Kirsten Braband sitzt in einem Behandlungsraum ihrer Physiotherapie-Praxis in Gröpelingen. Normalerweise hätten sie und ihre Mitarbeiter kaum Zeit auch nur für eine kurze Verschnaufpause, sagt sie. Das war in Vor-Corona-Zeiten. Oder genauer, bis Anfang der Woche: Am Sonntag hatte die Bundesregierung neue Einschränkungen verkündet, seitdem müssen Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseure, Kosmetikstudios, Tattoo-Studios und auch Massagepraxen geschlossen bleiben. Dies habe in ihrer Praxis und auch bei anderen Physiotherapeuten zu einem Einbruch geführt. „Am Montag haben reihenweise Patienten abgesagt, wir verzeichnen einen Rückgang um 80 Prozent. Dabei sind die Physiotherapie-Praxen explizit nicht von den Schließungen betroffen. Medizinisch notwendige Behandlungen bleiben weiter möglich, das war aber zu unkonkret formuliert, viele Menschen haben das missverstanden“, sagt Braband.
Gemeint seien Studios, Hotels und andere Betriebe, die Wellness-Massagen anböten. Dies habe nichts mit medizinischen Massagen oder Lymphdrainagen zu tun, die auf ärztliche Verordnung von Physiotherapeuten übernommen würden. Physiotherapeuten gehörten zu der Gruppierung, die angehalten sei, die Versorgung erkrankter Patienten aufrecht zu erhalten und dies auch gesetzlich müssten – um älteren Menschen die Mobilität zu erhalten, Schmerzpatienten adäquat zu behandeln oder operierte Patienten wieder in Bewegung zu bringen, damit es nicht zu Folgeschäden komme.
Kündigungen und Schließungen sind nicht ausgeschlossen
Der Patienten-Einbruch bringe die Praxis zudem in existenzielle Nöte, wie Braband sagt. Sie beschäftige acht Mitarbeiter. „Wie lange das weiter gehen kann, ist fraglich. Einige Praxen haben bereits ihren Betrieb eingeschränkt, müssen über Kündigungen und Schließungen nachdenken.“
Diese Sorge treibt nicht nur Braband um: Die Lage für diese sogenannten Heilmittelerbringer ist durch Corona so ernst, dass sie sich in in einem offenen Brief an die Politik gewandt haben. „Die Politik nimmt Verschwinden der Therapiepraxen in Kauf“ beklagt darin der Spitzenverband der Heilmittelverbände. Die Sorge ist groß, dass Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden oder Podologen nicht in den Unterstützungspaketen des Bundes und der Länder berücksichtigt werden. Das hätte fatale Folgen: Je mehr selbstständige Praxisinhaber in der aktuellen Lage in finanzielle Schwierigkeiten gerieten oder gar Insolvenz anmelden müssten, desto schlechter sei künftig die städtische Infrastruktur für diese Berufsgruppen.
angeschlossen, darunter auch der Bremer Bildungsträger „Arbeit, Bildung und Soziales“, genannt Arbis, und dessen Muttergesellschaft, das Sozialwerk der Freien Christengemeinde Bremen. Die Arbis betreibt zwei Ergotherapiepraxen, die ebenfalls mit unzähligen Therapieausfällen zu kämpfen haben, erklärt Geschäftsführerin Nicole Nullmeyer. Viele Patienten gehörten zu Risikogruppen, anderen sei nicht klar, dass der Betrieb weiter läuft. Weil der Fokus der Ergotherapeuten auf der Arbeit mit psychisch Erkrankten liege, sei teilweise eine telefonische Behandlung möglich. Aber beispielsweise Besuche in Pflegeeinrichtungen seien nicht mehr möglich. Und das sei nicht nur für ihre Mitarbeiter, sondern auch für die Patienten schwierig: „Die Belastungen bei den Patienten sind sehr groß.“
Videosprechstunden
Physiotherapeutin Braband sieht eine Chance für Patienten und Therapeuten darin, dass es den Praxen wegen der Corona-Pandemie jetzt leichter möglich ist, auch Videosprechstunden anzubieten und mit den Kassen abzurechnen. Dies hätten der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung und die Krankenkassen beschlossen und gelte auch für andere Therapien.
In Ländern wie Schweden, wo Patienten lange Fahrtwege hätten, sei dies seit Langem fester Bestandteil der medizinischen Versorgung. „Das bieten wir jetzt auch an. Übungen können unter Anleitung von Therapeuten per Video, etwa über Whatsapp oder Facetime, stattfinden. Gerade in dieser schwierigen Zeit muss gewährleistet sein, dass kranken Menschen weiterhin geholfen wird“, betont Braband. Patienten würden wie gewohnt einen Termin ausmachen und besprechen, wie die Videobehandlung funktioniere. Probleme für ältere Patienten sieht sie nicht: „Viele nutzen Smartphones, Computer und soziale Netzwerke sehr aktiv. Ansonsten können auch Angehörige behilflich sein.“
Nach Angaben des Bremer Gesundheitsressorts müssen sich Therapeuten und ähnliche Berufsgruppen nicht um ihre Existenz sorgen: „Die genannten Berufsgruppen werden sowohl von finanziellen Hilfen aus Bremen, als auch über die kommenden Hilfen der Bundesebene abgedeckt“, erklärte Sprecher Lukas Fuhrmann auf Nachfrage. Sie seien sowohl antrags- als auch förderberechtigt.