Borgfeld. "22 Euro für einen Stehplatz?", raunt es durch die Menschenschlange vor der Kasse. Nur noch zehn Minuten bis zum Beginn der Veranstaltung. Die Sitzplätze sind bereits restlos ausverkauft. Der promovierte Ethnologe und Botaniker Wolf-Dieter Storl sitzt geduldig in einer kleinen Ecke gegenüber des dicht umringten Büchertisches und schreibt Widmungen in Werke, Alben und auf Postkarten.
Schnell schieben die Veranstalter noch ein paar Stehtische vor den Tresen, während Storl vertraulich über Pflanzenmixturen mit einer Leserin fachsimpelt. Seine Augen leuchten. Flüsternd gibt Storl persönliche Ratschläge. "Die Seele der Pflanzen", "Mit Pflanzen verbunden" oder "Ich bin ein Teil des Waldes" heißen seine allgemeinverständlichen Publikationen, die der Autor an diesem Abend hunderte Male signiert. Dabei fallen Sätze wie: "Kennen wir uns?", und Antworten wie: "Nicht persönlich, aber wir haben eine Verbindung."
Über 200 Menschen strömten am Freitag abend ins Borgfelder Landhaus, um dem Heilpflanzen-Experten zuzuhören. Doch das Auditorium in den letzten Reihen zeigte sich genervt: Zu wenig Nähe, zu wenig "Vibrations" schwingen zwischen ihnen und dem Heilpflanzenguru. Ist dies der richtige Veranstaltungsort für einen "Schamanen aus dem Allgäu", fragt sich ein Ehepaar.
Intuition und Inspiration
Der Name Storl steht für Wildnis und Wälder, Intuition und Inspiration, für Philosophie und Feldforschung: 1942 in Sachsen geboren, als Elfjähriger mit den Eltern nach Amerika ausgewandert. Eine Kindheit in der Wildnis, später Interesse an Völkerkunde. Studium der Botanik, Promotion als Ethnologe, Lehrstühle in Wien, Oregon, Genf, Bern und Wyoming. Eine Großmutter, die zeitlebens keinen Arzt aufsuchte, Heilkräuter sammelte und damit Handel trieb. Enge Kontakte zu Medizinmännern und Schamanen verschiedener Naturvölker bereicherten Storls Wissen auf besondere Weise.
Enge Kontakte zu Naturvölkern in Asien, Afrika sowie Überlieferungen und Erzählungen alteingesessener Bauern in Europa prägen das Wissen des Gelehrten. Sein Freund Bill Tall Bull, Medizinmann der Cheyenne, den er während seiner Lehrtätigkeit am Sheridan College in Wyoming kennen gelernt hat, überzeugte ihn, dass die reine wissenschaftliche Analyse der Pflanzen wenig aussagekräftig sei. Das Gespräch mit den Pflanzen sei der Schlüssel zur Weisheit.
"Die Cheyenne reden nicht über Pflanzen, sondern mit ihnen", so Storls Botschaft. Sie nennen sie "das grüne Volk". Die besten Freunde der Menschen seien die Pflanzen. "Sie nähren uns, heilen und kommunizieren auf kosmische Weise."
Hier, zwischen Plastikblumen und Gelsenkirchener Barock, wirken die Botschaften Storls etwas gequält. Der charismatische Weise, der vor dem Vortrag noch in kleiner Gruppe vertraut plauderte, persönlich auf die vielen Fragen seiner großen Fangemeinde einging, hat es schwer, vor solch einer Menschenmenge etwas rüber zu bringen. Von der hochgelegenen Bühne aus versucht Storl wieder und wieder Brücken zum Publikum zu schlagen: Schnuppert an lebloser Saaldekoration neben seinem Rednerpult, steckt sich eine Seeadlerfeder ins Haar, singt, gestikuliert, zeigt Pflanzen und erzählt Anekdoten.
Und er bleibt mit seinen Ratschlägen wie "die besten Heilpflanzen wachsen zwischen Haustür und Gartenpforte" trotz aller Bemühungen weit hinter den Erwartungen seines Publikums zurück.