Der Bremer Schulkonsens geht in die zweite Runde: Zehn Jahre nach Verkündung des ersten Bremer Schulfriedens haben SPD, CDU, Grüne und Linke am Dienstag eine Neuauflage für weitere zehn Jahre bis 2028 bekannt gegeben. Damit wird es auch in Wahlkampfzeiten keine neue Strukturdiskussion geben. Soll heißen: Die zweigliedrige Schulstruktur aus Gymnasien und Oberschulen bleibt ebenso erhalten wie die Umsetzung der Inklusion.
Neu ist die schon vollzogene Gründung eines Instituts für Qualitätsentwicklung und die Neudefinierung der Schulleiter als Qualitätsmanager. Zusätzlich sollen die Schulen personell erheblich aufgestockt werden, angestrebt wird eine 105-prozentige Versorgung innerhalb der kommenden fünf Jahre. Scharfe Kritik musste sich die FDP gefallen lassen, die den Schulkompromiss wie schon 2008 nicht mittragen wollte.
Bei der Pressekonferenz in der Kwadrat- Werkstatt kritisierte die grüne Landesvorstandssprecherin Alexandra Werwarth die Verweigerung der FDP als „parteipolitisches Wahlkampfmanöver auf dem Rücken der Schüler“. Kaum weniger verständnislos äußerte sich der stellvertretende CDU-Landeschef Jens Eckhoff, der für den erkrankten Landesvorsitzenden Jörg Kastendiek eingesprungen war. Sein Kommentar in Anspielung auf die gescheiterten Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene: „Wir wissen spätestens seit Christian Lindner, wie man vor der Verantwortung wegrennt.“
Befremdet zeigte sich auch SPD-Landesvorsitzende Sascha Aulepp, zumal keine sachlichen Gründe für das liberale Ausscheren erkennbar gewesen seien. Tatsächlich teilte die FDP in einer Presseerklärung mit, weiter zur Schulstruktur von Gymnasien und Oberschulen wie auch zur Inklusion zu stehen. Laut Landeschef Hauke Hilz ist die FDP aber die einzige Partei, die den Leistungsgedanken wieder stärker in den Schulen verankern will.
Zudem würden die entscheidenden Weichen nicht durch den Schulkonsens gestellt, sondern durch die Koalitionsverhandlungen nach der Bürgerschaftswahl im Mai 2019. Das sehen die Schulkonsens-Parteien allerdings anders. Mit der Fortführung des Schulfriedens ist nach ihrer Sicht ein Rahmen geschaffen, der die wesentlichen Eckpunkte der Schul- und Bildungspolitik für die kommenden zehn Jahre festschreibt.
Als „oberstes Ziel“ definieren die Konsensparteien, „dass die starke soziale Abhängigkeit von Elternhaus und Bildungserfolg gemindert“ werde. Anders als noch vor zehn Jahren sind diesmal auch die Linken mit von der Partie. Als Begründung nannte Landesvorstand Cornelia Barth die bessere Ausstattung mit Ressourcen – auch wenn der „Herzenswunsch“ nach wie vor die Schule für alle sei.
Im Detail gibt es durchaus Differenzen
Auf insgesamt zehn Zielvorgaben haben sich die Bildungsexperten der beteiligten Parteien verständigt. Neben der Gründung des fachlich unabhängigen Instituts für Qualitätsentwicklung in Bremen (IQHB) und besserer Personalausstattung sollen nicht nur die Unterstützungsstrukturen für die Inklusion gestärkt werden, die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (Rebuz) sowie die Zentren für unterstützende Pädagogik (Zup).
Zugleich wollen die Konsensparteien den Weg zur Ganztagsschule forcieren, den Anteil fehlender schulischer Basiskompetenzen reduzieren und die schulische Sprachförderung ausweiten. Mit ins Boot sollen auch die Schulen in freier Trägerschaft kommen. Angestrebt wird eine schrittweise Annäherung ans Niveau der beiden anderen Stadtstaaten.
Ein steiniger Weg, wie die Zahlen belegen: Berlin investiert pro Jahr 8900 Euro in jeden Schüler, Hamburg immerhin 8600 Euro, Bremen dagegen nur 6800 Euro. Eine Lücke, die sukzessive geschlossen werden soll. Im laufenden Jahr will Bremen den Satz um 300 Euro erhöhen, 2019 um 800 Euro. Die Zustimmung der Parteigremien zu dem Kompromiss gilt als sicher. Nach sieben Jahren soll die Wirksamkeit der Maßnahmen evaluiert werden.
Ob die Bildungspolitik nach dem erneuerten Schulfrieden im Wahlkampf ganz außen vor bleiben wird, darf indessen bezweifelt werden. Und zwar nicht nur wegen der Störgeräusche seitens der FDP. Trotz aller zur Schau getragenen Einigkeit ließen die Parteienvertreter durchblicken, dass der fortgeführte Kompromiss nur den Rahmen betreffe, es im Detail aber durchaus Differenzen gebe. So etwa mit Blick auf eine acht- oder neunjährige Gymnasialzeit. „Wir haben uns zwar auf einen Rahmen verständigt“, sagte Eckhoff. „Aber der Rest ist demokratischer Wettbewerb zwischen den Parteien.“