Geschafft. Gerettet. Der Basketball-Standort Bremerhaven bleibt erstklassig. Was bis zum Schluss der Saison auf des Messers Schneide stand, ging am Ende gerade noch mal gut aus für die Eisbären. Die Bremerhavener Seestädter gewannen ihr letztes Saisonspiel daheim gegen die Gießen 46ers nach einer Nervenschlacht mit 87:74 (39:47). Und auch die Konkurrenz spielte mit.
Science City Jena leistete die erforderliche und erwartete Schützenhilfe und hielt die "Rockets" aus Erfurt mit 85:81 in Schach. Erfurt und Tübingen belegen damit die beiden Abstiegsränge. Bremerhaven ist als Drittletzter der Tabelle gerettet. Nachdem der erste Jubel verhallt war und sich die Erleichterung bei allen, die es mit den Eisbären halten, breitgemacht hatte, stellte sich die Frage: Was war nervenaufreibender?
Die 40 Minuten Basketball der Eisbären gegen Gießen, wo die Gastgeber bis ins dritte Viertel hinein schon wie der Verlierer aussahen? Oder das Warten danach? Denn in Jena waren nach der Schlusssirene in der Stadthalle Bremerhaven noch einige Sekunden zu spielen, die sich für Eisbären-Spieler, Verantwortliche und 3420 Zuschauer wie Stunden angefühlt haben müssen.
Immer wieder wurde auf den Live-Ticker von Smartphones und Laptops gestarrt, man konnte zeitweise ungläubige Gesichter erkennen, denn Erfurt holte in Jena auf. Aber es reichte nicht für die Rockets. Jena hielt stand und sicherte den Eisbären Bremerhaven endgültig den Klassenverbleib. Mit Freibier, Fangesängen und Hallenliedern wie "Oh, wie ist das schön" oder "So ein Tag, so wunderschön wie heute" wurde nach Verkündung des Endstandes aus Jena durch Hallensprecher Wolle Loock endlich zünftig gefeiert.
"Diese Sekunden waren extrem schwer zu ertragen!" Eisbären-Trainer Arne Woltmann atmete auf der Pressekonferenz tief durch. Es schien, als ob er diese unvermeidlich harte Zugabe ganz am Schluss schwerer verarbeiten konnte als alle bis dato erhaltenen Niederschläge.
Denn mit dem Druck, unbedingt selbst gewinnen zu müssen, wurden Woltmann und seine Spieler in der entscheidenden Spielphase recht gut fertig. Das gut verlaufene erste Viertel (24:23) drehten die Mittelhessen in einen recht ansehnlichen Acht-Punkte-Halbzeitvorsprung. Zu diesem Zeitpunkt offenbarten die Eisbären altbekannte Schwächen wie unnötige Fouls oder vergebene Nahdistanz-Würfe.
Bremerhavener kamen in einen Flow
Im dritten Spielabschnitt drohte die Partie aus Sicht der Eisbären wegzugehen (41:52). "Wir hätten auf 15 Punkte wegziehen können", sagte Gäste-Coach Ingo Freyer, "haben dann aber die einfachsten Sachen aus unerklärlichen Gründen nicht gemacht. Dann haben wir das Spiel nicht nach Hause gebracht", schloss der Gießener Trainer sein Statement.
Und er sagte noch etwas Bedeutsames. Nämlich, dass die Bremerhavener in einen Flow gekommen wären. Jeder einzelne Bremerhavener Spieler. Und dann wäre die Halle wieder da gewesen, als die Norddeutschen aus eben diesem 41:52-Rückstand ein 68:58 bis zum Ende des dritten Viertels zauberten. Geoffrey Groselle, Carl Baptiste, Jordan Hulls und vor allem Johnny Berhanemeskel hießen die Matchwinner.
Der Kanadier Berhanemeskel traf gleich drei Dreier in Folge, und Jordan Hulls machte nach Dreier-Fehlwurf von Ivan Elliott mit einem gewonnenen Offensiv-Rebound sowie dem anschließenden Buzzer-Beater den schier unglaublichen 29:11-Viertelgewinn perfekt.
Im Schlussabschnitt spielten die Eisbären die letzten zehn Minuten nahezu perfekt herunter, Michael Kessens und Johnny Berhanemeskel mit seinem vierten Dreier bauten den Vorsprung sogar bis auf zwischenzeitlich 14 Zähler aus. Und dann begann das große Zittern bis zum finalen Sirenenton in Jena. Der Erfolg, er hat ja bekanntlich am Ende meist mehrere Väter.
Der Trainer, Arne Woltmann, klar, er ist einer davon. Er glaubte immer an den Klassenerhalt, das hatte er auch nach der schmerzlichen Niederlage beim FC Bayern München zwei Tage zuvor schon gesagt. "Wir haben dort und in anderen Spielen ja nicht gespielt wie ein Absteiger. Wir haben gute Typen in der Mannschaft und wenn die Mannschaft daran glaubt, dann fällt es dem Trainer auch leichter", so Woltmann.
Aber auch sein Co-Trainer Chris Harris gehörte zu denen, die gedanklich immer positiv gestimmt waren. "Klar war es eine harte Saison und am Ende nicht einfach. Aber Arne hat die richtigen Worte gefunden", sagte der 39-jährige lachend. Dritter im Bunde war nach Informationen aus dem Trainer-Team Carl Baptiste.
"Selbst auf der Rückreise aus München, als wir beinahe den Flieger verpasst hätten, hat Carl die Mannschaft mit seinen positiven Emotionen getragen", berichtete Arne Woltmann. Und im Spiel gegen Gießen sowieso. Top-Scorer und immer präsent: Carl Baptiste war neben den bereits genannten Eisbären-Spielern ein ganz entscheidender Akteur auf dem Parkett.
"Er hat, als es im dritten Viertel darauf ankam, das komplette Paket seiner Fähigkeiten abgerufen", lobte Arne Woltmann. "Er hat den Anschwung gegeben, und Johnny Berhanemeskel hat mit seinen drei Dreiern in Folge das Ruder herumgerissen." So hat sich in den letzten Augenblicken einer für die Eisbären Bremerhaven alles andere als rund verlaufenen Saison doch noch alles zum Guten gewendet.
Sie haben letztlich mit ihrem Durchhaltevermögen alles richtig gemacht. Sie haben die Flinte nicht ins Korn geworfen und bis zum Ende alles gegeben. "100 Prozent" war auf jedem der Sitze in der Stadthalle Bremerhaven zu lesen. 100 Prozent sollten Spieler und Fans für den Klassenerhalt geben, sie taten es. Und vielleicht konnte man am Ende auch Folgendes erkennen: Der Glaube, er kann manchmal tatsächlich Berge versetzen.
Eisbären Bremerhaven: Johnson, Kessens (10), Breitlauch (3/1 Dreier), Berhanemeskel (16/4), Bleck (8/2), Hulls (13/1), Bussey, Elliott (2), Hundt, Brembly (n.e.), Baptiste (23/3), Groselle (12).
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