Ein Bremer soll mehrere Homosexuelle verfolgt und tyrannisiert haben. Zehn Fälle wurden bekannt, in vier dieser Fälle hat die Bremer Staatsanwaltschaft nun Anklage erhoben, bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der 30-jährige mutmaßliche Täter hatte es auf schwule Männer abgesehen. Er fälschte Facebook-Accounts der Betroffenen, unternahm Betrügereien und schikanierte seine Opfer mit Anrufen und Nachrichten.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Volksverhetzung, Bedrohung, Beleidigung, versuchter räuberischer Erpressung und Nötigung. „Für mich ist es erstmalig, dass ein Täter so massiv und über einen langen Zeitraum auf diese Personengruppe abgesehen hatte“, sagt Frank Passade, Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Gottseidank haben wir einen solchen Fall nicht häufig.“ Möglich sei aber, dass sich nun noch weitere Opfer des Mannes meldeten.
Im Visier hatte der mutmaßliche Täter auch junge Männer aus Bremen: Einen damals 17-Jährigen verfolgte er mit permanenten Nachrichten, bedrohte ihn, veröffentlichte eine Todesanzeige für ihn und verschickte einen Trauerkranz an seine Schule. Zum Teil verkaufte er Handys und Tickets im Namen seiner Opfer, doch die Ware kam nie bei den Kunden an, und diese beschwerten sich dann bei den vermeintlichen Verkäufern.
"Viele Bedrohungen und Diskriminierungen werden nicht angezeigt"
Die Ermittlungen gestalteten sich nicht einfach. Da der Täter seine Opfer vor allem über Handy und soziale Netzwerke bedrängte, waren die Ermittler auf Kooperation mit Online-Portalen angewiesen. Passade bezeichnete die Ermittlungen als „sehr aufwendig“. Auch wenn der aktuelle Fall extrem sei, gebe es immer wieder Fälle, in denen schwule Bremer verfolgt und mit angedrohtem Outing erpresst würden, sagt Christian Linker vom Bremer Rat-und-Tat-Zentrum für queeres Leben.
Es habe auch schon Attacken mit Farbbeuteln und Buttersäure auf das Zentrum gegeben, Leute vor dem Zentrum im Viertel wurden beschimpft, so Linker. „Viele Bedrohungen und Diskriminierungen, die homosexuelle Bremer erleben, werden nicht angezeigt“, sagt Linker. „Wir wünschen uns, dass die Bereitschaft steigt, solche Fälle auch zur Anzeige zu bringen.“ Der aktuelle Fall sei in dieser Art ungewöhnlich, sagt auch Rolf Tiemann vom Jungenbüro. Er berät Jugendliche und junge Männer, die Gewalt erlebt haben. Es gebe aber auch bei Männern immer wieder einzelne Stalking-Fälle.
Der Berater beschreibt, welche Auswirkungen dies haben kann: „Jede Form von Bedrohung kann zu traumatischen Belastungen führen, je nach Persönlichkeit und je nachdem, ob dem Betroffenen geglaubt wird und ob er darüber sprechen kann oder nicht“, sagt Tiemann. „Stalking und Mobbing können, wenn sie über einen langen Zeitraum geschehen, für das Gehirn eine ähnliche Belastung sein wie ein Autounfall.“
Seit drei Jahren hat die Polizei Bremen mit Sven Rottenberg einen Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. An ihn können sich Homosexuelle wenden, die sich bedrängt sehen. „Ich bin häufig der Mutmacher, arbeite mit dem Rat-und-Tat-Zentrum zusammen und begleite Betroffene aufs Polizeirevier, um dort Anzeige zu erstatten“, beschreibt Rottenberg seine Rolle. Zum Teil gebe es Hemmschwellen und Ängste bei schwulen Bremern, zur Polizei zu gehen – besonders bei Flüchtlingen und Zuwanderern, die zum Teil eine homophobe Einstellung der Polizei aus in ihren Herkunftsländern kennen.
Sven Rottenberg ist per E-Mail erreichbar unter Agl@polizei.bremen.de oder telefonisch unter 015 22 / 296 96 85. In dringenden Fällen sollte der Notruf unter 110 gewählt werden. Betroffene können sich auch an das Rat-und-Tat-Zentrum wenden unter Telefon 04 21 / 70 00 07. Jungen und junge Männer bis 27 Jahren können sich auch beim Jungenbüro unter Telefon 04 21 / 59 86 51 60 beraten lassen. Das Jungenbüro unterstützt nicht nur bei körperlicher, sondern auch bei psychischer Gewalt.