Bremer Azubiprojekt Schule auf Sendung

Wie zwölf Azubis von der Wilhelm-Wagenfeld-Schule in Huchting innerhalb von zwei Wochen als Fernsehmacher die „Testbildschau“ produzieren.
02.03.2019, 10:27 Uhr
Lesedauer: 5 Min
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Schule auf Sendung
Von Ina Bullwinkel

Raum U116 der Wilhelm-Wagenfeld-Schule in Huchting ist kein gewöhnliches Klassenzimmer. Dort hängt keine Tafel an der Wand und es beugen sich auch keine Schüler über aufgeschlagene Bücher. Der Raum gleicht eher einer Werkstatt: Wer die blau lackierten Doppeltüren zum Flur im Untergeschoss aufstößt, taucht bereits ein in einen feinen, unsichtbaren Dunst aus Holzspäne. Die Tische im Raum sind zur Fensterseite geschoben, davor liegen drei Scheinwerfer wie abgestürzte Satelliten, auf dem Boden schlängeln sich orangefarbene Kabel zu Achten, Schüler und Lehrer wuseln umher. Und mitten drin: ein Podest, gezimmert aus Europaletten und Spanplatte. Raum U116 ist Klassenzimmer und Fernsehstudio zugleich. Dort werkeln die zukünftigen Mediengestalter an ihrem großen Projekt, der „Testbildschau“. Zwölf Schüler, zwei Wochen Zeit und vier Bereiche die am Ende funktionieren müssen: Kamera, Ton, Beleuchtung und Bühne.

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„Es ist ihr größtes Projekt an der Berufsschule“, sagt Lehrerin Phoebe Koch etwas aus der Puste. Sie klopft den Holzstaub von ihren Händen, gerade hat sie noch Spanplatten mit einem Akkuschrauber zusammengesetzt. Gleich muss sie schon die nächste Klasse unterrichten. Im Gegensatz zu ihren Schülern ist ihr Stundenplan nicht für die Zeit des Projekts frei geräumt. Koch zeigt den auf zwei DIN-A4-Blättern ausgedruckten Ablaufplan. „Produktion einer Fernsehsendung“ steht darüber. „Uns Lehrern liegt das Projekt sehr am Herzen“, sagt Koch. Die normalen Unterrichtsstunden reichten dafür nicht. „Deswegen opfern wir gern einen Teil unserer Freizeit dafür.“ Für jeden Tag hat die Gruppe festgelegt, was wann gemacht werden muss: Bühnenbau, Proben, Besprechungen. In einer Spalte steht fett gedruckt „Aufzeichnung“.

Im Computerraum nebenan sitzen die Azubis Marie Legenhausen, Rene Hessels und Jurek Veit in einem Halbkreis und besprechen ihren Leitfaden für die Sendung. Die drei lernen im dritten Jahr und stehen kurz vor dem Abschluss. Eine Sendung komplett alleine auf die Beine zu stellen, stellten sie sich anfangs unmöglich vor. „Wir sind dann doch nur Azubis und so eine Show ist nicht nur die Produktion, sondern die Vorarbeit, die Recherche, sich um Gäste kümmern und Ablaufpläne schreiben“, sagt Marie Legenhausen. „Aber tatsächlich ist alles mittlerweile ziemlich sicher und wir haben ein gutes Gefühl, dass es funktionieren kann.“

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Die Schüler wollen mit ihrer Sendung mehr Menschen erreichen als die beiden vorherigen Jahrgänge – die Videos aus 2017 und 2018 kommen bei Youtube zusammen auf etwa 500 Aufrufe. „Wir haben uns die älteren Shows angeguckt und gesagt: So wollen wir das nicht machen“, sagt Jurek Veit. Die Studios hätten nicht interessant ausgesehen und die Themen seien auch nicht gut ausgewählt gewesen. „Wir haben jetzt gesagt: Ey, wir haben hier die Möglichkeiten, warum wollen wir das nicht mal richtig geil machen?!“

Es ist das dritte Mal, dass Schüler der Wilhelm-Wagenfeld-Schule die „Testbildschau“ aufzeichnen. Dieses Jahr soll es etwas Großes werden. Thema der Sendung: Hip-Hop im Wandel. Als Moderator konnten die Schüler Hubertus Koch gewinnen, der sich in der Hip-Hop-Szene gut auskennt. Darauf sind alle sehr stolz. „Hubertus Koch hat von den Gästen den bekanntesten Status“, sagt Jurek Veit. Weil der Moderator ein Kollege von ihm sei, habe er ihn leicht erreichen können. „Genauso wie meinen Chef, der als Gast kommt.“

