Borgfeld. Ihr Telefon steht zurzeit nicht mehr still. Sobald Jutta Malla den Hörer am Ohr hat, versucht die Bremer Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) zu vermitteln. Oft gerät sie dabei in Erklärungsnot, berichtet die 88-Jährige. „Unsere Mitglieder haben viel Geld gegeben, um das Projekt Dorfgemeinschaftshaus in Borgfeld zu unterstützen. Durch die Absage der Bremischen Bürgerschaft für einen Zuschuss und das geplatzte Projekt mit der Kirchengemeinde, sind viele verunsichert“, erklärt die Vorsitzende. Ihre Sorgen und Nöte seien groß. Mit einer fünfstelligen Summe haben die Mitglieder des Bundes der Vertriebenen in Bremen sich im Borgfelder Bürgerverein eingekauft, um ihr umfassendes Archiv im vermeintlich sicher geplanten Bürgerhaus unterzubringen. „Viele fürchten, dass das Geld nun weg ist“, sagt Malla. Doch das sei nicht so, unterstreicht die Vorsitzende.
Die Mittel seien dem Borgfelder Bürgerverein zwar überschrieben worden, „jedoch zweckgebunden an ein Archiv im Borgfelder Dorfgemeinschaftshaus gekoppelt“, erklärt Malla. Der Vorsitzende des Borgfelder Bürgervereins, Heiko Wagener, bestätigt das. „Die Mitglieder des Bundes der Vertriebenen gehören jetzt quasi zu uns“, sagt Wagener. „Aber die festgeschriebene Summe ist ausschließlich für das Archiv im zukünftigen Dorfgemeinschaftshaus vorgesehen.“
Suche geht weiter
Das bestätigt auch der Vorsitzende des Fördervereins für ein Borgfelder Dorfgemeinschaftshaus, Wendelin Seebacher, auf Nachfrage. Der Vertrag sehe vor, dass der Bund der Vertriebenen in Bremen über 30 Jahre lang Nutzungsrechte in dem zukünftigen Bürgerhaus habe. „80.000 Euro habe der Verein investiert“, erklärt Seebacher. Das Geld sei nicht weg. „Wir bemühen uns weiterhin, ein geeignetes Objekt in der Dorfmitte zu finden.“ Der Kauf eines Hauses sei finanziell gesichert. „Ich weiß nur nicht, woher wir die Fördermittel für den Unterhalt nehmen sollen, wenn das Ganze nicht auf breite Füße gestellt wird“, räumt der Fördervereinsvorsitzende ein. Denn zur Wahrheit gehöre auch, dass der Förderverein offiziell seit 2012 Mittel für das Projekt einwerbe. „Bisher jedoch ohne Aussicht auf ein Haus.“
Wie berichtet, hatte Seebacher über ein Jahr lang mit der Bremischen Evangelischen Kirche und der Borgfelder Kirchengemeinde verhandelt, um Gemeindeeinrichtungen auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei wurden Archive für den Bürgerverein und den Bund der Vertriebenen vorgesehen. Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) unterstützte das Projekt. Letztendlich wurde man sich jedoch nicht mit der Borgfelder Kirchengemeinde einig.
An dieser Stelle will Bürgervereinsvorsitzender Heiko Wagener noch einmal nachverhandeln. „Sobald die coronabedingten Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden, wollen Pastor Clemens Hütte und ich uns noch einmal im März zusammensetzen und über die Zukunft des Alten Borgfelder Pfarrhauses sprechen“, berichtet Wagener. „Die Verhandlungen laufen weiter“, unterstreicht der Bürgervereinsvorsitzende. Auch Jutta Malla will sich die Zuversicht beim Projekt Bürgerhaus nicht nehmen lassen. Ihr Verein habe gemeinsam mit der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen für Wissenschaft und Forschung die Aufgabe, „das vielfältige Kulturgut der Vertreibungsgebiete im Bewusstsein der Deutschen und des Auslands lebendig zu erhalten“, berichtet sie. Vor zwei Jahren habe sich der Bremer Bund der Vertriebenen darauf geeinigt, sich dem Borgfelder Bürgerverein anzuschließen.
Der Grund: „Viele bäuerliche Vertriebene und Flüchtlingsfamilien aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen und aus Bessarabien haben in Borgfeld nach dem Krieg zwischen 1955 und 1958 eine Bleibe gefunden“, berichtet die 88-Jährige, deren Vater, Erhard Rudolph, Siedlungsbeauftragter der Stadt Bremen war. 240 neue Siedlungshäuser wurden allein in Katrepel gebaut, berichtet die Vorständin. „Jede Familie erwarb ein Grundstück, groß genug für eine nebenerwerbliche landwirtschaftliche Betätigung, sowie ein Haus und einen Stall für eine Kuh und ein Schwein. Neben einer finanziellen Beteiligung mussten die Siedler viel Eigenleistung beim Straßen- und Hausbau erbringen“, berichtet Malla. Es sei ihr Anliegen, das hart erwirtschaftete Erbe der Vorfahren auch zukünftig sinnvoll anzulegen. Der Borgfelder Bürgerverein und ihr Verband hätten viele gemeinsame Ziele. „Jetzt muss nur noch alles unter Dach und Fach gebracht werden.“
Focke-Museum: Direktorin will mit Beirat ins Gespräch kommen
Bereits 2019 hatte der Borgfelder Beirat einen Antrag gestellt und um finanzielle Unterstützung für ein Bürgerhaus gebeten. Die Bremische Bürgerschaft hatte jedoch im vergangenen Sommer die Einstellung von Haushaltsmitteln für ein Borgfelder Bürgerhaus für das Jahr 2020 mehrheitlich abgelehnt, ohne den Beirat zu informieren (wir berichteten). Die Bürgerschaftsabgeordneten folgten stattdessen dem Vorschlag der Kulturdeputation und empfehlen den Borgfeldern nun, die Räume im Riensberger Focke-Museum für Veranstaltungen mitzunutzen. Das hat Heiner Stahn, Pressesprecher des Bremer Kulturressorts, auf Nachfrage mitgeteilt.
„Im Rahmen seines Erneuerungsprozesses wird das Focke-Museum zukünftig die Ideen eines Museums und eines Bürgerforums unter einem Dach vereinen“, berichtet die Sprecherin des Museums, Anne-Katrin Endler, auf Nachfrage. Bis 2026 solle dieser Prozess abgeschlossen sein. „Das Focke-Museum möchte verstärkt Forum für den gesellschaftlichen Dialog im Land Bremen, aber vor allem auch in den umliegenden Stadtteilen rund um das Museum sein.“ Sobald das Museum wieder geöffnet sei, werde ein Stadtlabor in Betrieb genommen, in dem Gemeinschaften, Initiativen und Vereine mit Unterstützung des Museums eigene Ausstellungen kuratieren könnten. Der Borgfelder Bürgerverein findet das Angebot interessant. Es ersetze jedoch keinesfalls ein Dorfgemeinschaftshaus vor Ort, unterstreicht dessen Vorsitzender Heiko Wagener.
Die neue Museumsdirektorin, Professorin Anna Greve, habe großes Interesse, mit dem Beirat Borgfeld, dem Bürgerverein und der Initiative Borgfelder Forum ins Gespräch zu kommen, „um mehr über die Bedarfe in Borgfeld zu erfahren, um diese im Zuge der Neuaufstellung zu berücksichtigen“, berichtet Museumssprecherin Endler weiter. „Die in Borgfeld lebenden Menschen sind eine für das Museum eine wichtige Zielgruppe, denen wir ein attraktives und auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Kulturangebot machen möchten.“
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