Zwischen dicken Schilfgürteln schlängelt sich die Wümme durchs Blockland. Enten hinterlassen auf dem Wasser Wellenkeile. Die Luft ist klar. Reetgedeckte Fachwerkhäuser schmücken wie Perlen die Uferkette. Was in dieser Idylle fehlt, ist ein Schleusenwärter.
„Der letzte war sechs Jahre da und ist mit Ende der Saison in den Ruhestand gegangen“, sagt Timo Schröder, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Petra Heinemann das Lokal Dammsiel führt, zu dem die Schleuse gehört. Bewerber für die offene Stelle gibt es nicht. Findet sich bis zum nächsten Frühjahr niemand, müssen Motorboote und Kanuten womöglich vor der Schleuse kehrtmachen.
Denn sie stehen vor einem unlösbaren Problem: 2,50 Meter Höhenunterschied im Wasserlauf gleicht die Dammsiel-Schleuse aus. Mit 41 Metern Länge und sechs Metern Breite ist sie die größte Schleuse im Wümmedeich. Während der Saison von Mitte April bis Mitte Oktober passieren zwischen 9 und 21 Uhr hauptsächlich Sportboote und Kanuten. Hauptverkehrszeiten sind an den Wochenenden und an Feiertagen. „Die Mitglieder der Wassersportvereine in Gröpelingen nutzen die Schleuse“, ergänzt Timo Schröder, „und die Parzellisten sind mit ihren Booten entlang der kleinen Wümme unterwegs“. Hinzu kommen die Torfkähne aus Richtung Bremen, die Touristen ins Blockland und zur Gaststätte Dammsiel bringen.
Saison-Job
„Bremen sucht den Schleusenwärter“, betitelte unlängst das Online-Magazin Float die Not der Wirtsleute und schrieb: „Die Schleusenwärter gehen aus“. So dramatisch, sagt Timo Schröder, sei die Lage nicht. Tatsächlich aber fällt es Petra Heinemann immer schwerer, jemanden für diesen Saison-Job auf 450-Euro-Basis zu finden. „Ein Schleusenwärter muss sieben Tage in der Woche den ganzen Tag da sein“, nennt Timo Schröder den größten Haken. Urlaub oder ein freies Wochenende sei darum von April bis Oktober nicht möglich. „Es wäre praktisch, wenn ein älteres Ehepaar den Job übernehmen würde oder Rentner sich die Aufgabe teilen könnten“, so der 39-Jährige.
Kostenlose Nutzung von Wochenendhaus
Heinemanns Stellenbeschreibung bietet dafür ein kleines Schmankerl: „Der Schleusenwärter darf kostenlos unser zweigeschossiges Wochenendhaus mit einer Fläche von rund 60 Quadratmetern und kleinem Garten nutzen. So muss er oder sie abends nicht nach Hause fahren.“ Nur die Nebenkosten müssten beglichen werden. In seiner Arbeitszeit ist der Schleusenwärter oder die Schleusenwärterin flexibel: „Der letzte hat sich von den Bootseignern auf dem Mobiltelefon anrufen lassen, wenn diese vor der Schleuse standen.“ Oder es läutete eine der Glocken, die es am Ufer gibt. Im Sommer, wenn mehr Betrieb ist, sitzt der Schleusenwärter im kleinen Turm an der Brücke und öffnet und schließt die Tore. Vor allem aber muss der neue Schleusenwärter schnacken können: „Er sollte ein Interesse für Boote, Wasser und Menschen mitbringen“, wünscht sich Schröder. Technisch und rechtlich müsse er sich nicht unbedingt auskennen. „Er bekommt eine Einweisung“, sagt Heinemann.
Die Zeit läuft. Delegieren können Heinemann und Schröder die Suche nach einem Schleusenwärter nicht, denn das Gasthaus Dammsiel hat die gelernte Restaurantfachfrau in fünfter Generation vom Bremischen Deichverband am rechten Weserufer gepachtet. Und dazu gehört der Betrieb der Schleuse. Fünf Generationen lang war das kein Problem, sagt Heinemann: „Als meine Eltern Pächter waren, war es einfacher, jemanden zu finden“, denn von den Parzellisten in der Nachbarschaft habe sich immer jemand gefunden, der die Schleuse bedient hat. Den letzten Schleusenwärter zu finden, sei schon schwierig gewesen. „Und die Zeiten werden nicht einfacher“, glaubt Petra Heinemann. Menschen mittleren Alters hätten keine Zeit für so einen Job. „Das ist eher etwas für Rentner, und die möchten gern reisen und nicht den ganzen Sommer an einem Ort verbringen.“
Meldet sich bis März niemand, wird Koch Timo Schröder neben seiner Arbeit in der Gaststätte Dammsiel die Schleusentore öffnen und schließen. Das, betont er, wäre eine Notlösung. „An ruhigen Tagen ginge das“, sagt Petra Heinemann. Bei schönem Wetter aber, wenn der Biergarten Dammsiel bis auf den letzten Platz besetzt sei und vor den Schleusentoren die Boote Schlange stehen, würden beide in die Bredouille geraten.
Der „Bremische Deichverband am rechten Weserufer“, dessen Geschäftsführer Wilfried Döscher ist, will sich übrigens nicht zu dem Thema äußern. Als kompletten Unsinn bezeichnet Döscher, dass es für die Schleuse Dammsiel zurzeit keinen Schleusenwärter gibt – und das ab Frühjahr den Wassersportverkehr behindern könnte. „Die Suche nach einem neuen Schleusenwärter ist ein ganz normaler Vorgang“, so Döscher. Bis jetzt habe sich immer jemand für den Job gefunden.
Weitere Informationen
Wer sich als Schleusenwärter bewerben möchte, meldet sich unter Telefon: 0421 / 64 07 33 im Gasthaus Dammsiel. Geöffnet ist das Lokal freitags ab 17 Uhr, sonnabends und sonntags sowie an den Feiertagen ab 11 Uhr.