Bürgermeister Carsten Sieling hat mehr Stolz auf Bremen und Bremerhaven eingefordert und Kritik an seiner Regierung zurückgewiesen. „Die Koalition arbeitet gut“, sagte der SPD-Politiker in einem Interview des WESER-KURIER. „Ich werde nicht zulassen, dass Bremen und Bremerhaven schlecht geredet werden.“ Mehrfach machte er ferner das niedersächsische Umland zum Thema. Bremen könne den Cannabis-Konsum nicht liberalisieren, wenn Niedersachsen das nicht tue. Bei dem geplanten zusätzlichen Feiertag sei eine Einigung mit dem Nachbarland Voraussetzung – es soll nun der Reformationstag werden. Und die Finanzspritze für die kommunalen Krankenhäuser Bremens verteidigte Sieling auch mit Blick auf die Gesundheitsversorgung der Nachbargemeinden.
In seiner Forderung nach mehr Stolz auf Bremen und Bremerhaven bezog sich Sieling ausdrücklich auf Redner des Eiswettfests und der Schaffermahlzeit, die ihn scharf angegriffen hatten. „Man kann natürlich Kritik äußern, aber sollte sie immer verbinden mit dem Stolz auf unsere beiden Städte“, sagte er. „Wenn aber Bremer in ihren Reden den Eindruck erwecken, Bremen sei ein Ort, den man meiden müsse, dann kann ich das nicht so stehen lassen.“
Die Erfolge in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und auf dem Arbeitsmarkt würden häufig unterschlagen. Der Bürgerservice laufe inzwischen gut, die Schwierigkeiten im Stadtamt seien beseitigt. „An den Verbesserungen im Bereich Kindergärten und Schulen arbeitet der Senat mit Hochdruck.“ Der Bürgermeister wandte sich auch gegen die Äußerung des OHB-Personalvorstands Klaus Hofmann, in der Außendarstellung gleiche Bremen einer „grauen Maus“, weil die Stadt ihre Stärken nicht deutlich genug hervorhebe. Diese Schlussfolgerung helfe weder dem Standort noch den Unternehmen. „Deshalb ärgert mich so was.“
In dem Interview wiederholte Sieling den Begriff der Zeitenwende für die haushaltspolitische Situation des Landes. Es sei angesichts der finanziellen Lage kein Wunder, dass Bremen zu den einzigen beiden Bundesländern zähle, die 2017 ein Minus erzielt hätten. „Aber ein Wunder ist es, wie gering das Defizit ist und dass es gelungen ist, im Haushaltsvollzug so viel Geld einzusparen, dass wir die Sanierung der Bremer Finanzen hinbekommen.“ Die möglicherweise steigenden Zinsen sehe er als unkritisch an, da Bremen sich „sehr, sehr langfristig“ abgesichert habe. Die zusätzlichen 185 Millionen Euro, die den kommunalen Krankenhäusern per Nachtragshaushalt zufließen sollen, seien „sehr gut angelegtes Geld“.
Reformationstag: Eine Lösung für Norddeutschland
Sieling, der sich in gut einem Jahr der Wiederwahl stellt, ließ keine Zweifel an Rot-Grün erkennen. „Wir sind eine Koalition aus zwei Parteien, die unterschiedliche Akzente setzen, aber die insgesamt eine die Opposition beinahe quälende Harmonie pflegen.“ Zwar sei der Senat bei der beabsichtigten Cannabis-Liberalisierung nicht weit gekommen, aber von Sonderwegen halte er nichts: „Alleingänge ohne Niedersachsen sind in dieser Frage nicht vernünftig. Die Grünen sehen das allerdings anders.“
Auch bei dem zusätzlich geplanten Feiertag sei man nicht einer Meinung, doch sehe er den Reformationstag anders als die Grünen nicht als einen religiösen Feiertag. „Die Reformation steht für gesellschaftlichen Umbruch und Aufbruch.“ Auch hier solle es keinen Bremer Sonderweg, sondern eine Lösung für Norddeutschland geben.
Die Personalquerelen seiner Partei kritisierte Sieling. „Das ist für die SPD insgesamt schädlich, weil es Vertrauen kostet.“ Öffentliche Personaldebatten erweckten den falschen Eindruck, es gehe in der Politik nur um Posten. Die Nominierung von Andrea Nahles als SPD-Bundesvorsitzende sei „goldrichtig“, sagte Sieling, der auch im SPD-Bundesvorstand sitzt. „Sie hat nicht nur das Herz am rechten Fleck, sondern ist kompetent, durchsetzungsstark und hoch anerkannt selbst in den Reihen der politischen Konkurrenz.“
Unbeeindruckt zeigte sich Sieling von der Ankündigung des designierten CDU-Spitzenkandidaten Carsten Meyer-Heder, der bei der Bürgerschaftswahl 2019 für die Bremer Union rund 35 Prozent der Stimmen holen will. „Das ist... ambitioniert“, sagte Sieling nur. Seine eigenen schlechten Beliebtheitswerte nehme er als Ansporn. „Für mich sind solche Ergebnisse der Auftrag, meine Arbeit zu machen und am Ende bei Wahlen die nötige Unterstützung zu bekommen.“ Gerade erst hatte eine Umfrage zur Popularität aller aktuellen Ministerpräsidenten ihm den zweitschlechtesten Wert attestiert.
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