Über mangelnde Unterstützung aus Bremen können politisch aktive Vereine nicht klagen – sofern sie grundgesetzkonform und uneigennützig arbeiten. „Engagement für Demokratie muss gemeinnützig bleiben“, auf diese Forderung hat sich der SPD-Landesvorstand am Freitagabend verständigt.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte bereits im Frühjahr eine Reform der Abgabenordnung angekündigt, nachdem der Nichtregierungsorganisation Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt worden war. Nun steigt der Druck, denn auch Campact, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) und das Petitionsnetzwerk Change.org haben Post vom Finanzamt bekommen.
Konsens in Bremischer Bürgerschaft
Die Bremer SPD kritisiert diese Entwicklung scharf. „Die enge Auslegung der Abgabenordnung droht, die für eine Demokratie unerlässliche zivilgesellschaftliche Arbeit zu erschweren. Die von der aktuellen restriktiven Gesetzesauslegung betroffenen Verbände müssen ihre Gemeinnützigkeit zurückerhalten, und ähnliche Verbände müssen sie behalten“, heißt es in dem Beschlusstext.
Das ist auch Konsens in der Bremischen Bürgerschaft. Der SPD-Landesvorstand solidarisiert sich jetzt ausdrücklich mit der VVN/BdA, mit Attac, Campact und anderen Vereinen, “die durch ihre Arbeit, durch ihr selbstloses Einstehen für die Demokratie, gegen Ausgrenzung und für Solidarität einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten”. Wenn das Bundesfinanzministerium die Abgabenordnung nun mit Hochdruck überarbeite, müsse „unmissverständlich und rechtssicher deutlich werden”, dass der Staat durch die Gemeinnützigkeit Vereine fördern möchte, die die Verwirklichung von Grund- und Menschenrechten, Frieden, Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit, informationeller Selbstbestimmung, der Gleichstellung der Geschlechter und den Kampf gegen Faschismus und Rechtspopulismus zum Ziel hätten. Das kann die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Sarah Ryglewski auch in Berlin einbringen. Als parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen wirkt die Bundestagsabgeordnete an der Reform mit.
„Es ist nicht akzeptabel, dass die bloße Nennung im Verfassungsschutzbericht eines Bundeslandes wie im Fall der VVN/BdA ausreicht, um die Gemeinnützigkeit zu versagen”, bekundet der Bremer SPD-Landesvorstand. „Im Gegenteil.” Die Finanzbehörden müssten nachweisen, dass es sich um verfassungswidrige Bestrebungen handle, wenn ein Verein im Verdacht stehe, extremistisch zu sein. „Das Finanzamt müsste sich dann angucken, was die tatsächlich machen“, sagt die Bremer SPD-Chefin Sascha Aulepp. Sonst rege sich der Verdacht, dass regierungskritische Positionen eher in den Fokus gerieten. „Und von diesem Verdacht möchte ich gerne das Gemeinnützigkeitsrecht befreien.” Strittig ist etwa bei Attac und Campact die Frage, ob sich gemeinnützige Vereine in tagespolitische Diskussionen einbringen dürfen. Das will Aulepp nicht in den Kopf: „Wer eine Meinung hat, kann nicht gemeinnützig sein?“
Die VVN/BdA erlebt eine Welle der Solidarität und hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Wochen mehr als 1000 neue Mitglieder gewonnen. Auch Aulepp ist in den 1947 gegründeten Verein eingetreten. Der Bremer Bundesverdienstkreuzträger Kurt Nelhiebel wiederum hat sich an den Bundespräsidenten gewandt und ihn gebeten, „die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für eine Organisation von Opfern des Naziregimes nicht unkommentiert zu lassen”.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!