Da war dann auch noch die Sache mit dem Hund. Ein treuer Begleiter, wie man so gern sagt, ist Billy dem Basketball-Trainer Michael Mai gewesen. Es gab dieses Gefühl, das jeder Hundebesitzer kennt. Ob Michael Mai, Trainer der Eisbären, nun gut oder nicht so gut oder auch gar nicht gut gelaunt nach Hause kam, ob er euphorisiert war von einem Erfolg seines Teams oder maximal frustriert wegen einer Niederlage, es war egal: Billy war immer gut drauf. Der Labrador sei ein wirklich guter Freund geworden, erzählt Mai. Er habe Billy so gemocht.
In diesem Sommer ist Billy gestorben. Das kam auch noch dazu in diesem Sommer. Mai, gebürtiger Amerikaner, zögert nicht bei der Frage, wie die letzten Wochen und Monate für ihn waren. „Very taff“, sagt er. Auch wenn er der dritte Trainer der Eisbären in der vergangenen Saison war und derjenige, der die meisten Siege errang: Er war am Ende dann der Eisbären-Coach, der nach 14 Bundesliga-Jahren in Folge den Abstieg in die ProA genannte zweite Liga nicht verhindern konnte.
Richtig taff wurde es allerdings erst nach dem Abstieg, weil über Monate nicht feststand, ob es überhaupt einen Neuanfang in der ProA geben wird. Es gibt ihn, das ist nun seit ein paar Wochen klar. Am Montag konnte Mai, Wunschtrainer der Eisbären für den Neuaufbau in der zweiten Liga, im Trainingscenter am Amerikaring acht Spieler zum ersten Tag der Saisonvorbereitung begrüßen. Das Gros der Mannschaft, die es in den Wochen der Ungewissheit nicht mal mehr als Torso gab, ist verpflichtet. Mit Joshua Braun, der noch in Australien ist und am Montag noch fehlte, sind bereits neun Profis unter Vertrag.
Mai berichtet, dass er ein gutes Netzwerk mit guten Spieler-Agenten habe. Als endlich klar war, dass es für ihn und für das Team eine Zukunft geben werde in Bremerhaven, konnte er sein Netzwerk nutzen. Es wird seine Mannschaft, die da demnächst aufläuft. Er ist Headcoach und Sportchef in einer Person. Vor einem Jahr hatte vorwiegend der neu eingestiegene Dan Panaggio als neuer Sportdirektor den Kader zusammengestellt, mit dem Trainer Arne Woltmann dann arbeiten sollte. Das Resultat ist bekannt.
Zu Mais neuen Spielern gehören zwei alte Spieler. Adrian Breitlauch und seit Montag nun auch offiziell Anthony Canty. Das sei gut fürs Zusammenwachsen des Teams, sagt Geschäftsführer Stephan Völkel, auch ein neuer Alter. Der 48-jährige gebürtige Hagener hatte bis 2013 für vier Jahre im Trainerstab der Eisbären gearbeitet und kehrt nun in neuer Funktion nach Bremerhaven zurück. Im Gespräch macht er um die schweren Eisbären-Wunden keinen Bogen. Zuschauerschwund, Altlasten, Abstieg. Ja, das Image habe ziemlich gelitten zuletzt, sagt Völkel. Wieder ein Magnet für Publikum und Sponsoren werden, wieder attraktiv sein, wieder Fannähe herstellen, also die Eisbären wieder zu dem machen, was sie mal dargestellt haben – das ist die leicht ausgesprochene und schwer umzusetzende Herausforderung.
Eisbären lernen Eisbären kennen
„Wir wollen uns erst mal konsolidieren“, sagt Völkel. Das ist zunächst der Hauptsatz fürs große Ganze, er gilt fürs Sportliche wie fürs Wirtschaftliche. Rein wirtschaftlich ist es so, dass den Klub, der das Budget hart kürzen musste nach dem Abstieg, hohe Altschulden belasten. Die müssen weg. Für die erste Liga sowieso, da müsste noch viel mehr als eine komplette Schuldentilgung her. Aber auch für die ProA müssen die Altschulden, angeblich rund 800 000 Euro, abgebaut werden. Ab 2022 ist in Liga zwei ein positives Eigenkapital Pflicht. Sonst wird die Lizenz entzogen. „Es gibt da einige Ansätze“, sagt Völkel, belässt es aber bei dieser vagen Formulierung.
Ganz konkret ist dieser Montag am Amerikaring ja auch erst mal ein Kennenlern-Tag. Medien begegnen den Eisbären, Mai zeigt auf seinem Smartphone ein Bild von seinem neuen Ladrador. er hat jetzt eine junge Hündin. Und vor allem treffen Eisbären auf Eisbären. Viele Spieler, die nun ein Team bilden, sprechen an diesem Tag ein erstes Mal miteinander. Dass Breitlauch und Canty da sind, findet Manager Völkel gut und wichtig. Es sei nicht zu unterschätzen, sagt er, wenn man Spieler im Team habe, die die Stadt bereits kennen.
Anthony Canty kennt Bremerhaven sehr gut. Geboren in Berlin, kam er mit 16 an die Nordsee und in die Jugendabteilung des Klubs. Nach sechs Jahren in der Fremde kehrte er im vergangenen Sommer zurück. Und eigentlich sei gleich nach dem Abstieg in diesem Frühjahr für ihn klar gewesen, dass er so nicht weggehen möchte aus Bremerhaven. „Ich will Teil der Mannschaft sein, die das hier wieder umdreht“, sagt er. Dass es so lange gedauert hat, bis er seinen Vertrag nun endgültig verlängerte, habe lediglich an ein paar Kleinigkeiten gelegen. Der Plan mit dem Umdrehen, das wird bei diesem Saisonstart-Termin zum zentralen Thema. Tradition zurückbringen, Sympathien zurückgewinnen, wieder Spiele gewinnen, gute Stimmung haben. Spieler, Trainer, Manager – sie alle reden viel davon an diesem Tag.
Auch Adrian Breitlauch spricht davon. Er hat die größte Bremerhaven-Bindung im Team, er kommt von hier. Seit drei Jahren schon verdient er sein Geld als Eisbären-Profi. Bindung hin, Bindung her: Als in diesem (um nicht zu sagen: taffen) Sommer auf einmal der komplette Rückbau des Profi-Basketballs in der Seestadt zur Disposition stand, musste auch er sich umschauen, wo er bleibt.
Die Eisbären seien klar seine erste Option gewesen nach dem Abstieg. Aber was nützte das schon in der ungewissen Konstellation danach? „Da kamen dann schon spannende Angebote“, sagt Breitlauch. Doch er wartete. Schließlich gab die Klubführung grünes Licht für die ProA, nachdem eine städtische Gesellschaft den Marketing-Zuschuss von 330 000 Euro freigegeben hatte. „Bremerhaven ist halt mein Verein“, kann nun Adrian Breitlauch sagen, „es ist mein erstes Mal in der ProA und ich freu' mich drauf.“ Neue Städte, neue Hallen, neue Gegner, das habe ja irgendwie auch seinen Reiz.
Und dass die zweite Liga in sportlicher Hinsicht eher so etwas ziemlich Reizloses ist, kann man auch nicht behaupten. „Es ist eine Profiliga“, sagt Stephan Völkel. Er stellt die These auf, dass die zweite Liga von heute stärker ist als jene erste Liga, in die die Eisbären Bremerhaven vor knapp anderthalb Jahrzehnten eingezogen waren. Dass der Plan mit dem Umdrehen ein ambitionierter ist, das ist dann schon mal klar.