Der erste Donnerschlag wird die Besucher des Hellseatic-Festivals in Blumenthal bereits am Eingang erwarten. Das jedenfalls ist der Plan des Veranstalters. 14 Bands werden am 9. und 10. September beim Heavy-Metal-Festival auf der Bühne stehen. Den Freunden der harten Klänge wird ein zumeist weicher Kern nachgesagt. Den wird Holger Müller, künstlerischer Leiter der Theaterwerkstatt der Hochschule Bremen, auf die Probe stellen. Denn er möchte mit künstlerischen Mitteln während des Festivals auf die Nazi-Historie der Bremer Woll-Kämmerei (BWK) aufmerksam machen. Mit sogenannten "performative Acts", theatralen Bildern, möchte er eine Intervention schaffen. "Wir wollen stören, irritieren", sagt Möller. Er findet, dass die politische Dimension an diesem geschichtsträchtigen Ort nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Bei den Veranstaltern stieß die Idee auf Interesse.
Dabei darf das künstlerische Kontrastprogramm durchaus als drastisch bezeichnet werden. Historisch ist die Bremer Woll-Kämmerei auch mit Zwangsarbeit und Deportation verknüpft. Dies wird Möller in seinen theatralen Bildern aufgreifen. "Ich stelle mir vor, einen originalgetreu gekleideten Deportationszug darzustellen, der sich über das Gelände bewegt", gibt Möller ein Beispiel. Ein weiteres mögliches Bild: ein Arzt in weißem Kittel, der Deportierte ausmisst - als Mahnruf auf einschlägige Nazimethoden. Auch Paul Celans "Todesfuge" soll präsentiert werden. "Für mich ist dies eines der eindrucksvollsten Gedichte aus dieser Zeit", erläutert Möller. Er möchte mit seiner Aktion auch einen Bezug zum Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme auf der Bahrsplate in Nachbarschaft des BWK-Geländes herstellen.
Das Vorhaben ist so ambitioniert, wie es herausfordernd ist. Denn Möller sucht für seine Performance noch Mitwirkende. Denn durch die lange Corona-Pandemie kann er nicht in dem Maße auf Studierende zurückgreifen, wie er es üblicherweise kann. Rund anderthalb Jahre sei keine Arbeit mit der Theaterwerkstatt möglich gewesen. Der Zeitplan ist eng. Das macht die Herausforderung dieses Projektes noch größer. Möller bringt das nicht aus der Ruhe: "Ich bin erfahren genug, um die Sache trotzdem umsetzen zu können", sagt er. Allerdings werde er sich beim aktuellen Vorhaben mehr am bestehenden Skript orientieren und weniger auf Impulse der Darsteller eingehen. Das Skript hat Möller gemeinsam mit Frank Stuckenbrok erarbeitet, der verwandtschaftlich verbunden ist mit André Stuckenbrok – Mitveranstalter und Chef der Musikszene Bremen.
Schauspielerische Vorerfahrung ist für ein Mitwirken nicht unbedingt notwendig, denn ein Großteil der Bilder soll non-verbal umgesetzt werden. Allerdings müssten Interessierte Zeit für Probentermine mitbringen. Gerade in der heißen Phase vor dem Festival werde viel geprobt werden müssen, räumt Möller ein.