Borgfeld/Lilienthal/Worpswede/Tarmstedt. Am Nachmittag um drei wäre noch ein Termin zum Sneaker kaufen frei. Und auch am nächsten Tag und in der Woche darauf gäbe es die Möglichkeit, zu shoppen. Das sagt Tanja Michaelis-Evers, Inhaberin eines Schuh- und Sportgeschäftes aus Tarmstedt. Auch bei Expert Kohle, einem inhabergeführten Elektrofachhandel in Borgfeld, ist die Dating-Liste für den Einkauf auf Termin ziemlich leer, berichtet Inhaber Günter Müller. Die Kundschaft zeige sich verhalten. Müllers Kollegin Martina Petershagen erklärt das so: „Es ist alles sehr viel umständlicher. Niemand kommt einfach nur zum Gucken vorbei. Wer etwas braucht, bestellt, nur wenige Kunden lassen sich einfach nur so beraten.“
Letzteres stellt auch Goldschmied Andreas Uphoff fest. Der Worpsweder würde gerne wieder regulär öffnen – er habe beim Gesundheitsamt nachgefragt. "Aber eine Absage erhalten", sagt er. Jetzt will er es über die Handwerkskammer versuchen. Peter Ehlers, Inhaber des Sporthauses Lilienthal, will ebenfalls normal öffnen. „Natürlich mit allen Corona-Regeln und beschränkter Kundenzahl – aber eben öffnen", unterstreicht der Geschäftsinhaber. "Die Menschen sind doch sensibilisiert, jeder hat Respekt vor Corona, wenn wir alle Auflagen wie vor dem Dezember-Lockdown einhalten, kann doch nicht viel passieren."
Kunden sind gehemmt
Die Einzelhändler sind sich einig: Zu umständlich, zu schleppend, zu wenig kundenfreundlich sei der Einkauf mit vorheriger Terminvereinbarung. „Wer jetzt nicht unbedingt etwas braucht, bleibt zuhause“, sagt Einzelhandelskaufmann Müller vom Borgfelder Elektrofachhandel Expert Kohle. Zwei Verkäufer schieben zurzeit Dienst. Für Kleingeräte wie Toaster oder Haartrockner können die Kunden eine halbe Stunde Beratungszeit buchen, für Waschmaschinen, Fernsehgeräte oder Geschirrspüler sogar eine ganze. „Montag lief es ganz gut an. Da hatten wir acht Termine. Heute gibt es bislang nur eine einzige Verabredung“, sagt Müller mit Blick in den Kalender. „Aber ich bin froh, dass es überhaupt ein bisschen läuft. Wir werden noch eine Weile kämpfen müssen.“ Er glaube nicht an eine baldige Entspannung der Lage.
Bei Tanja Michaelis-Evers in Tarmstedt laufen die Geschäfte ganz gut. „Die Kunden sind froh, dass sie wieder etwas anprobieren können. In den vergangenen Wochen sind viele ins Auto gegangen, um beispielsweise Schuhe eben schnell auszuprobieren, bevor sie damit ganz nach Hause fahren.“ Die Sportfachwirtin setzt auf Flexibilität und lange Öffnungszeiten. Bei ihr können die Kunden auch spontan vorbei kommen. Ihr Schuh- und Sportgeschäft konnte bereits schon vor vier Wochen wieder öffnen, „weil wir Baby- und Kinderschuhe verkaufen“, berichtet die Einzelhändlerin. „Wir durften allerdings keine Werbung dafür machen.“ Michaelis-Evers betreibt einen Online-Handel und hat eine Postagentur im Laden. Die Einzelhandelskauffrau ist dafür, dass alle kleinen Läden wieder öffnen dürfen. „Die Pandemie wird uns weiter begleiten. Wir haben die technischen Möglichkeiten und sollten sie nutzen, um wieder öffnen zu können, natürlich mit eingeschränkter Kundenzahl“, räumt die Geschäftsinhaberin ein. Sie wünsche sich eine Einkaufsapp, mit der sich die Kunden im Geschäft registrieren können – unter Freigabe der Daten für das Gesundheitsamt.
Dafür ist auch Peter Ehlers vom Sporthaus Lilienthal. "Mit Date & Collect laufen die Geschäfte schleppend. In drei Tagen hatte ich vielleicht sieben Verabredungen", berichtet der Geschäftsinhaber. "Die Leute kaufen, weil sie etwas Spezielles brauchen. Mal ein Theraband, ein paar Lauf- oder Fußballschuhe. Mein Laden ist kein Hotspot für Corona", sagt Ehlers. "Vor dem Lockdown lief doch alles, wir haben perfekte Hygienekonzepte." Von der Politik ist Ehlers enttäuscht. "Wenn ich meinen Laden so organisieren würde wie die Bundesregierung ihre Impfstrategie, wäre ich schon dreimal pleite."
Enttäuscht ist auch Andreas Uphoff, Inhaber der Silber- und Goldschmiede in der Worpsweder Bergstraße. "Die Kunden sind doch total gehemmt, wenn sie zuerst einen Termin vereinbaren müssen", sagt der Geschäftsinhaber. "Ich habe sowieso immer nur ein, zwei Leute im Laden." Der jetzige Kurs mit Date & Collect sei falsch, meint Uphoff. "Die Leute haben doch alle keine Lust mehr. Wir sollten wieder öffnen. Auch die Gastronomie. Es hat doch keiner Lust zu bummeln, wenn er nicht auch mal einen Kaffee trinken kann. Wenn wir nicht bald richtig öffnen, geht alles kaputt", sagt Uphoff.
Pro und Contra Termineinkauf
Seit diesem Montag sind die Einschränkungen für den Einzelhandel in einem ersten Schritt gelockert. Einzelpersonen und Haushalte können nach Terminvereinbarung wieder Geschäfte betreten, sich dort beraten lassen und einkaufen. Über dieses Modell, das den Namen "Date & Collect" trägt, gehen die Meinungen auseinander. Die Terminabsprache sei ein Hemmnis, unbefangen einkaufen zu gehen, sagen die einen. Besser als nichts, sagen die anderen. Brigitte Dieker aus Bremen ist Kundin der Worpsweder Goldschmiede Uphoff. "Ich war vor Ort und konnte spontan vorbeikommen", berichtet sie. Bei einer langfristigen Terminabsprache hätte sie sich "befangen gefühlt", sagt die Bremerin. "Einkaufen sollte spontan möglich sein, sonst ist man gehemmt."
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