Offene Jugendarbeit Verteilungskampf ums Budget für Jugendarbeit

Mehrere Angebote für Kinder in Gröpelingen sind bei der Verteilung des Budgets für die offene Jugendarbeit leer ausgegangen und fürchten nun um ihre Existenz.
25.01.2019, 06:30 Uhr
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Verteilungskampf ums Budget für Jugendarbeit
Von Anne Gerling

Fünf beliebte und bewährte Angebote für Kinder in Gröpelingen und Oslebshausen stehen womöglich unmittelbar vor dem Aus: Die Trägervereine hinter dem Spielhaus Wilder Westen, dem Mobilen Atelier und dem Kinder- und Jugendatelier im Atelierhaus Roter Hahn sowie den Spielhäusern Bexhöveder Straße und Wohlers Eichen schlagen Alarm, nachdem ihnen überraschend Mittel aus dem Topf für die offene Jugendarbeit gestrichen worden sind.

Der für die Verteilung des Stadtteilbudgets verantwortliche Controllingausschuss (CA) hatte am 22. Januar nochmals seine im Dezember getroffene Entscheidung bekräftigt, das in diesem Jahr erstmals überzeichnete Budget von rund einer Million Euro ausschließlich auf Einrichtungen zu verteilen, deren Angebote sich vorrangig an Jugendliche – und nicht an Kinder – richten. Die nicht zum Zuge gekommenen Träger fordern nun die Rücknahme dieser Entscheidung; ihnen zufolge könnten rund 450 Mädchen und Jungen im Stadtteil von den Kürzungen betroffen sein.

„Wir sind schockiert über die Vorgehensweise und die Entscheidung des Controllingausschusses, die unserer Ansicht nach der Angebotsstruktur in Gröpelingen nicht guttut“, kritisiert Christiane Gartner, Geschäftsführerin von Kultur vor Ort. Das Team ihres Vereins lädt seit 2007 Gröpelinger Kinder und deren Familien zur künstlerischen Arbeit im Mobilen Atelier direkt in den Wohnquartieren und im Kinder- und Jugendatelier Roter Hahn ein und wird unter anderem vom Lions Club Bremen Buten un Binnen unterstützt.

Alter als Fördergrenze umstritten

Nachdem es 2018 erstmals eine institutionelle Förderung gab, sind nun die beantragten Mittel in Höhe von rund 59 000 Euro nicht bewilligt worden. „Das sind weniger als sechs Prozent vom Stadtteilbudget für die offene Kinder- und Jugendarbeit“, rechnet Frauke Kötter von Kultur vor Ort vor, „aber es bedeutet: beim Mobilen Atelier entfallen vier Nachmittage an vier Standorten und im Atelierhaus drei Nachmittage. Mehr als 100 Kinder werden somit nicht mehr erreicht.“

Gerade in einem Stadtteil, in dem viele Familien mit teils traumatischen Migrations- und Fluchterfahrungen leben, seien Menschen oftmals schon in sehr jungem Alter auf sich gestellt und brauchten Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit, ergänzt Gartner: „Es ist fachlich unsinnig, ein biologisches Alter als Fördergrenze zu definieren. Das widerspricht dem Sinn der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die als kostenloses, freiwilliges, selbstbestimmtes und wohnortnahes Angebot in Abgrenzung zu Schule und Vereinsarbeit eine besondere Bedeutung für Gröpelingen hat.“

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„Wenn wir nicht mit den Kindern anfangen, haben wir später auch keine Jugendlichen in den Einrichtungen“, sagt auch Ralf Jonas vom Bürgerhaus Oslebshausen. Er verliert nun womöglich Florian Graf, der seit 13 Jahren unter durchaus belastenden Bedingungen im Spielhaus Bexhöveder Straße verlässlicher Ansprechpartner für Jugendliche ist: „Es geht hier um etwa 12 000 Euro, dann könnte das weiter laufen.“

Im Kinder- und Familienzentrum Wohlers Eichen steht Martin Rohde zufolge eine Gruppe für junge Mädchen zwischen sechs und zwölf Jahren vor dem Aus. Mehr als zehn Jahre habe man das Angebot stemmen können: „Die Mitarbeiter arbeiten für den Mindestlohn von 10,23 Euro. Mehr haben wir bewusst nie verlangt, weil wir das Angebot unbedingt erhalten wollten.“ Dem Spielhaus Wilder Westen wurden laut Sven Bechtolf von der Initiative zur sozialen Rehabilitation 36 000 Euro nicht bewilligt: „Wir bekommen auch Gelder von Bildung und haben Injobs, die vom Jobcenter bezahlt werden. Wenn nun aber ein wesentlicher Finanzierungsbestandteil entfällt, ziehen diese Zuwendungsgeber ihre Mittel zurück.“ Das Aus für Spielhaus und Suppenküche wäre besiegelt, meint Spielhaus-Leiterin Claudia Toensing: „Dabei sind wir seit Jahren genau das niedrigschwellige und offene Angebot im Quartier, das im Rahmenkonzept gefordert wird.“

Überall ein bisschen kürzen

Auch die gesetzlich verankerte Trägervielfalt sehen die Einrichtungsvertreter in Gefahr. Entfalle ein Budget von rund einer Million Euro auf fünf große Träger, bleibe schließlich wenig Spielraum für andere, kritisiert etwa Jonas, der nun womöglich Arbeitsverträge kurzfristig auflösen muss. Die Kürzungen waren für ihn umso überraschender, da es 2018 ausreichend Mittel für alle gab.

Ein kleiner Lichtblick: Bislang ging der CA von einem Jahresbudget von 1 059 757 Euro – und rund 73 000 Euro Defizit – aus. Am Donnerstag teilte aber David Lukaßen vom Sozialressort mit, dass tatsächlich 1 109 757 Euro zur Verfügung stehen, da noch eine Ausgleichszahlung für eine aufgelöste Überlassungsstelle ausstehe. Die Lücke beträgt somit nurmehr 23 000 Euro.

Ließe sich nicht überall ein bisschen kürzen, anstatt einige Angebote komplett zu streichen? Beiratsmitglied Martin Reinekehr (SPD), der als Vertretungsmitglied dem CA angehört, hatte am Dienstag genau dies vorgeschlagen. „Das wären pro Einrichtung 2,1 Prozent weniger – damit könnten alle gut leben“, ist er überzeugt. Auch im Sozialressort käme eine solche Lösung allem Anschein nach gut an. Da bislang keine Bescheide verschickt wurden, wäre offenbar ein Widerruf noch möglich. Die Verteilung der Mittel obliege allein dem CA, unterstreicht jedoch Lukaßen: „Die Stadtteile entscheiden im Rahmen der Vergaberichtlinien darüber, wie die Mittel vergeben werden. Wir können nur dann eingreifen, wenn Richtlinien missachtet und Mittel falsch verwendet werden.“

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