geprägt sei. „Wir werden dafür arbeiten, dass Bremen auch weiterhin ein Bollwerk gegen den Rechtstrend in der Republik bleibt“, sagte Sieling am Freitag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auch im Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl im Mai 2019 wolle er sich so positionieren.

Der CDU-Landesvorsitzende Jörg Kastendiek hält die Äußerungen des SPD-Bürgermeisters hingegen für „sinnfreie Phrasen, die populistisch aufgemotzt“ seien. Sieling habe zwar „gut gebrüllt“, werde der Sache damit aber nicht gerecht, sagte Kastendiek dem WESER-KURIER. Er solle statt dessen sagen, „was er tun will, um dem sogenannten Rechtstrend in Deutschland entgegenzuwirken“. Da müsse der Bürgermeister „vor der eigenen Haustür kehren“.

Kastendiek forderte Sieling auf, in der Flüchtlings- und Integrations­politik konkret zu handeln und „nicht nur Sprüche zu klopfen“. Als Beispiele nannte der CDU-Landeschef die gemessen am Bundesschnitt viel zu geringe Zahl von Abschiebungen. Und er kritisierte, dass es Bremen zu selten schaffe, Kinder, die aus bildungsfernen Schichten stammten und oftmals einen Migrationshintergrund ­hätten, so zu fördern, dass sie höhere Schulabschlüsse schaffen würden.

Sieling hatte gegenüber dpa betont, die Integration von Flüchtlingen und Zugewanderten werde sein vorrangiges Ziel sein. Damit sei Bremen bislang sehr gut gefahren. Weiter sagte der Bürgermeister: „Klar ist: Das ist das Ergebnis des großen sozialen Zusammenhalts hier bei uns und eines Alle-Mann-Manövers in unseren beiden Städten.“

Der Bremer Senat habe sich vom ersten Tag auf die Integrationsaufgabe konzentriert, statt Debatten zu führen, wie schnell die Menschen das Land verlassen müssten. Realistisch betrachtet sei klar, dass die Menschen eine Zeit lang blieben. „Sie dürfen nicht am Rande stehen bleiben. Dieser Fehler wurde in den 90er-Jahren gemacht.“

"Vorbild für andere Bundesländer"

Die erste Pflicht von Bürgern und Politik sei es, so Sieling, dass nach der starken Zuwanderung der Jahre 2014, 2015 und 2016 die Integrationen der Kinder und der Familien und die Integration in die Arbeit vorangebracht würden. Wie gerade veröffentlichte Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, hatte 2017 jeder dritte Bremer einen Migrationshintergrund (32 Prozent); in Niedersachsen war es etwas mehr als jeder fünfte Einwohner (21,1 Prozent). Bundesweit lag im vergangenen Jahr der Anteil bei 23,4 Prozent.

Unterstützt wird Sieling von der Vorsitzenden des Bremer Rates für Integration, Libuse Cerna. „Ich finde, Carsten Sieling hat recht: Bremen ist in vielen Bereichen der Integration Vorbild für andere Bundesländer.“ Als Beispiele nannte Cerna die AOK-Karte für Geflüchtete, die Deutsch- und Integrationskurse für alle und das Programm HERE der Bremer Hochschulen, das Geflüchtete durch Sprach- und Fachkurse auf ein Studium in Bremen und Bremerhaven vorbereitet.

Das seien „sehr gelungene Modelle“, so die Vorsitzende. Auch das bürgerliche Engagement sei nach wie vor vorhanden, und werde von der Stadt unterstützt, sagte Cerna gegenüber dem WESER-KURIER. „Ich finde allerdings, dass Bremen sichtbarer Flagge zeigen muss.“ Vor einigen Jahren habe das Bündnis „Bremen ist bunt“ bei strömendem Regen 7000 Menschen auf den Marktplatz gebracht. „Solche Aktionen brauchen wir wieder. Da ist noch viel zu tun“, betonte sie.

Sieling hatte insbesondere die CSU kritisiert. Was die Christsozialen in den vergangenen Wochen gemacht hätten, sei der klare Versuch einer Rechtsverschiebung und ein Angriff auf das deutsche Asylrecht gewesen. Auch in der CDU sei dieser „Virus“ hier und da zu spüren. Unterdessen hält Außenminister Heiko Maas die nach dem Rücktritt des Fußball-Nationalspielers Mesut Özil geführte Integrationsdebatte für wichtig.

Warnung vor Entgleisungen in der politischen Debatte

„Die Realität in Deutschland ist vielschichtiger, es gibt zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund, die in verschiedenster Weise mit Ausgrenzung und Anfeindungen konfrontiert sind. Damit müssen wir uns ernsthaft auseinandersetzen“, sagte der SPD-Minister dem WESER-KURIER. Durch die sozialen Medien würde die Gesellschaft heute mehr von dieser Realität in unserem Land erfahren. „Wenn das dazu führt, dass mehr Menschen den Mund aufmachen gegen Rassismus, Hass und Hetze, dann hat es etwas gebracht“, so Maas.

Justizministerin Katarina Barley hingegen warnte vor Entgleisungen in der politischen Debatte. „Ich erlebe eine Veränderung der Debatten-Kultur, und dazu gehört ohne Zweifel auch eine Verrohung der Sprache. Vieles spielt sich in der Anonymität der sozialen Netzwerke ab, aber zunehmend auch in der öffentlich geführten politischen Debatte – sei es im Bundestag, in Talkshows oder den Nachrichten“, sagte die SPD-Politikerin. Die größte Gefahr sei, dass man sich daran gewöhne.

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