Kontaktbörse "Feuer und Flamme" Neue Assistenz für Amor gesucht

Die Kontaktbörse „Feuer und Flamme“ der Stiftung Friedehorst hilft Menschen mit Behinderung bei der Partnersuche und wünscht sich dafür ehrenamtliche Unterstützung. Etwa 80 Paare sind in zehn Jahren entstanden.
08.07.2021, 12:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Neue Assistenz für Amor gesucht
Von Julia Ladebeck

Einmal in der Woche greift sie Amor unter die Arme. Schon seit fünf Jahren engagiert Marie-Helene Wichmann sich ehrenamtlich in der Kontaktbörse "Feuer und Flamme" der Stiftung Friedehorst. Die Börse ist ein kostenloses Angebot für Menschen mit Behinderung, die auf der Suche nach einem Partner, einer Partnerin oder nach Freundschaften sind. Weil die 42-Jährige Bremen im Herbst aus beruflichen Gründen verlässt, sucht sie jetzt gemeinsam mit Ute Osterloh, Leiterin des Friedehorster Freizeittreffs und Initiatorin der Kontaktbörse, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger.

Marie-Helene Wichmann wurde 2016 durch einen Zeitungsartikel auf "Feuer und Flamme" aufmerksam. "Ich hab mir damals überlegt, wie ich mich in meiner Freizeit engagieren könnte", erzählt die wissenschaftliche Mitarbeiterin. „Ich dachte sofort: Das würde mir Spaß machen“, erinnert sie sich. Berührungsängste hatte sie nicht. Durch ihren Bruder, der mit einem Down-Syndrom geboren wurde, war ihr der Umgang mit Menschen mit Behinderung vertraut.

Zwei Stunden pro Woche, immer dienstags von 16 bis 18 Uhr, ist die 42-Jährige seither im Freizeittreff Ansprechpartnerin für alle, die auf der Suche nach einer Partnerschaft oder nach neuen Freunden sind. Sie nimmt Anrufe von Interessenten entgegen und erstellt Steckbriefe der Kontaktsuchenden. "Dabei geht es um die Daten, Hobbys, Freundschafts- oder Partnerschaftswünsche", erläutert Wichmann. Äußerlichkeiten und Details zur Behinderung spielen nur eine geringe Rolle. Auch ein Foto kommt in den Steckbrief. "Außerdem besprechen wir genau, welche Daten weitergegeben werden dürfen", erläutert Marie-Helene Wichmann den weiteren Ablauf. 

Ist alles fertig, schaut die Ehrenamtliche, ob es jemanden in der Kartei gibt, der passen könnte. "Ich bin sozusagen der 'Tinder'-Algorithmus von Feuer und Flamme", scherzt Wichmann in Anspielung auf die mobile Dating-App "Tinder". Bei "Feuer und Flamme" läuft die Suche jedoch persönlich ab. "Wir wollen mit der Kontaktbörse auf keinen Fall ins Internet", betont Ute Osterloh, die die Kontaktbörse vor rund zehn Jahren ins Leben gerufen hat. "Wir bieten einen sehr geschützten Raum und stehen notfalls auch bei zwischenmenschlichen Problemen parat", ergänzt Wichmann. "Wenn einer von beiden etwa häufiger anruft, als der andere es sich vorstellt, sprechen wir mit dem Betreuer darüber", nennt sie ein Beispiel.

Wenn sie beim Vergleich der Angaben jemanden gefunden hat, der passen könnte, schickt sie beiden eine Nachricht. Bei gegenseitigem Interesse kann es ein Treffen geben. "Daten geben wir selbstverständlich nur mit Einverständnis weiter", betont Marie-Helene Wichmann. Rund 80 Paare sind auf diese Weise im Laufe der Jahre schon entstanden, schätzt Osterloh. Für den 33-jährigen Rainer Dierks hat Wichmann kürzlich eine mögliche Match-Partnerin gefunden und angefragt, ob auch bei ihr Interesse besteht. "Ich warte schon richtig lange und bin bestimmt schon acht Jahre in der Kartei", erzählt der junge Mann. Er wünscht sich eine möglichst gleichaltrige Freundin. Auch seine Begeisterung für Konzerte, Kinobesuche und Playstation-Spiele sollte sie nach Möglichkeit teilen. "Ich mag Actionfilme und Star Wars. Und ich gehe gerne shoppen", verrät er.

Dass Rainer Dierks schon lange auf eine Vermittlung wartet, hat auch damit zu tun, dass sich deutlich mehr Männer als Frauen an die Kontaktbörse wenden. Etwa 260 Steckbriefe enthält die Kartei derzeit, sagt Ute Osterloh, "darunter sind nur eine Handvoll Frauen". Sie hat die Erfahrung gemacht: "Einerseits trauen Frauen sich nicht so, andererseits finden sie schneller Kontakte bei der Arbeit."

Anika Huskamp ist eine der wenigen Frauen, die sich bei "Feuer und Flamme" angemeldet haben, und das schon zum zweiten Mal. Nachdem die Kontaktbörse gegründet wurde, war sie eine der ersten Nutzerinnen und lernte auf dieser Weise ihren Ex-Partner kennen. Nachdem die Beziehung zerbrochen ist, sucht sie nun erneut nach der großen Liebe. "Er sollte wie ich gerne Musik hören, spazieren gehen – und Werder-Fan sein", nennt die 35-Jährige einige Kriterien, die ihr wichtig sind.

Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind so ungeduldig, dass sie jede Woche bei Marie-Helene Wichmann anrufen. „Die erkenne ich schon an der Stimme", sagt sie lachend. Sie hat dafür Verständnis. „Unsere Klientinnen und Klienten sind Menschen, die es sonst wirklich schwer haben, eine Partnerin oder einen Partner zu finden.“ Sie hofft, dass sich für ihre Arbeit eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger findet, die oder der ebenso viel Spaß an dem Ehrenamt hat, wie sie selbst. "Es ist für mich immer ein Highlight, wenn ich im Freizeittreff bin. Vor allem ist es schön zu merken, dass sich alle sehr freuen, wenn ich mit ihnen telefoniere oder sie hier treffe." Die einzige Voraussetzung, die Interessierte mitbringen sollten, ist Offenheit, sagt Wichmann. "Und es sollte einem möglichst nicht peinlich sein, mit den Nutzerinnen und Nutzern auch über intime Dinge zu sprechen."

Zur Sache

"Feuer und Flamme"

Die Friedehorster Kontaktbörse "Feuer und Flamme" richtet sich an Menschen mit Behinderung, die auf der Suche nach einem Partner, einer Partnerin oder nach Freundschaften sind. "Feuer und Flamme" ist im Freizeittreff der Stiftung, Rotdornallee 64, in Haus Haus 59/61 angesiedelt. Geöffnet ist montags bis freitags von 13 bis 17 Uhr, telefonisch ist der Freizeittreff erreichbar unter der Telefonnummer 04 21 / 6 38 14 79.

Der Freizeittreff organisiert neben der Kontaktbörse auch Disco-Abende und in Kooperation mit der Lebenshilfe und dem Martinsclub Speed-Dating-Aktionen für Menschen mit Behinderung. Pro Familia berät in Absprache mit dem Freizeittreff zu den Themen Liebe und Sexualität. Außerdem besteht Kontakt zur Bremerhavener Partnervermittlung für Menschen mit Behinderung, "Schatzkiste".

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