Ein Anruf genügt. Wenn in der Straße Am Rickmers Park irgendwo Hilfe gebraucht wird, können die Nachbarn aufeinander zählen. Viele von ihnen kennen sich seit Jahrzehnten, und pflegen ein enges Miteinander. Genau 70 Jahren ist es her, dass die kleine von Birken flankierte Siedlung zwischen Achterdiek und A27 gebaut wurde – einige der Anwohner von damals leben noch heute hier.
Angelika Schultz ist eine von ihnen. Sie ist vor 70 Jahren nicht in die Straße eingezogen, sie ist hier sogar geboren worden. Im Haus mit der Nummer 6. Dort lebte die Familie, bis ihr späteres Haus auf der gegenüberliegenden Seite fertiggebaut war. In dem wohnt Angelika Schultz bis heute – seit 1975 mit ihrem Ehemann Rodolfo.
„Mein Schwiegervater ist früh gestorben, und so haben wir nach unserer Hochzeit direkt am Haus meiner Schwiegermutter angebaut“, erzählt er. Inzwischen sei auch sie verstorben, dafür sei sein Sohn vor Kurzem nebenan eingezogen. „Das ist hier in der Straße gar nichts Ungewöhnliches“, sagt Schultz. „Viele der Häuser werden mittlerweile von den nächsten Familiengenerationen bewohnt.“

Angelika Schultz wurde in der Straße Am Rickmers Park geboren. Noch heute lebt sie zusammen mit ihrem Ehemann Rodolfo in ihrem Elternhaus.
Eine, die seit jeher zur Stelle ist, wenn irgendwo in der Siedlung Hilfe gebraucht wird, ist Christa Kück. „Frau Kück ist die Kümmerin in unserer Straße“, erzählt Schultz. Sie wisse stets, wenn es irgendjemandem schlecht gehe, und helfe, wo sie könne. Der Zusammenhalt in der Straße sei ihr wichtig, betont die 73-Jährige. Ebenso ihrem sieben Jahre älteren Bruder Günter, mit dem sie bis heute in ihrem Elternhaus wohnt.
Es sei ihr immer ein Anliegen gewesen, dass niemand in der Straße auf sich allein gestellt sei, erzählt sie. So habe sie für die älteren Anwohner häufig Einkäufe erledigt, Krankenbesuche gemacht oder sich einfach Zeit für einen Klönschnack genommen. „Ich habe bis heute von vielen Nachbarn einen Haustürschlüssel, damit ich im Notfall schnell helfen kann“, sagt Kück. Die Nachbarschaftspflege geht sogar so weit, dass sie gemeinsam mit ihrem Bruder bis heute mehrere Gräber von verstorbenen Anwohnern in Ordnung hält.
Im Jahr 1983, als die Straße 33 Jahre alt wurde, habe sie erstmals beschlossen, alle Anwohner „unter einen Hut zu bringen“, erinnert sich Kück. Das war die Geburtsstunde der Straßenfeste, die Am Rickmers Park bis heute in regelmäßigen Abständen gefeiert werden. „Natürlich sollte es in diesem Jahr eigentlich auch wieder ein großes Fest geben – wegen des 70-jährigen Bestehens“, erzählt sie. Aufgrund der Corona-Auflagen habe sich das Festkomitee nun aber entschlossen, die Feier im kommenden Sommer nachzuholen.

Auch die Geschwister Christa und Günter Kück bewohnen das Haus ihrer Eltern und zählen zu den Alteingesessenen in der Siedlung.
Früher sei dafür noch die ganze Straße gesperrt worden, erinnert sich Kück. Das sei ihnen angesichts der erforderlichen Anträge aber mit den Jahren zu aufwendig geworden. Inzwischen werde etwa alle fünf Jahre auf dem Wendeplatz der Sackgasse gefeiert. Und zwar mit allem, was dazugehöre, von der Kinderbespaßung bis zur Livemusik.
Bei den Vorbereitungen für das verschobene Straßenfest war in diesem Jahr erstmals auch Charlotte von Appen dabei, eine von den „Neuen“. Eigentlich hätte der Tag des Straßenfestes auch ihr Hochzeitstag werden sollen, erzählt sie. Der sei nun aber ebenfalls verschoben worden. Vor zwei Jahren ist sie mit ihrem Lebensgefährten Felix Kok in die Straße Am Rickmers Park gezogen. Seit Kurzem ist das Paar zu dritt. „Vor einigen Tagen klingelten die beiden an unserer Haustür, um uns ihren kleinen Sohn vorzustellen“, erzählt Christa Kück.
„Das ist wirklich schön, wenn sich neue Familien hier so einbringen.“ Von Appen kennt es aus ihrer Kindheit nicht anders. Sie ist im ländlichen Raum in Schleswig-Holstein aufgewachsen. „Da war es völlig normal, dass man die Nachbarschaft kennt und sich gegenseitig hilft“, erzählt die 31-Jährige. Entsprechend gefreut habe sie sich, kurz nach ihrem Einzug bereits eine Einladung zum traditionellen Adventsglühwein in der Nachbarschaft bekommen zu haben.
Viel Raum für die Gartenarbeit
Und gerade vor einigen Tagen habe ein Tütchen mit Akelei-Samen vor ihrer Haustür gelegen. Absender: Christa und Günter Kück. „Das war wirklich eine nette Überraschung – ich hatte ihnen erzählt, dass es noch viel im Garten zu tun gebe, und wir ihn gerne möglichst insektenfreundlich gestalten wollen“, erzählt von Appen. Dass die Gartenarbeit Am Rickmers Park oft vergleichsweise viel Raum einnehme, liege an den relativ großen Grundstücken, erzählt Rodolfo Schultz. Die Siedlung sei seinerzeit hauptsächlich für Kriegsversehrte gebaut worden, denen man ein gewisses Maß an Selbstversorgung ermöglichen wollte.
„Einige Nachbarn haben heute noch Hühnerställe hinterm Haus, und Gemüse wird auch noch häufig angebaut“, erzählt er. Aber auch für Kinder wird wieder mehr Platz in den Gärten gebraucht, was Ehepaar Schultz besonders freut. „Seit einigen Jahren leben wieder mehrere Familien mit Kindern hier – das bringt Leben in die Straße“, erzählt er. Christa Kück freut sich ebenfalls über diese Entwicklung. Und sie hofft, dass das gute nachbarschaftliche Miteinander in der Straße auch in den kommenden Generationen erhalten bleibt. „Das ist schon etwas ganz Besonderes hier – es wäre schade, wenn das verloren ginge“, sagt sie.
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