Professionelle Sprayer wollen dem sanierten Sebaldsbrücker Tunnel gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Stadtteil ein neues Gesicht geben. In dem Atelier an der Hemelinger Bahnhofstraße 9 wollen die Projektleiter interessierten Jugendlichen die Grundlagen des Graffiti-Sprühens vermitteln und Ideen für die Gestaltung des Tunnels sammeln. Geöffnet ist jeden Freitag von 15 bis 18 Uhr.
Der Putz bröckelte von der Decke, es war feucht, überall lag Müll herum und die Wände waren beschmiert: Der Fußgängertunnel unter die Bahnstrecke hindurch, der Sebaldsbrück und Hemelingen verbindet, war lange ein Schandfleck. Das soll jetzt anders werden. Nach der Sanierung des Tunnels will der Verein Sozialpädagogische Familien- und Lebenshilfe (Sofa) ihn mit professionellen Sprayern und Jugendlichen aus dem Stadtteil mit Graffiti verschönern. So soll verhindert werden, dass sich Sprayer dort wieder illegal austoben. Morgen eröffnet das Graffiti-Atelier „Sebaldsbrookyln“.
Einen Teil der ehemaligen Schlecker-Filiale an der Hemelinger Bahnhofstraße 9 hat das sechsköpfige Team rund um Projektleiter Jan-Henning Göttsche vom Verein Sofa mit einem schwarzen Vorhang abgeteilt. Gesprühte Plakate aus einem früheren Projekt zeigen, was mit Sprühdosen möglich ist. Die Dosen selbst stehen auf einem Regal an der Wand. Es gibt Tische und Stühle, und Raum für Kreativität. Hier können Jugendliche aus Hemelingen im Alter von 14 bis 19 Jahren in den kommenden Wochen und Monaten jeden Freitag von 15 bis 18 Uhr mehr übers Sprayen lernen und Motive ausprobieren. Aber auch erwachsene Hemelinger sind eingeladen, Ideen einzubringen oder sich zu informieren.
Wände suchen – ganz legal
Richtig sprayen können Professionelle und Jugendliche im Atelier allerdings nicht. Dafür müssen sie sich – legal – Wände in der Umgebung suchen, sagt Jan-Henning Göttsche. Die Profis wollen schon bald den Grundstein für die Gestaltung des Tunnels legen, die Jugendlichen können dann später mitsprühen. Bis Mai oder Juni will das Team um Jan-Henning Göttsche rund 20 Jugendliche finden, die mitmachen wollen. Dafür arbeiten sie auch mit Schulen und anderen Einrichtungen aus dem Stadtteil zusammen.
Das Gesamtkonzept entwerfen die Profis, sagt Göttsche. Die Entwürfe, die im Atelier entstehen, sollen vom Beirat Hemelingen abgesegnet werden. „Es wird sich alles auf den Stadtteil beziehen“, erklärt Patrick Przewloka von der Graffitiagentur „Atx Artworx“, der zusammen mit dem Kunstpädagogen Sven Dankleff die künstlerische Leitung des Projektes übernimmt. Abgesehen von dieser Vorgabe ist aber vieles möglich: Menschen, Technik, Gegenwart, Vergangenheit, Alltagsszenen. Patrick Przewloka hat vor 20 Jahren angefangen zu sprayen. „Damit kann man sich ausdrücken“, sagt er.
Auch Adem Sahantürk von Atx Artworx ist als Stadtteilbotschafter bei dem Projekt dabei und für Integration zuständig. Gemeinsam mit Peter Stöcker von der Gestaltungsagentur „Lucky Walls“ hatte er früh in der Diskussion um die Verschönerung des Sebaldsbrücker Tunnels im Ausschuss für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung Hemelingen die Idee vorgestellt, den Tunnel „einzufrieren“ und Gegenstände und Situationen aus der Geschichte Hemelingens in einem Tunnel aus Eis darzustellen. Die Kosten waren den meisten Ausschussmitgliedern mit rund 125 000 Euro aber zu hoch.
Die Kosten für das Projekt mit dem Verein Sofa belaufen sich laut Ortsamtsleiter Ullrich Höft auf rund 68 000 Euro für Personal und Material. Es werde mit Globalmitteln, Mitteln aus dem Programm „Soziale Stadt“ und Impulsmitteln finanziert. Ein Antrag bei der Stiftung Wohnliche Stadt laufe noch. „Es ist gut, dass dieser Schandfleck wieder zu einer bunten Verbindung zwischen den Ortsteilen wird“, sagt Beiratssprecherin Gabriele Bredow (SPD). Auch, dass Jugendliche aus dem Stadtteil beteiligt werden, halten sie und die anderen Beiratsmitglieder für wichtig. So gestaltete Flächen würden von anderen Sprayern eher respektiert und nicht übersprüht. Eine Versiegelung soll die Bilder zusätzlich vor dem Übermalen schützen.
Angegriffen werden könnte das Kunstwerk trotz der Sanierung des Tunnels auch durch eindringendes Regenwasser. Das Amt für Straßen und Verkehr hat den Tunnel zwar so weit wie möglich abgedichtet, die Deutsche Bahn will das Tragwerk aber nicht sanieren. Das bestätigte jetzt noch einmal Ortsamtsleiter Ullrich Höft. Die Künstler könnten aber die Bilder so anlegen, dass eventuelle Wasserspuren nicht auffallen oder sogar eingebunden werden.
Das Atelier „Sebaldsbrookyln“, Hemelinger Bahnhofstraße 9, ist freitags von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Wer sich über den Fortgang des Graffiti-Projektes informieren möchte, wird auf facebook, Stichwort „Freiraumgestaltung“ fündig.