Lüssum-Bockhorn. Mit blauer Kreide malen Alyan und Khalil ein großes Rechteck auf den Boden. Sie unterteilen es in zehn Felder und schreiben die Ziffern von null bis neun in je ein Feld. „Und nun bildet ihr mit Eurem Körper die Zahl 9810“, sagt Lehrerin Lena Preuß. Die beiden Jungs müssen ihre Arme und Beine schon gewaltig strecken, damit sie die Zahlenfelder erreichen. Doch auf allen Vieren schaffen sie es und können in dieser Position sogar mehrere Liegestütz machen.
„Mathematik kombiniert mit Bewegung ist ein Bestandteil der Climb-Lernferien“, sagt Mirela Müller, Lokalkoordinatorin dieses Ferienprojekts in Bremen, das derzeit in der Tami-Oelfken-Schule in Bremen-Nord stattfindet. Rund 25 Grundschüler aus der ersten bis vierten Klasse nehmen daran teil.
Hinter Climb steckt ein Sozialunternehmen, das im Jahre 2012 in Hamburg von drei jungen Frauen gegründet wurde. Es will von Armut besonders gefährdeten Grundschülern und jungen Erwachsenen in den Schulferien zwei Wochen lang Lern-Unterstützung bieten. Climb steht für „clever lernen, immer motiviert bleiben“ und will Kindern, denen besonders viele Hürden in den Weg gelegt werden, auf ihrem Lebensweg helfen. „Deshalb liegt der Fokus bei den Climb-Lernferien auf der Zukunftsfähigkeit der Kinder", sagt Mirela Müller. Konkret heiße dies: Training von Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen, Rücksicht, Teamfähigkeit sowie Planungs- und Umsetzungskompetenz.
Seit April 2019 ist Bremen einer der neuen Climb-Standorte, und an der Tami-Oelfken-Schule wurden bereits in den Herbstferien 2019 die ersten Stunden gegeben. Coronabedingt musste die Fortsetzung in den Osterferien 2020 ausfallen. Nach den Lockerungen der Kontaktverbote können nun in den Sommerferien dieses Jahres die Lernferien weitergehen, wenn auch unter strengen Hygiene-Auflagen mit kleineren Gruppen.
Studenten helfen
Mirela Müller erzählt von ihren Erfahrungen mit den Schülern, berichtet davon, dass beispielsweise Lernen sehr viel erfolgreicher sei, wenn Spaß und Selbstbewusstsein mit von der Partie seien. „Doch die Climb-Lernferien wollen über diese zwei Wochen hinaus auch Impulse setzen, sich selbstständig weiterzuentwickeln.“ Mit dabei sind in der Tami-Oelfken-Schule außer dem Climb-Team auch drei Freiwillige, die den Unterricht mit den Kindern mitgestalten. „Lehramtsstudenten oder Jugendliche, die später einen pädagogischen Beruf ergreifen wollen, können bei den Climb-Lernferien praktische Erfahrungen sammeln“, sagt Müller. „Deshalb kommen besonders junge Leute von der Universität Bremen zu uns, um uns zu unterstützen.“ An zwei Wochenenden werden sie laut Müller mit den Unterrichtsmethoden und dem Lernstoff vertraut gemacht.
Während Alyan und Khalil draußen ihren Umgang mit Zahlen durch Bewegungsspiele trainieren, sitzt die „Schildkrötenklasse“ im Schulgebäude und übt sich in Textverständnis. In mehreren Sätzen werden Sportarten wie Badminton oder Surfen vorgestellt. Wenn der Text besprochen ist, kann anschließend jedes Kind ein Bild zum Thema malen. In der „Regenbogenklasse“ einige Klassenräume weiter wird ein Fächer aus Papier gebastelt – der während der heißen Sommertage darüber hinaus einen hohen Gebrauchswert hat. Als der Fächer fertig gefaltet ist, bringt schnelles Wedeln den Kindern etwas Kühlung. „Deutsch und Mathematik bilden in den Climb-Lernferien einen festen Bestandteil, da diese Fächer Grundsteine für jeden weiteren Bildungserfolg sind“, sagt Müller.
Die Nachmittage sind allerdings dem Spiel gewidmet. Das schließe einen Lernerfolg durchaus nicht aus. So haben draußen auf dem Schulgelände die Kinder selbst einen Barfuß-Parcours gelegt: Blätter, Kies und Sand füllen Felder am Boden, die den nackten Füßen neuartige Tasterfahrungen bieten. Viertklässler Khalil, zehn Jahre alt, dessen Eltern aus Syrien stammen, hat sich besonders für das Fußballspielen am Nachmittag begeistert.
„Auf dem Programm stehen aber auch Themen wie ,Meine Stadt', ,Ernährung und Bewegung', Traumberufe sowie kleine Forscherprojekte“, sagt die Climb-Lokalkoordinatorin. Darüber hinaus freut sie sich über einen besonderen Umstand: „Wir haben das Glück, das für unser Projekt die Mensa auch in den Sommerferien geöffnet ist.“ So halten sich die Kinder von morgens bis in den späten Nachmittag in der Schule auf und erfahren Lernformen, die den Zusammenhalt in der Gruppe verbessern ebenso wie psychische Stärken trainieren. Kurz vor 16 Uhr, gibt es einen Abschiedstanz, der Freude auf den nächsten Tag machen soll.
Die Teilnahmegebühr beträgt im Übrigen 50 Euro pro Kind. Wer den sogenannten Bremen-Pass besitzt (ermöglicht Menschen mit keinem oder geringen Einkommen, am sozialen und kulturellen Leben teilzunehmen), kann kostenlos teilnehmen. „Mehrere Stiftungen und ein Fundraising-Projekt unterstützen uns derzeit finanziell“, sagt Mirela Müller, „und derzeit steht in Aussicht, dass uns auch die Bildungsbehörde in Zukunft fördern wird."
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