Immer mehr Unterhaltsvorschuss für Kinder Bremen bekommt kaum Geld zurück

Zahlt ein Elternteil keine Unterhalt für sein Kind, springt oft der Staat mit einem Vorschuss ein. In Bremen werden nur sechs Prozent dieser Vorschüsse zurückgezahlt. Alarmierende Zahlen, sagt eine Expertin.
04.03.2019, 17:35 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Bremen bekommt kaum Geld zurück
Von Lisa-Maria Röhling

Immer öfter muss Bremen für nicht gezahlten Unterhalt einspringen. Das Geld für Kinder Alleinerziehender wird von den eigentlich zahlungspflichtigen Elternteilen meistens nicht zurückgezahlt: Laut aktuellen Daten des Bundesfamilienministeriums ist die sogenannte Rückholquote in ganz Deutschland auf ein Rekordtief von 13 Prozent gesunken, in Bremen liegt sie bei nur knapp sechs Prozent.

Damit ist das kleinste Bundesland Schlusslicht. Dass das so ist, sagt die Arbeitsmarktexpertin Esther Schröder, sei alarmierend. Sie sieht die Sozialbehörde in der Pflicht, sich mehr für die betroffenen Alleinerziehenden einzusetzen.

22 Millionen ausgelegt

Im vergangenen Jahr hat Bremen 22 Millionen Euro an Unterhaltszahlungen ausgelegt, zurückgezahlt wurden davon lediglich 1,2 Millionen. In vier von fünf Fällen mussten alleinerziehende Mütter diese Unterstützung beim Sozialamt beantragen. Dass die Rückholquoten bundesweit gesunken sind, hat laut dem Bundesfamilienministerium mit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2017 zu tun: Zuvor bestand der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss lediglich für Kinder bis zwölf Jahre und maximal für 72 Monate. Diese Begrenzungen gibt es nicht mehr, der Unterhaltsvorschuss wird bis zum 18. Geburtstag des Kindes gezahlt. Nun gibt es mehr Antragsberechtigte und somit mehr Fälle, in denen die Vorschüsse nicht zurückgezahlt werden.

Sozialstruktur ist ein Grund

Was ist der Grund dafür? Das hat laut Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde, mit der Sozialstruktur zu tun: Bremen habe nach Berlin die höchste Hartz-IV-Quote und die zweithöchste Zahl an Alleinerziehenden bundesweit. Fast 90 Prozent der Unterhaltspflichtigen seien auf Sozialhilfe angewiesen. Bei ihnen sei es für den Staat schlichtweg nicht möglich, den fälligen Unterhalt eintreiben.

So argumentiert auch das Bundesfamilienministerium: „Die Unterhaltsverpflichtung endet dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern“, sagt ein Ministeriumssprecher. In Bundesländern mit schwierigerer wirtschaftlicher Situation oder hohen Hartz-IV-Quoten sei es „naturgemäß schwieriger, Kindesunterhalt durchzusetzen“ als in anderen Bundesländern. Die langfristig erfolgreiche Rückholung sei von gut organisierten und ausreichend mit Personal ausgestatteten Teams abhängig. Und das, sagt der Sprecher, sei Aufgabe der Bundesländer.

Vorschuss-Höhe als Problem

Esther Schröder, Mitorganisatorin der Ausstellung „Mittenmang – alleinerziehend in Bremen“, ist mit dieser Argumentation nicht zufrieden: Dass 90 Prozent der betroffenen Elternteile tatsächlich keinen Unterhalt zahlen können, bezweifelt sie. Das macht sie an der größten Gruppe der Unterhaltspflichten, den Vätern, fest: In Bremen, das belegt eine Erhebung der Arbeitnehmerkammer, verdienen Männer im Durchschnitt mehr als im Bundesvergleich. „Wieso sollte ausgerechnet die Gruppe der unterhaltspflichtigen Väter eine Ausnahme sein?“, sagt Schröder.

Ein weiteres Problem ist laut Schröder die Höhe der Vorschusszahlungen: Diese liegen meist unter den Unterhaltsansprüchen, auf die die Kinder laut der sogenannten Düsseldorfer Tabelle ein Recht hätten. „Vorschuss statt Unterhalt ist Verzicht“, sagt sie. Sie sieht das Sozialressort in der Verantwortung: Die geringe Rückgriffquote zeige, dass das Land sich nicht genug für die Belange der Betroffenen einsetze. „Offensichtlich fällt es leichter, den Antrag auf Unterhaltsvorschuss vorzulegen und Steuergelder auszureichen, als für die Zahlung von Unterhalt zu sorgen“, sagt sie. Es gebe schlichtweg zu wenig Personal in den Jugendämtern, um den säumigen Zahlern nachzugehen. Auch Zwangsmaßnahmen bei nicht gezahltem Unterhalt vermisst sie in Bremen.

Viele Alleinerziehende von Grundsicherung abhängig

Die Gemengelage treffe die Bremer besonders hart: 67,8 Prozent der Alleinerziehenden mit Kind seien von der Grundsicherung abhängig, Alleinerziehende mit zwei Kindern sogar in 96,2 Prozent der Fälle. Der Bundesschnitt liege bei 49 Prozent. Damit waren 2017 knapp 16 160 Kinder in Bremen von Armut betroffen. „Der fehlende Unterhalt ist ein wichtiger Baustein für die Existenzsicherung“, sagt Schröder. „Das sind skandalöse Zahlen, die mit einer skandalösen Hilfequote für Alleinerziehende korrespondieren.“

Dass die Unterhaltsvorschüsse unter dem gesetzlichen Anspruch liegen, bestätigt das Sozialressort. Die Zahlungen seien Mindestbeträge, sagt Schneider, die unabhängig vom Einkommen sind. „Der Vorschuss ist eine Basissicherung." Allerdings könne Bremen daran wenig ändern: Die Beiträge richten sich nach Bundesvorgaben. Dass die Jugendämter nicht ausreichend besetzt seien, könne er nicht bestätigen: Mit der Gesetzesform 2017 seien zahlreiche neue Mitarbeiter eingestellt worden, um die Rückholungsfälle zu bearbeiten. "Das kann nicht der Grund für die niedrige Quote sein", sagt Schneider.

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