Eigentlich schien das Kapitel Handball für Kevin Kuhnigk schon geschlossen zu sein. Denn seine Leidenschaft ließ sich mit seinem Beruf des Fluglotsen nicht so richtig verbinden. „Der Schichtdienst macht es einfach schwer, zu den Trainingseinheiten und zu den Spielen zu kommen“, sagt der 31-Jährige. In einem Pflichtspiel hatte er das letzte Mal als A-Jugendlicher auf dem Platz gestanden, also vor mehr als einem Jahrzehnt. Doch jetzt ist er zurück – und ist beim Landesklassisten HSG Phoenix sofort gut eingeschlagen.
Ein bisschen eingerostet fühle er sich noch, sagt Kevin Kuhnigk und lacht. Dabei sprechen zwölf Tore nach zwei Spielen eine andere Sprache. Glatt laufe dennoch noch nicht alles, findet er. Nach der langen Pause ist er aber nicht verwundert. Er genieße momentan vor allem das Gefühl, wieder den Ball in der Hand zu haben. Das war auch der Grund, aus dem er im Januar einfach mal beim Phoenix-Training vorbeischaute. Sein Arbeitskollege und Freund Alexander Hähnsen hatte ihm von seiner Mannschaft, der HSG, erzählt. „Eine coole Truppe“, war Kuhnigk schnell überzeugt vom Team, das damals noch von Sascha Drogt trainiert wurde.
Mittlerweile steht Christoph Schweitzer an der Seitenlinie. Der Coach war sofort begeistert von dem 2,02-Meter-Hünen. „Kevin ist riesengroß, reaktionsschnell und sehr beweglich“, schwärmt er. „Man sieht sofort, dass er eine gute Handballausbildung genossen hat.“ Das hat Kuhnigk in der Tat: Er war für die Reinickendorfer Füchse aktiv, mittlerweile besser bekannt als Handball-Top-Adresse Füchse Berlin. Hier spielte auch sein Vater Klaus, der es sogar zum Nationalspieler geschafft hat. „Klar, dass Handball dann auch mein Sport wurde“, sagt Kuhnigk. Wie sein Vater spielte er auf Linksaußen.

Trainer Christoph Schweitzer hält viel von Kevin Kuhnigk.
Als er seine Ausbildung in Frankfurt begann, verschoben sich jedoch die Prioritäten. Das Berufsleben hatte Vorrang. Doch genau dieses brachte Kuhnigk, der 2011 nach Bremen zog, in Kontakt zu Hähnsen und somit auch zurück zum Handballsport. Große Ambitionen, das gibt er ehrlich zu, habe er nicht mehr gehabt. Einfach ein bisschen spielen, reinkommen, ein Hobby wieder aufleben lassen, ein paar neue Jungs kennenlernen. Das, was einen Menschen eben dazu bewegt, Sport zu treiben.
Auf einmal am Kreis
Wegen seiner Statur hielten Schweitzer und nach dessen Aussage auch Drogt Kuhnigk stets für einen Rückraumspieler, einen Shooter, der einen Block mit seiner Größe mühelos überspringt. „Aber dann haben wir ihn einfach mal am Kreis spielen lassen“, erinnert sich Schweitzer und fügt an: „Und das war richtig gut.“ Auch Kuhnigk selbst war verwundert darüber, dass er kaum Anlaufschwierigkeiten hatte. „Es hat wirklich gut geklappt. Und dann bin ich auf dieser Position geblieben.“
Für Phoenix hat das einen entscheidenden Vorteil: Kuhnigk ist quasi das genaue Gegenstück zu Gerrit Nordmeier, dem anderen Kreisläufer im Kader. Er ist kleiner, gedrungener, dafür kräftig und wuselig. Schwer zu packen für die Verteidiger. Kuhnigk macht dagegen Anspiele an den Kreis auch in der zweiten Etage möglich. Dabei war er zu Beginn seiner Handballpause selbst „nur“ 1,80 Meter groß. „Ich hatte einen späten Wachstumsschub“, sagt er. Dank diesem bereichert er das HSG-Spiel um eine weitere Facette. Im Rückraum hätte die Schweitzer-Sieben gar nicht so großen Bedarf gehabt. Dort ist sie unter anderem mit Willi Dück und Alexander Hähnsen gut aufgestellt. Phoenix hat viele Waffen. Kuhnigk ist nun eine weitere, die die Hoffnungen schürt, dass das Team in der kommenden Serie in der Landesliga spielt.
An dem Top-Start mit zwei Siegen in zwei Landesklassen-Spielen hatte er bereits seinen Anteil. Doch Kuhnigk weiß auch: Da geht noch mehr. Schließlich muss er sich noch etwas an seine neue Rolle gewöhnen. Auch in der Defensive. Dort muss er nun im Mittelblock seinen Mann stehen, in der Jugend agierte er meist vorgezogen oder auf den Außen. „Meine Freundin hat sich sehr gefreut, als ich mit den ganzen blauen Flecken nach Hause gekommen bin“, flachst er. Dort, wo er jetzt steht, wenn die Angriffe auf das Phoenix-Tor zurollen, geht es richtig zur Sache. Doch Kuhnigk gewöhnt sich an sein neues Spiel in Abwehr und Angriff. „Tatsächlich hat sich am Anfang alles sehr falsch angefühlt. Langsam komme ich aber immer besser rein. Es macht mir am Kreis echt Spaß, auch wenn es ein ganz anderes Handballspiel ist.“
Jetzt blickt er gespannt voraus auf die kommenden Aufgaben. „Ich kenne die Liga und unsere Gegner nicht. Es ist schwer zu sagen, wo für uns die Reise hingeht.“ Eines weiß er dagegen sicher: „Wir haben auf jeden Fall Potenzial, aber das müssen wir auch jedes Mal abrufen. Wenn wir Konstanz entwickeln, sind wir schwer zu schlagen.“