Hilfe im Alltag Beratungscafé bietet Ausflüge für Geflüchtete in Bremen an

Freiwillige vom Beratungscafé des Vereins Fluchtraum bieten Ausflüge für junge erwachsene Flüchtlinge in Bremen an. Sie sollen so die Orte in der Stadt kennenlernen, die sie für sich nutzen können.
20.07.2019, 16:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Kornelia Hattermann

Manchmal braucht es gar nicht viel: 900 Euro aus dem Stadtteilfonds spendierte die Sozialsenatorin dem Verein Fluchtraum für Ausflüge mit jungen Geflüchteten unter dem Motto „Bremen kennenlernen“ – für die jungen Leute, die sich in der Hansestadt nicht auskennen, ein Gewinn. Sie entdecken Orte in der Stadt, die sie für sich nutzen können, wo sie Leute kennenlernen und Freizeit verbringen oder sich Unterstützung und Hilfe holen können. Junge Freiwillige organisieren und begleiten die Touren, die bisher in den Sportgarten, zu einem Jugendtheatertag in den Schlachthof, zu einem Basketball-Spiel in der ÖVB-Arena und zur Breminale führten.

Geboren wurde die Idee für die Ausflüge im Beratungscafé mit Lerntreff, das Fluchtraum immer mittwochs und donnerstags von 14.30 bis 19 Uhr im Jugendhaus Buchte in der Buchtstraße anbietet. Dabei handelt es sich um einen offenen Treff für junge Menschen im Alter zwischen 17 und 27 Jahren, in dem alle Angebote kostenlos sind, in dem sie einfach chillen oder gemeinsam etwas Kreatives machen können. „Man kann einfach kommen und man muss keine Fragen mitbringen“, sagt Insa Bertram, die weiß, wie schwer es für die sehr jungen, geflüchteten Erwachsenen ist, sich allein zurechtfinden zu müssen.

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Deshalb gibt es auch Beratung in Alltagsfragen, Hilfe bei Bewerbungen, Anträgen, beim Briefeverstehen, bei der Wohnungssuche oder Beratungsstellenfinden. Insa Bertram und eine Kollegin, die hauptamtlich bei Fluchtraum arbeiten, und junge Ehrenamtliche helfen im Lerntreff bei Hausaufgaben, bei Prüfungsvorbereitungen oder beim Deutschlernen.

Lernen und Helfen

Zehn bis maximal 15 Besucher kommen durchschnittlich ins Beratungscafé, wo neben der hauptamtlichen mindestens eine ehrenamtliche Kraft anwesend ist. Ein junger Mann, selbst Flüchtling, lerne mit Besuchern Deutsch, eine junge Master-Studentin helfe bei vielen Fragen, erläutert Bertram. Diese Helfer bekommen ebenso wie die Erwachsenen oder Senioren eine Aufwandsentschädigung, insgesamt engagieren sich zehn Ehrenamtliche im Beratungscafé.

Ahmad Ammar hat die Ausflüge mit organisiert. Vor knapp vier Jahren ist der 37-Jährige mit seinem ein Jahr älteren Bruder aus Damaskus in Syrien nach Deutschland gekommen, über Nürnberg nach Bremen. An der Uni habe er einen Flyer des Beratungscafés gesehen und sei dann oft dorthin gegangen, um mit anderen Geflüchteten zu sprechen oder Hilfe bei Hausaufgaben zu bekommen und den Stress vor Tests zu mildern. Bewerbungstraining, Hilfe beim Lebenslauf schreiben, dabei kann der 37-Jährige mittlerweile anderen helfen. Statistik habe er in Syrien studiert, in Deutschland sei es erst mal darum gegangen, die Sprache zu lernen. Jetzt wartet Ahmad Ammar darauf, dass Abschlusszertifikate beglaubigt werden, und wie das Statistische Landesamt seine Bewerbung als mathematisch-technischer Assistent bescheidet, die er mithilfe des Jobcenters losgeschickt hat.

