Die Nachbarn an der Thielenstraße und an der Eickedorfer Straße können sich schon einmal auf eine duftende und blühende Wiese freuen – vor allem diejenigen, die in der Vergangenheit immer nur auf ein Garagendach schauten. Im Auftrag der Wohnungsbaugenossenschaft Espabau wurden dafür in den vergangenen Wochen die besten Voraussetzungen geschaffen. Vor wenigen Tagen wurde der fast 700 Quadratmeter große Dachgarten eingeweiht, den ein Team von Nachwuchsgärtnern der Grewe-Gruppe angelegt hat. Die Espabau leistete sich Kosten und Aufwand nach eigenen Angaben zum Wohle des Stadtklimas und der biologischen Vielfalt. Dabei hat sich die Geschäftsführung ein Beispiel an den kleinsten Bienenfreundinnen und -freunden aus dem Stadtteil genommen.
Den Auftrag hatte der Gartenbaubetrieb an eine fünfköpfige Mannschaft von Auszubildenden aus dem dritten Lehrjahr unter Leitung von Meister Frank Müller übertragen. „Wir haben das in drei Tagen gewuppt“, berichtete Hans Schindler, Auszubildender Grewe mit einigem Stolz. Zunächst musste das Garagendach gereinigt und mit einem Vlies belegt werden, auf dem anschließend 80 Kubikmeter Substrat verteilt wurden. In den Wochen davor hatten die Azubis die Anlage so geplant, dass Bienen und andere Insekten dort künftig reichlich Nahrung finden. Neben 35 Kilogramm Sedumsaat und 190 winzigen Sedumpflänzchen wurden 90 Blühstauden auf der Fläche und auf einem kleinen Hügel eingepflanzt: Darunter Glockenblumen und Edeldisteln, Lavendel, Katzenminze, Kräuter und Gräser, die als „Bienenweiden“ gelten. „Hat Spaß gemacht“, erklärt Azubi-Kollege Jan Wulferding. „Ich würde das sofort wieder machen“.
„Grünfläche ist ein Segen“
Das wäre auch ganz im Sinne von Elke Meier von der Bremer Umwelt Beratung (BUB) und von Jürgen Schnier, Leiter des Projekts Klimazone Findorff: „Vor allem in einem dicht bebauten Stadtteil wie Findorff“ sei eine solche Grünfläche ein Segen, so die Umweltberaterin. Laut BUB tragen grüne Haus- und Garagendächer gleich in mehrerer Hinsicht zu einem lebenswerten städtischen Wohnumfeld bei: Sie können Regenwasser zurückhalten, speichern und den Überschuss zeitverzögert abgeben und entlasten auf diese Weise die Kanalisation bei starken Regenfällen. Zudem verbesserten Gründächer das Stadtklima und fungierten als effektive Filter zur Luftreinhaltung. Durch die Verdunstung sorgten sie an heißen Sommertagen in ihrer Umgebung für einen willkommenen Kühleffekt, die Bepflanzung schütze die Artenvielfalt in der Stadt.
Mit all diesen Argumenten beschloss die Bürgerschaft im Mai dieses Jahres ein Ortsgesetz, das die Anlage von Gründächern bei Neubauten mit mehr als 100 Quadratmetern zwingend vorschreibt – aber reichlich Ausnahmen zulässt. So müssen Reihenhausflachdächer nicht begrünt werden. Auch einfache Hallenneubauten sind von der Vorschrift ausgenommen, weil die Gründächer besondere statische Voraussetzungen erfordern, die den Bau deutlich verteuern würden. Bis Ende 2018 förderte die Stadt die Anlage von Gründächern auf Neubauten und Bestandsgebäuden mit einem attraktiven Zuschuss. „Wir hoffen, dass es bald wieder neue Fördermaßnahmen gibt“, so Meier.
Der Dachgarten an der Thielenstraße war ein ganz und gar freiwilliges Projekt, das sich die Espabau einen mittleren fünfstelligen Betrag hatte kosten lassen. Dabei habe man sich vor allem von Findorffer Kindern „anstiften“ lassen, erklärte Günter Warners, Prokurist der Wohnungsbaugenossenschaft mit Sitz in Findorff. Die Kleinen aus der Kindertagesstätte Fidibus pflegen an der Meraner Straße einen bienenfreundlichen Kindergarten und betreiben ihre eigene kleine Imkerei. Ihr Einsatz zum Erhalt der biologischen Vielfalt wurde vor wenigen Tagen mit einer Auszeichnung der Vereinten Nationen belohnt. Bis die ersten Krokusse an der Thielenstraße aus der Erde schauen, müssen nun erst noch die Wintermonate abgewartet werden. Ganzjährig leuchtende Farbe, saftiges Grün und Blumen mit außergewöhnlicher Blühdauer pflanzte bereits Espabau-„Hausmaler“ Claus Lumma an die Seitenfassade des Nachbarhauses. Das Motiv: Eine Wildbiene auf grünem Grund.
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