Während derzeit seitens der Bundesanstalt für Immobilienaufgabe (Bima) Anstrengungen laufen, die Gifte im Boden des Tanklagers Farge abzuschöpfen oder mittels Mikroorganismen zu beseitigen, kamen drei Schülerinnen auf die Idee, es einmal mit Pilzen zu versuchen. Im Rahmen einer Projektarbeit an der Oberschule an der Egge wählten Melina Biedermann, Viktoria Giotas und Sina Teiwes den Austernpilz, eine häufig heimische Pilzart aus, um zu testen, ob er Schadstoffe im Tanklager Farge abbauen kann. Ihre Arbeit wurde kürzlich im Rahmen des „Jugend forscht“-Wettbewerbs im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus präsentiert.
Wenn es um die Sanierung belasteter Böden oder Gewässer geht, fällt die Wahl meist auf Bakterien. Unter diesen Mikroorganismen können einige Arten Erdölbestandteile oder Benzol verdauen und die Moleküle dieser Giftstoffe molekular so weit aufbrechen, dass nur noch harmlose Reste übrig bleiben. Bakterien sind jedoch ungeeignet, wenn es sich um Stoffe handelt, die sich in Wasser nur schlecht lösen. Zu ihnen gehören die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), die in Dieselkraftstoffen oder Schmierölen enthalten sind – sie gefährden im Tanklager Farge die Bodenlebewelt sowie Grundwasser und Trinkwasser. Die PAKs heften sich an Partikel im Boden, sind somit für Bakterien, die sich nur in Wasser oder dünnen Flüssigkeitsfilmen aufhalten, kaum zugänglich.
Anders ist es bei der extrem artenreichen Gruppe der Pilze. Sie durchziehen mit feinem Fadengeflecht jeden Winkel des Bodens, eben dort, wo die Giftstoffe sitzen. Über ihre mikroskopisch feinen Fäden können die Schadstoffe ins Innere der Pilze gelangen und dort von Enzymen abgebaut werden.
Der von den Schülerinnen für ihr Projekt ausgewählte Austernpilz ist als Verwandter des Champignons auch ein Speisepilz, dessen Geschmack an Kalbfleisch erinnert. Am häufigsten wächst er auf Rotbuchen, benötigt also Holz als Substrat. Am Stamm von Bäumen lassen sich die grauen bis dunkelbraunen Fruchtkörper als halbkreisförmige Gebilde erkennen. Der Austernpilz kann aber auch in Kultur auf Sägespänen, Papier oder Stroh gezüchtet werden.
„Über Rainald Brede von der Bima erhielten wir eine Probe mit Tanklager-Erde“, sagt Viktoria Giotas, eine der forschenden Schülerinnen. „Die Pilze bezogen wir aus dem Internet, und wir nahmen zusätzlich auch Kontakt zur Bürgerinitiative Tanklager Farge auf, die uns mit Informationen versorgte.“ Als Versuchsgrundlage diente ein kleines Aquarium. Dort hinein kam die Tanklager-Erde, auf die Pilzsubstrat, Rindenmulch und Holzspäne gebettet wurden. Um die Erde feucht zu halten, haben wir täglich Wasser zugegeben und mit einer Frischhaltefolie über dem Becken die Verdunstung reduziert“, sagt Sina Teiwes.
Im Dezember 2018 setzten die Schülerinnen den Versuch an, der insgesamt über 41 Tage lief. In dieser Zeit hat der Pilz seine feinen Schläuche, das sogenannte Myzel, im Erdreich sprießen lassen, nahm so über die fadenartigen Gebilde die Schadstoffe auf. Um nachzuweisen, ob die Austernpilze tatsächlich Schadstoffe in ihrem Gewebe anreichern, gab es chemische Analysen per Gaschromatografie. Eine gängige Nachweismethode für Gemische aus Kohlenwasserstoffen, die aufgetrennt und quantitativ bestimmt werden können. Als Resultat von acht Proben, die von der Firma Düring gemessen wurden, erhielten die Schülerinnen Ausdrucke mit fein gezackten Kurven, die eine Vielzahl von Kohlenwasserstoffen unterschiedlichster Moleküllänge sowohl in Tanklager-Erde wie in den Pilzen nachwiesen. „Allerdings konnten wir mit der Methode ausschließlich aromatische Kohlenwasserstoffe nachweisen, die Konzentration anderer Moleküle dieser Stoffklasse war zu gering“, sagt Viktoria Giotas.
Hohe Werte in Pilzproben
Im Vergleich zur Tanklager-Erde, die keinen Kontakt zu Pilzen hatte, zeigten die Pilzproben deutlich höhere PAK-Werte. Im Boden ohne Pilze lagen die Werte zwischen 1,1 und 2,7 Mikrogramm pro Milliliter, in den Pilzen zwischen 7,3 und 35,8 Mikrogramm pro Milliliter – ein deutlicher Hinweis auf die Akkumulation der Schadstoffe.
Allerdings gilt grundsätzlich bei Projekten zu beachten, dass Messungen eine Vielzahl von Proben benötigen, um statistisch abgesichert zu sein. In diesem Schülerprojekt unter anderem, weil die Schadstoffe im Boden keineswegs homogen, sondern sehr uneinheitlich verteilt sind. Auch wegen der Kürze des Versuchszeitraums konnte das Pilzmyzel nicht das gesamte Bodenvolumen durchdringen. Nicht zuletzt hängt auch die Aufnahmekapazität der Pilze von der Ausbildung des Fruchtkörpers ab, der im Versuch noch nicht vollständig gebildet war.
„Pilze wären ein mögliches Mittel, um die kontaminierten Böden im Tanklager Farge zu reinigen“, ist Viktoria Giotas überzeugt, „allerdings würden wir es nicht gut finden, wenn Tiere die Schadstoffe aufnehmen, indem sie die Pilze verzehren und davon womöglich krank werden.“ Für die Schülerinnen war es die erste eigenständige, wissenschaftliche Arbeit mit Experimenten im Labor. „Das Forschen auf eigene Faust hat uns großen Spaß gemacht, und wir haben dabei viel gelernt“, sagt Viktoria Giotas. Die Schülerinnen können sich vorstellen, solche Forschungen zu wiederholen. Derzeit stehen allerdings Abiturprüfungen im Fokus.