Nun müssen am Donnerstag nur noch ihre Mitglieder gewählt werden, dann kann die neue Bremer Regierung aus SPD, Grünen und Linken mit der Arbeit beginnen. Am Dienstagvormittag setzten der designierte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), die Noch-Fraktionsvorsitzenden Maike Schaefer (Grüne) und Kristina Vogt (Linke) zusammen mit den Landesvorsitzenden Sascha Aulepp (SPD), Hermann Kuhn und Alexandra Werwath (beide Grüne) sowie Cornelia Barth (Linke) im Bremer Presseclub ihre Unterschriften unter den Koalitionsvertrag. Mit dem 143 Seiten umfassenden Papier hat das erste rot-grün-rote Regierungsbündnis in einem westdeutschen Bundesland nun seine offizielle Grundlage – es waren also auch historische Unterschriften.
Inwieweit Bremen mit seinem neuen Regierungsbündnis links der Mitte nun als Blaupause für neue politische Konstellationen auch auf Bundesebene taugen kann, wollte Bovenschulte allerdings nicht bewerten. „Als Erstes haben wir nun die Verantwortung, gute Politik für die Menschen in Bremen und Bremerhaven zu machen“, sagte er. „Unsere Erwartung ist, dass wir es schaffen, Dinge zum Positiven zu verändern. Auch, wenn die Probleme vielfältig sind und das Geld knapp ist.“
Bildung, Verkehr und Wohnen stehen im Fokus
Besonderes Gewicht gibt das neue Dreierbündnis im Koalitionsvertrag den Themen Bildung, Verkehr und Wohnen. Bovenschulte und die künftigen Senatorinnen Schaefer (Umwelt, Bau und Verkehr) und Vogt (Wirtschaft) betonten, dass der Neu- und Ausbau von Schulen und Kindertagesstätten ebenso wie Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in diesem Bereich Priorität genießen sollen. Auch das Ziel „bezahlbares Wohnen für alle“ soll vorrangig angegangen werden, im Vertrag wird die Zahl von 10 000 neuen Wohnungen für alle Zielgruppen genannt. „Wir wollen Strategien entwickeln, von denen am Ende des Tages alle profitieren“, sagte Vogt.
Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz wollen SPD, Grüne und Linke als ressortübergreifende Aufgabe und, wie es im Vertrag heißt, „Grundlage des Handelns in allen Politikbereichen“ angehen. Unter das Thema Klimaschutz fällt neben dem Ausstieg aus der Kohle auch die „soziale Verkehrswende“, die SPD, Grüne und Linke in Bremen schrittweise erreichen wollen. Vorgesehen ist für die kommenden vier Jahre unter anderem ein „verbindliches Stufenkonzept für eine autofreie Innenstadt“. Dieses Ziel peilt die Koalition bis zum Jahr 2030 an. Er freue sich auf vier erfolgreiche und spannende Jahre, sagte Bovenschulte. „Hoffentlich nicht zu spannende.“ Kuhn wünschte dem neuen Bündnis „allzeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel“, was seine Parteikollegin Schaefer als passionierte Seglerin lachend mit „ein Meter wäre besser“ kommentierte – es herrschte allenthalben gelöste Stimmung bei den Koalitionären.
Fragezeichen bei den Finanzen
Die Erwartungen an den neuen Senat sind groß, zumal die SPD bei der Bürgerschaftswahl am 26. Mai erstmals in mehr als 70 Jahren ihren Status als stärkste Partei an die CDU verloren hatte. Maike Schaefer, deren Grüne vor den Koalitionsverhandlungen mit SPD und Linken auch mit CDU und FDP sondiert hatten, betonte, dass Rot-Grün-Rot gegenüber Jamaika das stabilere Regierungsbündnis sei. „Es spiegelt die Mehrheit des Wählerwillens wider“, sagte sie.
Vertreter der Wirtschaft begegnen den Plänen des neuen Senats skeptisch. Das liegt vor allem daran, dass der Koalitionsvertrag bei der Finanzierbarkeit der Vorhaben ein großes Fragezeichen enthält. Über konkrete Budgets hatten sich die Koalitionspartner noch nicht verständigt. Kommende Haushalte seien trotz der Sanierungshilfen von „zurückgehenden Einnahmesteigerungen und erheblichen investiven Anforderungen“ geprägt, heißt es warnend im Vertrag. Der künftige Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) schätzt, dass der nächste Haushalt nicht vor Sommer 2020 ausgehandelt ist – entsprechend wird es dauern, bis klar ist, welche Projekte tatsächlich bis 2023 in die Tat umgesetzt werden können.
Die Frage nach den finanziellen Mitteln stellt auch Carl Kau vom Bund der Steuerzahler. „Finanzieren kann das chronisch klamme Bremen die lange Liste der teils kostspieligen Pläne in dieser Form sicher nicht“, hatte er dem WESER-KURIER gesagt. Handelskammerpräses Janina Marahrens-Hashagen befürchtet, dass „dirigistische Instrumente“ beispielsweise bei der Vergabe von Grundstücken Interessenten abschrecken könnten. Auch müsse Bremen investieren, was aber nur mit einer soliden Einnahmebasis möglich sei. „Ich kenne keinen Koalitionsvertrag, den die Wirtschaft nicht kritisiert“, sagte dagegen Maike
Schaefer.