2020 wird Karate olympische Disziplin. Auch der Bremer Karateka Edgard "Eddi" Merkine will dann dabei sein. Doch die Konkurrenz ist groß.
Eddis linkes Bein schnellt in die Höhe, nur wenige Zentimeter vor dem Hals des Gegners stoppt der in einen roten Schutz verpackte Fuß. Die perfekte Entfernung, das gibt drei Punkte. Gegner und Trainer Sergej Hanert springt zurück. Er greift den 15-jährigen Eddi mit der Faust an. Ein Punkt für ihn. Dann nimmt Hanert seinen Karateschüler Eddi, wirft ihn mit dem Rücken auf die blaue Gymnastikmatte und täuscht einen Schlag mit der Faust in den Bauch vor. Noch mal drei Punkte für den Lehrer. Doch Eddi steht wieder auf, kickt prompt mit dem Fuß, als sei es das normal, dass jemand sein Bein so präzise und hoch strecken kann.
Karate wird in vier Jahren zum ersten Mal überhaupt bei den Olympischen Spielen dabei sein. „Das gibt uns einen Schubs nach vorn“, sagt Trainer Hanert, der an Eddi glaubt. Eddi heißt eigentlich Edgard Merkine und gilt als eines der größten Talente des Bremer Karate-Sports in der Disziplin Kumite. Das zumindest versichern Hanert und der Geschäftsführer des Bremer Karateverbands, Horst Kaireit.
Eddi ist Teil des C-Kaders auf Bundesebene. Deshalb fährt er in Wettkampfzeiten jedes Wochenende nach Duisburg, wo er mit dem Bundestrainer Thomas Nitschmann übt, erzählt der Schüler. 2015 war er Deutscher Jugendmeister in seiner Gewichtsklasse, dieses Jahr wurde er Vize-Juniorenmeister. Zudem hat er zahlreiche regionale Wettkämpfe wie die Belgian Open gewonnen. Stolz zeigen seine Eltern und der Trainer ein Handy-Video von einem Kampf. Bei der Nippon Karateschule in Bremerhaven trainiert Landestrainer Hanert mit ihm zwei bis vier Mal pro Woche, zusätzlich macht er zwei Mal in der Woche Fitnesstraining.

Hat dazu beigetragen, dass Karate olympisch wird: Horst Kaireit vom Bremer Karateverband
Nicht nur für Nachwuchssportler wie Eddi ist die Entscheidung, dass die japanische Kampfsportart olympisch wird, eine große Chance. In Tokio dürfen 96 Athleten um acht Goldmedaillen kämpfen. Pro Disziplin treten zwölf Sportler an. Jeweils ein Platz wird für einen Japaner reserviert und einen weiteren Platz vergibt das Internationale Olympische Komitee (IOC) per Wildcard. „Bei 116 Nationen wird das ein ganz schönes Hauen und Stechen um die Plätze“, sagt Kaireit, der die Weltmeisterschaft 2014 in Bremen mitorganisiert hat und sich mit Vertretern des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) getroffen hat, um für Karate als olympische Disziplin zu werben. „Wir rechnen damit, dass Deutschland zwei bis drei, maximal vier Sportler schicken wird,“ sagt er. Die Chance, dass darunter ausgerechnet ein Bremer sein wird, dürfte gering sein. Aber wenn Eddi sich in den kommenden vier Jahren weiter so gut entwickele, meint Kaireit, sei nichts auszuschließen.
Karatesport erhält mehr Förderung
Doch in Bremen gibt es noch weitere Nachwuchskarateka, in die der Landesverband Hoffnungen setzt. Die beiden Bremer WM-Teilnehmer von 2014, Oliver Henning und Andreas Bachmann, haben ihre Karrieren beendet. Deshalb liegt der Fokus auf den Nachwuchskarateka. In der zweiten Karate-Disziplin neben dem Kumite, dem Kata (Kampf gegen imaginäre Gegner), ist dies Norick Rüffer vom Verein SKIP Bremen. Der Vize-Jugendmeister von 2015 startete in diesem Jahr bei der Europameisterschaft, gewann jedoch keinen Titel. Ebenso vielversprechend seien die Lück-Brüder: Andrew, Aaric und Aidan, sagt Hanert. „Dafür, dass Bremen der kleinste Landesverband ist, gibt es hier viele Talente“, sagt der Kata-Landestrainer, Kai Hoerder von SKIP Bremen.
Für den professionellen Karatesport in Bremen hat die Entscheidung, dass Karate olympisch wird, aber auch schon vor möglichen Titelgewinnen etwas Gutes: Die finanzielle Förderung steigt. Momentan erhält der Deutsche Karateverband jährlich etwa 170 000 Euro. Dies könnte sich steigern auf etwa 400 000 bis 800 000 Euro, schätzt Kaireit. Wie viel genau es sein wird, stehe noch nicht fest. Mit dem Anteil, der auf den Bremer Landesverband entfallen wird, kann hierzulande der Spitzensport besser gefördert werden.
„Wir investieren ein Drittel unseres Geldes in den Spitzensport“, sagt Kaireit. 25 000 bis 30 000 Euro stehen dem Bremer Karateverband jährlich zur Verfügung. Neben der Nippon Karateschule in Bremerhaven wird Leistungssport in Bremen-Nord beim Verein SKIP betrieben. 1500 Sportler sind in Bremen in 24 Karate-Vereinen organisiert, in ganz Deutschland sind es 170 000 Personen. Im Gegensatz zu anderen Olympia-Neuzugängen wie Skateboarding oder Klettern, die nun professionelle Strukturen wie Geschäftsstellen oder Landesverbände aufbauen müssten, seien die Karateka in Deutschland bereits sehr gut organisiert, betont Kaireit. „Wir haben wie im Fußball oder Handball auch Bundesleistungszentren und einen wissenschaftlichen Beirat.“

Volle Konzentration auf das Ziel.
Mit Karate lässt sich kein Geld verdienen
Nichtsdestotrotz ist Karate eine Randsportart. Geld verdienen lasse sich damit nicht und auch die Unkenntnis der Öffentlichkeit sei noch groß, sagt Hoerder. „Viele Leute denken, dass man beim Karate Bretter durchhauen muss.“ Hoerder freut sich daher, dass Karate mehr Aufmerksamkeit erhalten wird, wenn es 2020 im Fernsehen zu sehen sein wird: „Es wäre schön, wenn es einen Boom in den Karateschulen gäbe.“ 2014 blieb der Boom nach der WM aus. Ob Karate auch 2024 an den olympischen Spielen teilnehmen wird, entscheidet sich erst im kommenden Jahr.
Vier Jahre sind es noch bis zu den Olympischen Spielen. „Das ist noch etwas hin“, gibt Eddi zu. Viel Zeit also, in der er sich weiter beweisen muss. Am 13. November hat er die nächste Möglichkeit dazu. Dann geht es wieder zu den Belgian Open in Leuven. Die haben ihm ja schon einmal Glück gebracht.