Die beruflichen Fachsprachen seien sehr herausfordernd für Geflüchtete, stellt Insa Bertram immer wieder fest, die von einem angehenden Veranstaltungskaufmann weiß, den der Ausbildungsbetrieb gerne einstellen würde, der aber an der schriftlichen Prüfung gescheitert ist. Für Sprachdefizite junger Erwachsener gebe es keine Unterstützung, deshalb sei der Weg zu einer Ausbildung häufig lang und könne abschreckend sein. Beispielsweise wenn jemand zwei Jahre eine Ausbildung zum Kinderpfleger machen und drei weitere anschließen müsse, um Erzieher zu werden. Das bedeute, für lange Zeit auf ein niedriges Ausbildungsgehalt und auf Transferleistungen angewiesen zu sein. Die Alternative, sich von einer zur anderen Zeitarbeitsfirma zu hangeln, biete auch keine Perspektive.

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Um so willkommener sind Abwechslungen wie die Ausflüge des Beratungscafés. Neun Unternehmungen sind insgesamt geplant, die 900 Euro werden hauptsächlich als Förderung für die jungen Leute genutzt, die die Ausflüge organisieren und begleiten. „Als Wertschätzung und um die Verantwortlichkeit zu betonen“, erklärt Insa Bertram. Gemeinsam mit anderen etwas Neues unternehmen, Freundschaften stärken und Stress abbauen, hebt Ahmad Ammar als positive Momente hervor. Und es sei gut für die Psyche.

Finanzielle Grenzen

Wenn man die jungen Leute aus Afghanistan, Guinea, Eritrea, Somalia, Syrien, Gambia oder kurdischen Gebieten nach Ausflugszielen frage, dann möchten alle gern mal weiter weg – nach Bremerhaven oder an die Nordsee beispielsweise. Das sei schwierig, da stoße der Verein bereits an seine finanziellen Grenzen, sagt Insa Bertram. Derzeit suchen die Aktiven nach fünf weiteren Zielen für ihre Stadtausflüge, die kostenlos zu nutzen sind: der Fachdienst Jugendhilfe, ein wichtiger Anlaufpunkt für Jugendliche von 18 bis 15 Jahren, könnte einen Besuch wert sein, so Insa Bertram, die Teilnahme an der Stadtrallye des Jugendrings oder ein Besuch beim „Irgendwo“-Festival ebenso.

Für die kleinen Förderbeträge ist der Verwaltungsaufwand relativ hoch: Für die jeweils drei Stunden Ausflug müssen Stundenzettel ausgefüllt, Unterschriften geleistet und Papiere abgelegt werden – Begleiter und Teilnehmer wunderten sich. Doch das sorge auch für Transparenz, und es werde deutlich, dass kontrolliert werde, wo das Geld bleibe, sagt Insa Bertram.

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Die 31-Jährige stammt aus Köln, sie hat Politikwissenschaft in Münster studiert und eine Ausbildung als Koordinatorin in der Jugendhilfe absolviert, seit acht Jahren lebt sie in Bremen. Bei Fluchtraum ist sie eine von fünf hauptamtlich Beschäftigten. Der Verein wurde 2004 als „Initiative für ehrenamtliche Vormundschaften und Mentorenschaften“ für junge Geflüchtete gegründet, bis 2013 wurde rein ehrenamtlich gearbeitet. Die Eins-zu-eins-Begleitung laufe weiterhin gut, sagt Insa Bertram. Das Büro des Vereins befindet sich in der Berckstraße in Horn, und neben dem Beratungscafé in der Buchtstraße bietet der Verein „Beratung zu Aufenthalt und Sozialleistungen“ in der Schildstraße (Lagerhaus) im Ostertor.

Die finanziellen Spielräume seien immer extrem eng, das Beratungscafé werde neben der Förderung durchs Sozialressort von der Stadtteilinitiative „Gemeinsam gut“ der Sparkasse Bremen unterstützt. Über Spenden freuen sich Insa Bertram und ihre Mitstreiter immer, Laptops beispielsweise würden gebraucht, die gar nicht viel mehr als ein Textprogramm und eine Internetverbindung haben müssten.

Weitere Informationen

Beratungscafé mit Lerntreff, Jugendhaus Buchte, Buchtstraße 14/15, mittwochs und donnerstags, 14.30 bis 19 Uhr, Haltestelle Domsheide. Beratung zu Aufenthalt und Sozialleistungen in der Schildstraße 12 nach Terminvereinbarung, Büro des Vereins Fluchtraum, Berckstraße 27, Telefon 04 21/835 61 53, E-Mail an info@fluchtraum-bremen.de.

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