Seit Sonntag ist der Lucie-Flechtmann-Platz wieder ein lebendiger Ort für Gartenfreunde und andere Besucher, die sich am Wachsen und Gedeihen von Pflanzen und Kräutern erfreuen können. Sicherheit für die grüne Oase gibt es allerdings vorerst nur für zwei Jahre.
Fleißige Helfer sorgten dafür, dass die fußballfeldgroße Fläche des Lucie-Flechtmann-Platzes an der Ecke Westerstraße/Heinrich-Bierbaum-Straße lebendig wurde. Überall wurde gehämmert, gesägt, gepflanzt und gegossen. Pflanzen schauten aus einer Badewanne und einem Aquarium heraus oder wuchsen aus Kübeln, Wannen und Eimern. Bereits Wochen zuvor hatten die Mitglieder und Freunde des eigens für die Bepflanzung gegründeten Vereins „KulturPflanzen“ Setzlinge vorgezogen und in der Nachbarschaft zur Aufzucht verteilt, Beetkästen aus Holz zusammengenagelt und ein Programm für den Saisonstart auf der „Lucie“ – wie das Areal genannt wird – vorbereitet.
Letzte Feinarbeiten fanden direkt auf dem gepflasterten Platz statt. An einem Frühbeet malte Monika Miller vorher mit Bleistift vorgezeichnete Symbole wie eine Sonne oder Vögel aus. Dazu schrieb sie die englischen Bezeichnungen „sun“ und „birds“. „Bei der gegenüberliegenden Firma kommen ja vielleicht auch internationale Gäste vorbei, und die sehen dann, was wir hier machen“, so die Gartenfreundin.
Und gemacht wurde so einiges. Die Aufgaben waren auf ein Plakat gemalt, sodass jeder Besucher eine Beschäftigung finden konnte. Max Rohrer kam zufällig vorbei und übernahm die Aufgabe, Fleece an den Holzbeeten zu befestigen, damit die Erde nicht herausfallen kann. „Eine tolle Aktion, den Platz zu beleben. Ich helfe, solange ich gebraucht werde“, so der Neustädter. Martin Schwab stand an einem Anhänger voller Pferdemist und schippte den Dung in ein großes Beet, in dem später Kartoffeln wachsen sollen. „Ein sinnvoller Beitrag, auch wenn es anstrengend ist“, findet der freiwillige Helfer.
Nicht nur Kartoffeln und Blumen, auch Gurken, Tomaten und Zucchini wurden eingepflanzt und sollen später geerntet werden. „Es gibt freie Beete, wo alle einbuddeln können, was sie wollen. An den anderen steht dran, was dort in welcher Anordnung gepflanzt werden soll“, erklärt Eva Kirschenmann vom Verein „KulturPflanzen“. Begleitet wurde die Arbeit mit Musik des DJs „Neoschall“. „Soul ist gut zum Pflanzen“, so der Musiker. Eine Marktfrau – dahinter verbarg sich Margret Rink aus Huchting – der „Bremer Leselust“ mit Fischen im Korb erzählte Geschichten über die 1850 geborene bremenweit bekannte und schlagfertige Fischhändlerin Lucie Flechtmann aus der Neustadt. Eine Tanzgruppe nutzte die Gelegenheit, vor den über 200 Besuchern ein paar Balkantänze vorzuführen.
Ein Stelzenläufer kam spontan vorbei und die Kinder konnten im Sandkasten spielen oder mit den Kisten, Hölzern und Schläuchen des Bewegungs- und Ernährungsmobils „Bemil“ etwas bauen.
Applaus gab es für die Information, dass die Nutzung des Platzes als Garten für zwei Jahre behördlich genehmigt wurde. Doch das reicht nicht, meint die Wirtschaftswissenschaftlerin Adelheid Biesecker, die den Gärtnern in einer kurzen Ansprache ihre Sympathie aussprach. „Ihr seid Teil einer basisdemokratischen Bewegung, die etwas gemeinschaftlich unternimmt, was zukunftsfähig ist“, so die emeritierte Professorin. Die Stadt grüner zu gestalten, habe Elemente von Stadtentwicklung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Außerdem könnten die Besucher hier etwas lernen und sich untereinander austauschen, lobte sie das Vorhaben.
Aber nicht nur auf dem Platz, sondern auch an anderen Stellen soll es nach Ansicht der meisten Besucher mehr Grün geben. Christian Conrad hat einen Stand aufgebaut, an dem er gegen eine Spende „Samenbomben“ ausgibt. Der gelernte Gärtner hat dazu Samen von verschiedenen Pflanzen und Bäumen gesammelt, die er in feuchte Tonerde drückte und daraus in der Hand eine Kugel formte. Zwei bis drei Tage brauchen die Samen, um zu keimen. In dieser Zeit sollten die „Bomben“ auf schwer erreichbare Plätze geworfen werden, sodass dort möglicherweise zukünftig etwas wachsen kann.
Mit dabei war auch Renate Tüllermann aus dem benachbarten Seniorenheim. „Ich freue mich auf die Gestaltung des Platzes. Viele Bewohner wollen hierherkommen“, wusste sie schon am ersten Tag der Bepflanzung. Die vielen Stufen und Pflastersteine des Areals erschweren allerdings den Zugang für Besucher mit Rollstuhl oder Rollator. Für Hilde Körner aus Grolland, die zufällig über die „Lucie“ schlenderte, sah es allerdings noch etwas durcheinander und lieblos aus. Aber die Gartenfreundin will in ein paar Wochen noch einmal vorbeischauen und prüfen, was daraus geworden ist.
„Lieblos ist es bestimmt nicht, aber die Sperrmülloptik ist für viele ungewohnt, etwas Struktur werden wir noch reinbringen“ ist sich Kirschenmann sicher. Schließlich seien die rund 15 Aktiven, die bereits im vergangenen Jahr die Fläche bepflanzt haben, überwiegend Laien und keine Profi-Gärtner. Weitere Helfer werden gesucht, die sich neben den Pflanzarbeiten auch um die Bespielung des Platzes, um die Sponsorensuche, Behördengänge und Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Denn der Ort soll nicht nur grün, sondern auch mit Angeboten belebt werden. Am 18. Mai putzt sich die „Lucie“ zum „Tag der Stadtkultur“ heraus. Am 25. Mai ist ein Flohmarkt geplant, der monatlich am letzten Sonntag stattfinden soll. Dauerhaft befindet sich ein Schrank für Lebensmittel auf dem Terrain, der von jedem genutzt und mit nicht verderblichen Waren gefüllt werden kann. Eine Bücherbox sowie eine Kleidertauschkiste auf der „Lucie“ soll Menschen anregen, gebrauchte Artikel nicht wegzuschmeißen, sondern anderen anzubieten.
Wer sich an dem Gemeinschaftsgartenprojekt beteiligen und vielleicht auch eine Beetpatenschaft eingehen will, kann sich jeden Sonntag ab 16 Uhr auf dem Areal einfinden. Außerdem gibt es montags ab 18.30 Uhr ein „Offenes Plenum“. Weitere Informationen sind im Internet unter der Adresse www.lucie-bremen.de erhältlich.
Margret Rink als Fisch-Lucie verkleidet erzählte die Geschichte der schlagfertigen Fischhändlerin.