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Ganz nah an der Berufspraxis

Als Pädagogin nennt Phoebe Koch das Projekt Lernfeldunterricht – Schule ganz nah an der Berufspraxis. „Was die Schüler hier machen, vermottet nicht in irgendwelchen Schubladen, sondern bleibt bei Youtube für immer abrufbar“, sagt sie. In der gegenüberliegenden Ecke des Raums bauen mehrere Schüler an der Bühnenkonstruktion. Das Podium mitten im Raum ist die Studiobühne. Eine Holzlatte kracht zu Boden. „Brauchst du Hilfe, Lennart?“, ruft Koch. Der Schüler kommt zurecht: „Alles gut!“ Dann muss sie weiter zu ihrer anderen Klasse.

„Passt?“ – „Jo, passt!“ Lennart Rossenfeld und Rolf Schapals brauchen nicht viele Worte. Sie gehören zum Team „Baubühne“ und sind dabei, Holzlatten mit der Stichsäge zurecht zu sägen. Daraus soll ein Kasten für die Künstlerbühne werden. „Damit der Klang der Band gut wird, müssen wir unsymmetrische Wände auf die Bühne setzen“, sagt Rossenfeld. Ein Spitzdach mit Dämmplatten soll es richten.

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Schapals gehört mit seinen 29 Jahren zu den ältesten Schülern in der Gruppe. Er bringt schon einiges mit an Erfahrung in Film und Fernsehen. Nach einer Schauspielausbildung und Auftritten in verschiedenen TV-Serien hat er ein paar Jahre selbstständig als Videograf gearbeitet. Die „Testbildschau“ ist aber auch für ihn eine Herausforderung und genau das gefällt ihm: „Das ist das Spannende daran: zu gucken, was man möglich machen kann.“ An der Idee für die Bühne habe die Gruppe bis zuletzt festgehalten, obwohl das abgerundete Design nicht so leicht umzusetzen war.

Vom Auszubildenden zum Dozenten

„Morgen ist Vincent da und Jannik auch – also zwei, die den Bildmischer ganz gut beherrschen und dir zur Seite stehen können.“ Jan Lange steht vor dem ZGR, also dem zentralen Geräteraum, und spricht mit dem Schüler, der für das Bild zuständig ist. Lange hat selbst einmal die Ausbildung zum Mediengestalter an der Wilhelm-Wagenfeld-Schule gemacht. Heute unterricht er dort.

Mit seinem grauen Kapuzenpullover und seinen Sneakers könnte er selbst noch als Schüler durchgehen. Er zeigt den ZGR, spricht von Bildsignalfluss, Kamerakontrolle und Mazen. „Man sagt im Fernsehen ja heute immer noch 'Maz ab!'“, sagt Lange. Obwohl die Einspieler heutzutage schon lange keine magnetischen Aufzeichnungen mehr seien.

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„Während der Sendung wird unser Operator die Mazen aufrufen und die tauchen dann drüben in der Bildregie auf.“ Drüben, das ist die Kammer nebenan. Dort sitzt Andreas Gräf und zeigt, was der Bildmischer während der Sendung zu tun hat. Ein Schaltpult mit leuchtenden Knöpfen und mehreren Hebeln trennt ihn von einer Wand aus zwölf flackernden Bildschirmen. Gräf ist ein gefragter Bildingenieur und einer der externen Lehrer, die ehrenamtlich bei der Produktion der Sendung helfen. Ohne Leute wie Gräf könne die Schule die „Testbildschau“ wohl vergessen, sagt Lange.

Kaum noch Live-Bands im Fernsehen

Im Raum hinter dem Bildmischer sitzt die Tonregie. Dort wird während der Aufzeichnung Marie Legenhausen sitzen und den Ton mischen – den der Mazen, der Gäste, des Moderators und den der Band. "Das wird besonders herausfordernd", sagt Lange. Eine Band live spielen zu lassen, mache man im Fernsehen heutzutage kaum noch. "Und ich weiß auch noch nicht, wie wir das machen", flüstert er, damit seine Schüler ihn nicht hören. "Davon bräuchten wir noch eins", sagt er und zeigt auf das Mischpult. Woher er das bekommen soll, weiß er noch nicht. Den Schülern traue er jedoch noch mehr zu als bei den anderen beiden Jahrgängen: "Am Ende ist die Sendung ihr Baby."

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