Er sei kein Zauberlehrling, sagt Nils Ruttmann. Das ist wohl auch ganz gut so, denn wenn man sich mal den besagten Zauberlehrling aus Goethes Ballade anschaut, dann ist da ja doch einiges schief gegangen. Wer wollte von den Eisbären Bremerhaven behaupten, dass bei ihnen nicht auch so manches schief gelaufen ist zuletzt. Zauberlehrlinge im Sinne der Goethe-Ballade wären wenig hilfreich. Nein, er sei eher der sachliche Typ, der strukturiert vorgehen will, sagt Ruttman. Er ist studierter Jurist und hat einst in einer Kanzlei gearbeitet. Am Mittwoch beriefen die Gesellschafter ihn zum neuen Geschäftsführer der Eisbären. Mit seriöser und solider Arbeit will er jetzt als Frontmann ein Projekt vorantreiben, das kein fauler Zauber sein soll. Aber irgendwie doch nach Zauberkräften zu verlangen scheint.
Der Klub, der am Sonnabend in Leverkusen in die Plfichtspiele der neuen Saison startet, ist abgestiegen aus der Basketball-Bundesliga in die Pro A genannte zweite Liga. Er ist wirtschaftlich angeschlagen und hat Zuschauer verloren. Geschasste Trainer, zurückgetretene Manager oder Pressesprecher. Ein Sommer voller existenzieller Fragen. Außendarstellung: ausbaufähig. In einem TV-Interview sprach Ende Juli Gesellschafter Wolfgang Grube, dessen Rolle man vielleicht am treffendsten mit Ober-Eisbär beschreiben könnte, viel über die Defizite der anderen und weniger über die eigenen. Man hätte daraus schließen können, dass die schwierige Lage der Eisbären nicht so viel mit den Eisbären zu tun hat. Eher mit den Fans, die ausbleiben, mit Unternehmen, die nicht sponsern oder mit der Stadt, die zu wenig Geld zuschießt.
Zuletzt kam das alles geballt wieder hoch. Der neue Manager, der nach einer Zeit voller Ungewissheit und Stillstand Anfang August endlich gefunden war, trat Anfang September wieder zurück. Offiziell aus privaten Gründen. In der Szene kursiert eher die Version, dass Stephan Völkels Gründe sehr wohl mit der Situation des Klubs zusammenhingen.
Ruttmann fühlt sich Eisbären sehr verbunden
Die gute Nachricht für Nils Ruttmann: Kann ihm egal sein. Sein Blick muss natürlicherweise nach vorne gehen. Es ist sein gutes Recht, mit Stolz, Freude und Engagement an seine neue Aufgabe heranzugehen. Er fühle sich, sagt er, den Eisbären sehr verbunden. Es freue ihn, dass man an ihn gedacht habe bei der Besetzung des Geschäftsführer-Postens.
Seit 2014 ist Ruttmann, Single und 37 Jahre alt, ein hauptamtlicher Eisbär. Geboren in Tokio und aufgewachsen in Süddeutschland, hat er schon lange und in verschiedenen Vereinen mitgewirkt. Bis die Entscheidung fiel, den Job in einer Anwaltskanzlei mit einem Job im Basketball-Business zu tauschen. Ruttmann nahm das Angebot aus Bremerhaven an und stieg dort auf zum Nachwuchsleiter. Zudem war er zuletzt auch Vorstandsvorsitzender des Eisbären Bremerhaven e.Vs.
Die Aufgabe, die nun vor ihm liegt, ist die, die schon sein Vorgänger Völkel skizziert hatte: Konsolidierung und Entschuldung, was die Finanzen, neue Attraktivität, was den Sport, neue Fannähe, was das Image anbelangt. Die Eisbären drückt eine Schuldenlast, von der es heißt, sie betrage 800 000 Euro. Ruttmann sagt, er habe noch keinen detaillierten Überblick. Seinem derzeitigen Kenntnisstand nach seien es weniger, um die 650 000. Was dann aber immer noch 650.000 Euro zu viel wären. Mittelfristig will auch die Pro A ein positives Eigenkapital bei seinen Vereinen sehen, ehe eine Lizenz vergeben wird. In der ersten Liga wird aktuell sogar ein positives Eigenkapital von 250.000 Euro verlangt.
Man darf davon ausgehen, dass Nils Ruttmann weiß: Das wird eine Herkules-Aufgabe. Das wird dauern. Ein Klub, der über Jahre als Erstligist Schulden angehäuft hat, will sich als Absteiger in die zweite Liga entschulden. Zweite Liga heißt erst mal: weniger klangvolle Gegner, zögerliche Zuschauer, skeptische Sponsoren. Die Stadt als Hautsponsor des Klubs fördert weniger als in der ersten Liga. In dieser Saison beträgt der Zuschuss 320 000 Euro.
"Ich weiß, dass das nicht in drei Wochen geht, den Klub schuldenfrei zu bekommen", sagt Ruttmann. Er glaube jedoch an das große Potenzial der Eisbären am Standort Bremerhaven und habe in den ersten Gesprächen festgestellt, dass "wir auf einem guten Weg sind". Wolfgang Grube sagt in einer am Mitwochabend versandten Pressemitteilung, dass Nils Ruttmann ein "strukturell starker Geschäftsführer und in Bremerhaven "auch gut vernetzt" sei. Ruttman spricht von einer großen Herausforderung. Zufall oder nicht: Ein paar Minuten später wählt er die Steigerungsform. Er sagt: "Das ist eine eine Riesen-Herausforderung."
Saisonstart in Leverkusen
Am Sonnabend um 20 Uhr starten die Eisbären Bremerhaven in die Pflichtspiele der neuen Baskeball-Saison. Der aus der ersten Liga abgestiegene Klub tritt bei den Bayer Giants aus Leverkusen an. Eine Woche später, am Sonnabend, 28. September, steht um 19 Uhr in der Bremerhavener Stadthalle das erste Heimspiel an. Gegner sind dann die Panthers Schwenningen. Das Eisbären-Team um Trainer Michael Mai hatte zuletzt verheißungsvolle Testspiel-Ergebnisse erzielt. So konnten sie sich gegen den belgischen Erstligisten VOO Liège Basket mit 89:73 durchsetzen. Liga-Konkurrent Artland Dragons konnten sie in zwei Duell mit 87:77 beziehungsweise mit 70:66 besiegen.