Borgfeld. Wenn sie zurückblickt, stand in ihrem Berufsleben der Kontakt zu unterschiedlichen Menschen stets im Vordergrund. Seit 2018 arbeitet Mareike Plagemann als systemischer Coach und teilt sich seit Februar dieses Jahres mit Ann Kristin Barth eine Praxis in Borgfeld. Und sie ist Mitglied des Netzwerks „Redezeit für dich“, in dem rund 300 Expertinnen und Experten einsamen, verzweifelten oder hilflosen Menschen auf Wunsch kostenlos zuhören und ihnen somit helfen, eine Krise zu bewältigen.
„Ich bin empathisch, habe aber Methoden gelernt, um Sorgen und Probleme auch wieder gehen zu lassen“, erzählt die 48-Jährige aus Borgfeld. Als gelernte Hotelfachfrau ist sie weit gereist, bevor sie sich wieder in Bremen niederließ, wo sie zuletzt die Leitung eines Studentenwohnheims übernahm. „Mich hat an der Berufswelt eigentlich immer gestört, dass alle aneinander vorbeihetzen“, schildert Plagemann ihre Eindrücke. Wie sie für sich erkannt habe, sei die Selbstfürsorge im Alltag äußerst wichtig. Dies sei letztendlich auch der Grund für die zweijährige Ausbildung zum systemischen Coach gewesen. "Es hat sich gelohnt“, sagt sie mit einem Lächeln. Denn die Arbeit und Gespräche mit Menschen unterschiedlichen Alters begeistere sie immer wieder aufs Neue.
„Man macht gar nicht viel, stellt Fragen, alles andere kommt aus der Person“, beschreibt Plagemann ihr Arbeitsfeld und fügt hinzu, dass eigentlich alles Gute und auch die Heilung bereits in uns vorhanden sei. Im Prinzip würde sie als Coach nur das hervorholen, was bereits da sei. Nach ihrer Schilderung sind manche Verhaltensmuster eben schon als Kind erlernt worden. „Sind wir so erzogen worden, dass wir den Ball immer schön flach halten und helfen, ist es schwierig, das wieder rauszubekommen.“
Es sei wichtig, dass man jemanden zum Sprechen und Zuhören hat, unterstreicht Plagemann, die beinahe von der ersten Stunde an die Initiative „Redezeit für Dich“ begleitet und unterstützt. Gegründet wurde sie im März 2020, also zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns, von vier praktizierenden Coaches aus Hamburg. Laut Julia Hisserich, Sprecherin der Initiative, ist das Projekt nach einem Aufruf über Social-Media-Kanäle rasant gewachsen, sodass binnen kürzester Zeit die Website www.virtualsupporttalks.de an den Start ging.
„Irgendwann kam die Idee auf, dass wir das Angebot schneller und einfacher zugänglich machen wollen. Für uns war es wichtig, dass man darüber eine Person finden kann, die auf das jeweilige Thema spezialisiert ist“, schildert Hisserich. Das Netzwerk umfasst mittlerweile mehr als 300 Psychotherapeuten, Sozialpädagogen sowie systemische Berater und wächst stetig. Interessierte haben die Möglichkeit, über Skype, Zoom, Whatsapp, Facetime oder Telefon mit den ehrenamtlich tätigen Zuhörern eine bis zu 30-minütige Redezeit wahrzunehmen. Zuvor muss per E-Mail ein Termin für das kostenlose Angebot vereinbart werden.
Laut Hisserich sei es immer schwierig, den ersten Schritt zu machen und sich jemandem anzuvertrauen. Oft sei es deutlich einfacher, mit einem Fremden über bestimmte Themen zu sprechen. „Feste Komponenten, die im Leben da waren, fallen gerade weg. Corona ist ein Brandbeschleuniger und richtet den Fokus darauf, was vorher schon da war“, so Hisserich.
So hat auch Mareike Plagemann die Erfahrung gemacht, dass es viele Dinge gibt, die man nicht so gern der Familie erzählen möchte. Bei älteren Menschen sei ihr aufgefallen, dass sie sich weniger Gedanken um sich selbst machen, sondern sich eher um ihre Kinder und Enkel sorgen. Ganz wichtig sei den Klienten die Anonymität, was sie daraus schließt, dass bei ihr die Redezeit meist über das Telefon läuft. „Ich habe schon erlebt, dass ich 30 Minuten nur zugehört habe. Wir bewerten nicht und geben auch nicht ungewollt einen Kommentar ab. Denn oft ist dies gar nicht nötig oder erwünscht“, so Plagemann.
Ein Team von zehn Personen managt bei „Redezeit für Dich“ alle anfallenden Aufgaben. „Wir machen das alles in unserer Freizeit“, sagt Hisserich, wobei sie hervorhebt, dass sich die Initiative ausschließlich durch Spenden finanziert. Um das Angebot noch passgenauer gestalten zu können, werden regelmäßige Befragungen unter den Coaches durchgeführt. „Aufgrund der Seitenaufrufe können wir schon darauf schließen, dass das Angebot auf große Resonanz stößt“, erläutert Hisserich, wobei sie erwähnt, dass durch die Kooperation mit der Online-Community familie.de eine weitere Plattform speziell für Familien entstanden ist, die unter www.virtualsupporttalks.de/familie abgerufen werden kann.
„Wir arbeiten nun an einem Ableger für die Generation Ü60, wo beispielsweise Themen wie soziale Vereinsamung im Fokus stehen sollen. Durch unsere Arbeit merken wir, dass es auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit gar nicht genug Angebote geben kann“, betont sie.
Weitere Informationen
Weitere Informationen gibt es unter www.virtualsupporttalks.de sowie unter www.mareike-plagemann.de im Internet.
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